Europäer bei Ukraine-Krisengipfel uneins
18. Februar 2025Großbritannien und Frankreich schreiten voran, Deutschland bremst: Beim Pariser Gipfel zum Ukraine-Krieg haben sich die Europäer uneins in der Frage einer Friedenstruppe gezeigt, die einen möglichen Waffenstillstand sichern soll. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Diskussionen als irritierend und völlig verfrüht und kritisierte, dass über die Köpfe der Ukrainer hinweg über mögliche Ergebnisse von Friedensgesprächen gesprochen werde, die noch gar nicht stattgefunden hätten.
"Falsche Zeit, falsches Thema"
"Das ist höchst unangemessen, um es ganz offen und ehrlich zu sagen", sagte Scholz. Es sei eine "unpassende Debatte zur falschen Zeit und über das falsche Thema". Scholz äußerte sich im Anschluss an die informellen Beratungen, zu denen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auch die Staats- und Regierungschefs aus Großbritannien, Italien, Polen, Spanien, den Niederlanden und Dänemark sowie die Spitzen von EU und NATO eingeladen hatte.
Scholz stellt sich damit unter anderem gegen den britischen Premierminister Keir Starmer und Macron. Starmer war kurz vor dem Treffen vorgeprescht und zeigte sich "bereit und willens", notfalls Soldaten in das von Russland angegriffene Land zu entsenden. In einem Gastbeitrag für den "Telegraph" schrieb er, Großbritannien könne bei der Arbeit an Sicherheitsgarantien für die Ukraine eine "führende Rolle" übernehmen.
Niederlande und Schweden zeigen sich offen - Polen lehnt ab
Für die Entsendung von Truppen in die Ukraine hatten sich zuletzt auch die Niederlande und Schweden offen gezeigt. Spanien und Dänemark schlossen einen solchen Schritt zumindest nicht mehr kategorisch aus. Polen, das an die Ukraine angrenzt, plant dagegen keine Entsendung von Soldaten. "Das Treffen hat an unserem Standpunkt nichts geändert", sagte Regierungschef Donald Tusk nach dem EU-Sondergipfel in Paris. Bereits zuvor hatte er betont, Polen habe nicht vor, Truppen in die Ukraine zu schicken. Die Regierung in Warschau werde aber Länder, die in Zukunft solche Garantien geben wollten, logistisch und politisch unterstützen.
USA wollen keine Soldaten schicken
Die USA haben bereits klargemacht, dass sie keine Soldaten zur Sicherung eines möglichen Waffenstillstands in die Ukraine entsenden wollen. Wie groß eine Friedenstruppe für die Ukraine sein könnte, ist unklar.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte eine Truppenstärke von 200.000 Soldaten ins Spiel gebracht. Das gilt aber als unrealistisch. Zu Beginn der Debatte über eine Friedenstruppe in der Ukraine war über rund 40.000 Soldaten spekuliert worden.
Ungarn spricht von "frustrierten europäischen Politikern"
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa erklärten nach dem Treffen, die Europäer seien sich einig, dass die Ukraine einen Frieden verdiene, der die Unabhängigkeit und territoriale Integrität des Landes respektiere und starke Sicherheitsgarantien biete. Ungarn - selbst EU-Mitglied - unterstellte den Gipfelteilnehmern aber ganz andere Intentionen: In Paris seien "Kriegsbefürworter, Trump-feindliche und frustrierte europäische Politiker" zusammengekommen, um ein Friedensabkommen mit der Ukraine zu verhindern, sagte Außenminister Peter Szijjarto.
Topthema bei dem Gipfel war die Frage, wie Europa auf den drastischen Kurswechsel in der US-Ukraine-Politik reagieren soll. Diese zielt darauf ab, den ukrainischen Präsidenten Selenskyj und Kreml-Chef Wladimir Putin in Verhandlungen über ein Ende des Krieges zu zwingen und den Europäern die Verantwortung für die Absicherung eines Friedensdeals für die Ukraine zu übertragen.
In Saudi-Arabien beraten die USA und Russland
Die Chefdiplomaten der USA und Russlands führen dazu an diesem Dienstag direkte Verhandlungen in Saudi-Arabien. Es ist das erste Treffen des neuen US-Außenministers Marco Rubio mit seinem erfahrenen russischen Gegenpart Sergej Lawrow. Während Rubio vom US-Sondergesandten Steve Witkoff und dem Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz begleitet wird, reiste Lawrow mit Juri Uschakow an - dem außenpolitischen Berater von Kremlchef Wladimir Putin.
"Die Hauptsache ist es, eine reale Normalisierung der Beziehungen zwischen uns und Washington zu erreichen", sagte Uschakow bei der Ankunft auf dem Flughafen der Hauptstadt Riad. Zu den Verhandlungspositionen wollte er sich nicht äußern. Laut Kreml geht es bei den Gesprächen auch um die Vorbereitung eines möglichen Treffens Putins mit US-Präsident Donald Trump in Saudi-Arabien.
Die Ukraine muss im Boot sein, fordert Selenskyj
Auch der ukrainische Präsident Selenskyj plant dieser Tage eine Reise nach Saudi-Arabien. Über das Treffen der Amerikaner mit den Russen sei er aber nicht vorab unterrichtet worden und er werde auch nicht daran teilnehmen, sagte Selenskyj bei einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Er werde keine Vereinbarungen anerkennen, die in "Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine" erzielt würden, betonte Selenskyj.
Der im Februar 2022 von Putin befohlene Angriffskrieg gegen die Ukraine hat zu einem tiefen Bruch zwischen den USA und Russland geführt. In den ersten drei Kriegsjahren waren die Vereinigten Staaten unter Präsident Joe Biden der wichtigste Unterstützer und Waffenlieferant der Ukraine. Sein im Januar vereidigter Nachfolger Donald Trump läutete einen drastischen Kurswechsel ein. Vergangene Woche rief er Putin an und sprach mit ihm nach offizieller Darstellung über ein mögliches Kriegsende.
haz/se (dpa, rtr, afp)
Redaktionsschluss 17.30 Uhr (MEZ). Dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert!