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PolitikEuropa

EU-US-Abkommen: Es geht um mehr als Handel

29. Juli 2025

Die Reaktionen auf die Handelseinigung mit den USA fielen in Europa eher enttäuscht aus. Neben der wirtschaftlichen Dimension hat die Vereinbarung auch geopolitische Implikationen.

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Deutschland Hamburg 2025 | Containerschiff im Hamburger Hafen vor dem Hintergrund neuer US-Zölle
Containerschiff im Hamburger Hafen - die EU soll den USA zugesichert haben, strategische Produkte, wie Gas, Öl, und Kernbrennstoff sowie KI-Chips im Wert von 750 Milliarden US-Dollar zu kaufenBild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

Während die Details und Auswirkungen des EU-US-Handelsabkommens noch Gestalt annehmen, kritisieren viele europäische Wirtschaftsverbände und Politiker die Abmachung als ungleich und fürchten negative wirtschaftliche Auswirkungen.

Unterdessen betont man in Brüssel, dass es um mehr als Wirtschaft gehe. "Es ist nicht nur der Handel. Es geht um Sicherheit. Es geht um die Ukraine. Es geht um die aktuelle geopolitische Instabilität," sagte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic am Montag in Brüssel. Er könne zwar nicht auf alle Details der Verhandlungen zwischen Ursula von der Leyen und Donald Trump eingehen, doch, so versicherte er den anwesenden Journalisten, es sei um mehr als den Handel gegangen. 

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und US-Präsident Donald Trump schütteln sich die Hände
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und US-Präsident Donald TrumpBild: Brendan Smialowski/AFP/Getty Images

Am Sonntag hatten sich EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und US-Präsident Trump auf die Bedingungen einer Abmachung über künftige Zölle geeinigt. Diese sehen unter anderem einen grundsätzlichen Zollsatz von 15 Prozent für die meisten EU-Importe und Ausnahmen für gewisse strategisch wichtige Produkte vor.

Daneben enthält das Abkommen auch Vereinbarungen von geostrategischer Tragweite. So soll die EU den USA zugesichert haben, strategische Produkte, wie Gas, Öl, und Kernbrennstoff sowie KI-Chips im Wert von 750 Milliarden US-Dollar zu kaufen. Die EU wolle außerdem weitere 600 Milliarden Dollar in den USA investieren. Auch sollen EU-Länder Rüstungsgüter von den USA kaufen. Die Details, ob und wie diese Einkäufe durch die Mitgliedstaaten garantiert werden sollen, sind noch unklar.

Ölförderanlagen im Abendlicht
Ölförderung im US-Bundesstaat New Mexico (Archivbild)Bild: Jim Thompson/Albuquerque Journal /Zuma/picture alliance

Das Lob aus den Mitgliedstaaten fiel eher verhalten aus. Manche Mitgliedstaaten, wie etwa Frankreich und Ungarn, kritisierten die EU-Kommission deutlich.

Hat die EU gut verhandelt?

Die Politikanalystin Penny Naas vom German Marshall Fund sagt, dass es der EU nicht immer gelungen sei, ihr Gewicht als selbsterklärter größter Binnenmarkt der Welt in die Waagschale zu werfen. Geopolitisch hätten sowohl Europas Verhandlungsführung als auch das Ergebnis schwach ausgesehen, sagte Naas im Gespräch mit der DW. 

Elvire Fabry, Senior Research Fellow am Jacques-Delors-Institut, tut sich schwer, die Gespräche der vergangenen Wochen überhaupt als Verhandlungen zu bezeichnen. Denn der EU seien aufgrund ihrer Abhängigkeit von den Sicherheitsgarantien der USA die Hände gebunden gewesen. Die Rahmenbedingungen wären, laut Fabry, völlig andere gewesen, wenn die EU die Ukraine-Unterstützung der USA nicht für ihre Verteidigung bräuchte. 

Frühere Drohungen Donald Trumps, der Ukraine die Unterstützung zu streichen, lösten in der EU Schockwellen aus. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die EU in der Lage wäre, die US-Hilfe finanziell oder militärisch zu ersetzen. 

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj (r.) sitzt neben Trump im Weißen Haus, rechts Vizepräsident J.D. Vance
Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj (r.) im Februar bei Trump im Weißen HausBild: Jim Lo Scalzo/UPI Photo/Newscom/picture alliance

Beide Expertinnen sind sich einig, dass ein Problem bei den Verhandlungen die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten und deren fehlende Einigkeit war. Fabry sieht in dem sogenannten "Instrument gegen Zwangsmaßnahmen" die einzige Möglichkeit der Europäer, Druck und Glaubwürdigkeit gegenüber den USA aufzubauen. Doch für eine mögliche Anwendung habe es unter den Mitgliedstaaten keine Einigkeit gegeben.

Dieses Instrument, das auch als "Anti-Coercion-Instrument" bekannt ist, soll Staaten davon abschrecken, wirtschaftlichen Druck auf die EU auszuüben. Als letztes Mittel kann die EU weitreichende Gegenmaßnahmen verhängen.

Welche geopolitischen Implikationen hat das Abkommen?

Doch auch die Vereinbarung selbst hat geopolitische Implikationen für die EU. So beobachtet Penny Naas, dass das Versprechen, Energie, KI-Chips und Waffen von den USA zu kaufen, zeige, wie abhängig die EU immer noch von den USA sei. Bei den USA zu kaufen, sei die "beste aller schlechten" Lösungen und mache deutlich, dass Europa seine strategische Autonomie nicht erreicht habe, so Naas.

Handel und Zölle als Waffe: Erpresst Trump die Welt?

Der Begriff der strategischen Autonomie ist ein Schlagwort, das insbesondere der französische Präsident Emmanuel Macron geprägt hat. Darunter wird verstanden, dass Europa möglichst unabhängig von anderen Mächten ist. Diese Unabhängigkeit soll von der Waffenindustrie über die Energie bis hin zum Bezug kritischer Rohstoffe reichen.

EU und USA gegen China? 

Eine wichtige geopolitische Komponente enthalte die Abmachung auch in Bezug auf China, sagt Elvire Fabry gegenüber der DW. Denn diese scheine Verpflichtungen zu enthalten, sich etwa hinsichtlich der chinesischen Überkapazität zu koordinieren - also der Produktion dessen, was über die chinesischen Marktbedürfnisse hinausgeht. Die Details seien noch unklar, so Fabry. Jedoch sorge sich China, dass die EU sich stärker an dem Anti-China-Ansatz der USA ausrichte.

Auf China angesprochen, betonte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic am Montag, dass die Liste der Probleme mit dem Land trotz aller Bemühungen nicht kürzer, sondern eher länger werde.  Auch ein EU-China-Gipfel vergangene Woche habe nicht die gewünschten Resultate gebracht.

Bei vielen Themen, die man mit China habe, gehe es den USA genauso. Also sei es selbstverständlich, dass man mit seinem Verbündeten zusammenarbeite, so Sefcovic.

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel