EU soll außenpolitisch stärker werden
18. Oktober 2001Der 11. September hat die Maßstäbe der Europa-Politik verschoben, darüber waren sich Regierung und Opposition im Bundestag einig. Die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg sei dringlicher als je zuvor, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstag (18.10.) in seiner Regierungserklärung:
"Europa muss sich heute einer neuen Herausforderung stellen, einer Herausforderung, die zu einer Antriebskraft im Integrationsprozess werden kann und werden muss. Ich meine die Friedenssicherung und die Herstellung von Sicherheit nicht nur auf unserem Kontinent und an den Rändern der EU, ich meine die weltweite Verantwortung Europas im Kampf gegen Hunger, Unterdrückung, Instabilität und Terrorismus."
Die Europäische Integration sei die größte Erfolgsgeschichte des 20. Jahrhunderts, und das solle auch im 21. Jahrhundert so bleiben, so der Kanzler. Das Modell der friedlichen Zusammenarbeit benachbarter Staaten sei gerade heute aktuell und könne als Vorbild für andere Regionen der Welt dienen.
Außenminister Joschka Fischer stellte die Frage, ob die Europäische Union darauf vorbereitet sei, außenpolitisch Verantwortung zu übernehmen. Andernfalls könnte in Zeiten der Bedrohung das nationale Handeln wieder wichtiger werden, warnte der Außenminister:
"Die Bundesregierung wird hier immer die parallele Politik verfolgen: Einerseits unseren nationalen Beitrag in der Frage der politischen Lösung, der militärischen Solidarität, der humanitären Initiative und Solidarität. Auf der anderen Seite werden wir aber nicht müde werden, hier die europäische Sichtbarkeit auch zu stärken und ein Mehr an gemeinsamer europäischer Außenpolitik und Sicherheitspolitik zu erreichen."
Die EU habe Fähigkeiten, die jetzt gefragt seien: Von der Vermittlung in Konflikten bis zur humanitären Hilfe, Allerdings müssten die Institutionen der gemeinsamen Außenpolitik gestärkt werden, so Fischer.
Die Opposition forderte, die Zusammenarbeit in der Praxis auszubauen. Gerade im Bereich Justiz und Polizei sei noch viel zu tun, so Friedrich Merz, der Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion.
"Welchen Sinn macht es, wenn wir alle zwar die Notwendigkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit etwa in Polizeifragen, bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens, beim Drogenhandel, beim Terrorismus immer wieder betonen, immer wieder beschwören, aber offenbar die einfachsten Grundlagen für die Weitergabe von Daten grenzüberschreitend - zum Beispiel an Europol - bis heute nicht vorhanden sind?"
Helmut Haussmann, der europapolitische Sprecher der FDP, wies auf die Schwächen des Vertrags von Nizza hin:
"Nizza war leider ein absolutes Negativbeispiel. Hier hat sich noch einmal altes Denken durchgesetzt, keine Kompromissbereitschaft für gemeinsame Lösungen. Alle Regierungen kamen nach Hause, um dort nationale Egoismen zu begründen. Keine Regierung, auch nicht die deutsche, hat in Nizza dafür gesorgt, dass es einen Fortschritt gab bei gemeinsamen Lösungen, bei mehr Mehrheitsentscheidungen, bei einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments."
Nach zweistündiger Debatte stimmte der Bundestag dem Vertrag von Nizza mit breiter Mehrheit zu, der Voraussetzungen für die Aufnahme neuer Mitglieder schafft. Neben Deutschland haben bisher die Parlamente von Frankreich, Dänemark und Luxemburg den Vertrag ratifiziert.