EU-Kommissar Rehn droht Deutschland
22. Februar 2014Die Pläne der großen Koalition für die abschlagsfreie Rente mit 63 stoßen auch in der EU-Kommission auf Kritik. "Für das Zurückdrehen der Rentenreform fallen mir keine überzeugenden ökonomischen Argumente ein, vor allem nicht vor dem Hintergrund einer stark alternden Gesellschaft", sagte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn der Düsseldorfer "Wirtschaftswoche". Politiker der Union sehen bei der Rente mit 63 ebenfalls weiter Verhandlungsbedarf.
Rehn warnte, die Beschlüsse der Koalition in Deutschland würden "negative Auswirkungen auf die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen haben". Der EU-Kommissar prüft dem Bericht zufolge auch die mögliche Einleitung eines Verfahrens gegen Deutschland wegen der Rentenbeschlüsse. "Das könnte durchaus der Fall sein", sagte der EU-Kommissar.
Die Bundesregierung plant eine abschlagfreie Rente mit 63 für Arbeitnehmer, die 45 Versicherungsjahre nachweisen können. Zudem bekommen Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben, eine höhere Rente. Die von Arbeitsministerin Andrea Nahles eingebrachte Reform sieht auch eine Aufstockung der Renten für Erwerbsgeminderte und mehr Geld für Reha-Leistungen vor.
Kritik aus den eigenen Reihen
Die Kosten aller Änderungen summieren sich bis 2020 auf Mehrausgaben von etwa 60 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2030 kommen etwa 160 Milliarden Euro zusammen. Bezahlt wird dies vor allem von den Beitragszahlern (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) durch den Verzicht auf die Beitragssenkung und die Aufzehrung der Rücklagen der Rentenversicherung von etwa 31 Milliarden Euro. Der Bund erhöht den allgemeinen Bundeszuschuss ab 2019 stufenweise, so dass ab 2022 jährlich zwei Milliarden Euro zusätzlich vom Steuerzahler fließen.
Gegen die Vorschläge von Arbeitsministerin Nahles (SPD) gibt es weiterhin auch Vorbehalte bei den Koalitionspartnern CDU und CSU. Die bislang geplanten Regelungen seien zu großzügig, missbrauchsanfällig und zu teuer, kritisierte CDU/CSU-Fraktionsvize Sabine Weiß. Vor allem bei der Rente mit 63 gebe es noch viel Verhandlungsbedarf», sagte sie der "Wirtschaftswoche".
Auch das Handwerk gegen Rente mit 63
Unionsfraktionschef Volker Kauder warnte vor einer großen Zahl von Frühverrentungen. Wegen dieser Gefahr werde seine Partei darauf bestehen, dass die Rente mit 63 nicht direkt aus der Arbeitslosigkeit in Anspruch genommen werden könne, sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post" (Samstagsausgabe). Die Verhandlungen darüber seien nicht einfach, "aber darauf bestehen wir".
Wegen der vorgesehenen Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit wird befürchtet, dass langjährig Beschäftigte unter Umständen bereits mit 61 Jahren aufhören zu arbeiten. Sie müssten sich nur arbeitslos melden und könnten dann nach zwei Jahren die neue Rentenregelung in Anspruch nehmen.
Der den Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, ist die Rente mit 63 gar ein "klarer Fall von politischer Realitätsverweigerung". Wollseifer forderte, aufgrund der demografischen Entwicklung sollten alle, die es können, bis zur Regelaltersgrenze arbeiten. Diese beträgt künftig 67 Jahre.
gmf/se (afp, dpa, rtr)