EU-Kommission rügt deutsche Debatte
4. Januar 2014Die EU-Kommission lehnt Forderungen nach verschärften Gesetzen beim Zuzug von EU-Einwanderern strikt ab. EU-Sozialkommissar Lazlo Andor sagte der Tageszeitung "Die Welt": "Wir müssen unbedingt Grundrechte wie die Freizügigkeit verteidigen und dürfen auf Zuwanderung von Menschen nicht mit Hysterie reagieren. Das EU-Recht beinhaltet eine Reihe von Schutzklauseln gegen Missbrauch - wir wollen und wir brauchen darum keine neuen Gesetze, um die Freizügigkeit einzuschränken."
"Man muss diese Probleme angehen"
Andor räumte zugleich ein, dass in einigen Kommunen durch den Zuzug von EU-Migranten Belastungen entstehen könnten, etwa im Bildungsbereich, am Wohnungsmarkt oder bei den Sozialausgaben. "Man muss diese Probleme angehen, beispielsweise dadurch, indem man einen Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen, die der Staat durch zugezogene ausländische Arbeitnehmer erhält, dafür verwendet", so der EU-Kommissar weiter. Neue Schranken gegen ausländische Arbeitnehmer seien dagegen keine Lösung.
Außerdem können die Mitgliedsländer der Europäischen Union laut Andor künftig mindestens 20 Prozent des milliardenschweren Sozialfonds für die Integration von EU-Migranten in den Städten und Gemeinden nutzen. Schließlich bereite die EU-Kommission Online-Trainingsmaßnahmen vor, um den zuständigen Beamten in Städten und Gemeinden dabei zu helfen, das Recht auf Freizügigkeit für EU-Bürger vollständig zu verstehen und anzuwenden.
"Im Zweifel sanften Druck ausüben"
Auch der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte der "Bild"-Zeitung, dass es in einigen Großstädten Probleme mit der Ballung von Zuwanderern gebe, die keine Arbeit fänden, scheinselbstständig seien und die oft in menschenunwürdigen Verhältnissen lebten. Die Städte seien damit weitgehend alleine gelassen - "ihnen und vor allem den Menschen müssen wir helfen", sagte Gabriel. Gleichzeitig müsse die Armut in den Heimatländern bekämpft werden. Dafür stelle die EU erhebliche Mittel bereit. Die müssten Rumänien und Bulgarien aber auch abrufen. Gabriel: "Hier muss die Bundesregierung unterstützend eingreifen - und im Zweifel auch sanften Druck ausüben."
Hintergrund der Debatte ist, dass für Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien seit dem 1. Januar die volle Freizügigkeit innerhalb der EU gilt. Sie brauchen kein Visum und keine Arbeitserlaubnis mehr, um sich auch in Deutschland niederlassen zu können. Damit verbunden ist die Sorge vor einer Überlastung der Sozialsysteme. So will die CSU armen EU-Zuwanderern den Zugang zum deutschen Sozialsystem erschweren. Dies solle etwa durch die Aussetzung des Leistungsbezugs für die ersten drei Monate des Aufenthaltes geschehen - dies zielt auf die so genannten Hartz IV-Aufstocker ab, vor allem kleine Selbstständige aus EU-Ländern, die von ihrem Einkommen nicht leben können. Zudem fordert die CSU ein härteres Vorgehen gegen Betrüger, deren Wiedereinreise nach Deutschland verhindert werden soll.
"Mit Willkommenskultur hat das wenig zu tun"
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste forderte derweil, dass Deutschland vermehrt Fachkräfte aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien und Bulgarien anwerben müsse. Dies sei notwendig, um den Fachkräftemangel in der Pflege bekämpfen zu können, sagte Geschäftsführer Bernd Tews. Bereits heute fehlten in der Bundesrepublik bis zu 50.000 Pflegekräfte. Die Freizügigkeit in der Europäischen Union dürfe daher nicht eingeschränkt werden.
Tews verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass auf dem Arbeitsmarkt für Pflegekräfte die Konkurrenz anderer EU-Staaten nicht zu unterschätzen sei. In Deutschland komme noch erschwerend hinzu, dass jedes Bundesland andere Anerkennungsanforderungen zur Berufsausübung stelle. Tews: "Mit Willkommenskultur hat das wenig zu tun."
sti/qu (afp, dpa, epd, kna)