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PolitikChina

Zollstreit mit den USA: China tauscht Chefunterhändler aus

Jinhan Li
18. April 2025

Der bisherige Amtsinhaber soll in den Verhandlungen bisweilen „aggressiv“ gewesen sein, der Nachfolger sei eher „aufgeschlossen“. Präsident Xi Jinping gibt weiterhin die Linie vor.

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Schweiz Genf 2022 | WTO-Ministerkonferenz | Chinas Botschafter Li Chenggang bei Umwelt-Pressekonferenz
Der neue chinesische Chefunterhändler Li Chenggang, hier als Botschafter bei einer WTO-Ministerkonferenz in Genf am 14. Juni 2022Bild: Shi Jiemaoyizuzhi/Xinhua News Agency/picture alliance

Bei den immer weiter eskalierenden Zollauseinandersetzungen mit den USA ist die Position des chinesischen Chefunterhändlers von zentraler Wichtigkeit. „Unerwartet" - wie die Nachrichtenagentur Reuters schreibt - nimmt Peking hier nun einen Stabwechsel vor.

Li Chenggang, 58 Jahre alt, wird der neue Chefunterhändler für internationale Handelsverhandlungen im Handelsministerium und wird zugleich Vize-Handelsminister. Das teilte die chinesische Regierung am 16. April mit. Der bisherige Amtsinhaber Wang Shouwen wurde von beiden Posten entbunden.

Der Jurist Li bekleidete im chinesischen Handelsministeriums und Außenwirtschaftsministeriums bereits zahlreiche Schlüsselpositionen. Während der ersten Amtszeit von Donald Trumps sei er bereits als Assistent des Handelsministers tätig gewesen, schreibt dazu das Ministerium für Personalwesen und soziale Sicherheit.

Will Peking ein neues Gesicht präsentieren?

Ein Insider aus den Pekinger Auslandsgeschäftskreisen, der anonym bleiben möchte, sagte gegenüber Reuters, dass Lis Vorgänger als besonders harter Verhandler galt und in der Vergangenheit mehrfach heftig mit US-Vertretern aneinandergeraten war. „Er war wie ein Kampfhund – sehr aggressiv", so die Quelle.

Möglicherweise wollte die chinesische Führung nun ein neues Gesicht präsentieren, um die festgefahrenen Gespräche wiederzubeleben, meint Alfredo Montufar-Helu, Senior Advisor beim China Center der Denkfabrik The Conference Board. Der Wechsel sei aber „sehr überraschend und könnte sogar störend wirken" angesichts der zunehmenden Spannungen im Handel. Wang habe als Lis Vorgänger immerhin viel Erfahrung im Umgang mit Trump.

Tu Xinquan, Direktor des China Institute for WTO Studies an der Universität für Außenwirtschaft und Handel, betont dagegen, dass Lis Erfahrung im Handelsministerium sowie seine Beteiligung an Chinas WTO-Beitrittsverhandlungen vor über 20 Jahren ihn gegenüber seinem Vorgänger Wang strategisch besser positioniere – insbesondere in einer Phase, in der China sich weigert, dem Druck und den Forderungen aus Washington nachzugeben.

Andere Analysten sehen in der Ernennung jedoch lediglich eine routinemäßige Personalmaßnahme, die zufällig in eine besonders sensible Phase fällt.

Eine Stellungnahme des Handelsministeriums zu den Gründen des Wechsels blieb zunächst aus. Auch die offizielle Mitteilung nannte keine näheren Details zu den Beweggründen, die zu dieser Entscheidung führten.

Handelskrieg USA - China: Der Zollstreit eskaliert

Ein erfahrener Technokrat

Allerdings gab es schon zuvor Hinweise auf Lis bevorstehenden Aufstieg: Am 31. März nahm er bei einem Unternehmergespräch der nationalen Entwicklungs- und Reformkommission erstmals öffentlich als „Führungskraft des Handelsministeriums" teil – ein deutliches Indiz auf seine künftige Rolle.

Li Chenggang ist Absolvent der juristischen Fakultät der Peking-Universität und studierte von September 1998 bis September 1999 an der Universität Hamburg. Innerhalb des chinesischen Handelsministeriums und Außenwirtschaftsministeriums hatte er zahlreiche Leitungspositionen inne, unter anderem als Direktor der Abteilung für Antidumping-Ermittlungen sowie als Leiter einer Abteilung, die Ermittlungen zu Hemmnissen im Handel führt.

Ab 2004 war Li Chenggang unter anderem stellvertretender Direktor des Büros für fairen Außenhandel sowie stellvertretender Direktor der Abteilung für Vertrags- und Rechtsangelegenheiten im Handelsministerium, zu deren Direktor er im November 2010 ernannt wurde. 2013 war er vorübergehend stellvertretender Bürgermeister und Mitglied des Parteikomitees der Stadt Qingdao. 2017 stieg er zum Assistenten des Handelsministers auf und wurde 2021 ständiger Vertreter Chinas bei der WTO in Genf.

„Li Chenggang ist ein typischer chinesischer Technokrat mit umfassender Erfahrung im internationalen Handel", erklärt Alfred Wu, außerordentlicher Professor an der Lee Kuan Yew School of Public Policy der Nationaluniversität Singapur. „Seine Ernennung mag nach einer gewöhnlichen Beförderung aussehen, aber angesichts der angespannten Beziehungen zu den USA kommt sie zu einem heiklen Zeitpunkt."

Xi gibt den Kurs vor, Li setzt ihn um

Im Februar hatte Li bei einer WTO-Sitzung in Genf scharfe Kritik an den USA geäußert: Die USA hätten „willkürlich Zölle gegen ihre Handelspartner wie China verhängt oder damit gedroht" und damit einen „globalen Zollschock" ausgelöst.

„Das unilaterale Vorgehen der USA verstößt offen gegen WTO-Regeln, erhöht die wirtschaftliche Unsicherheit, stört den globalen Handel und könnte sogar das regelbasierte multilaterale System gefährden", so Li.

Tu betont, dass die strategische Linie der Verhandlungen weiterhin von Präsident Xi Jinping und der obersten Führung festgelegt werde. „Li wird diese Linie gegenüber den USA vertreten."

Gleichzeitig sei ein neuer Verhandlungsstil denkbar: „Li Chenggang ist ein aufgeschlossener Mensch und ein Befürworter des Freihandels", so Tu.

Kambodscha Phnom Penh 2025 | Chinas Präsident Xi Jinping zu Besuch bei König Norodom Sihamoni
Chinas Präsident Xi Jinping auf seiner diplomatischen Mission in Südostasien: Hier in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh zu Besuch bei König Norodom Sihamoni.Bild: STR/AFP/Getty Images

Vorbereitung auf neue Gespräche?

Die Personalentscheidung fällt in eine Phase wachsender Spannungen: Staatspräsident Xi Jinping befindet sich auf einer diplomatischen Reise durch drei südostasiatische Länder, mit dem Ziel, Chinas Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit den Nachbarländern zu festigen, um den hohen US-Zöllen entgegenzuwirken.

Die Trump-Regierung hat die Strafzölle auf chinesische Importe inzwischen auf bis zu 145 Prozent erhöht. Peking reagierte mit Zöllen von bis zu 125 Prozent auf US-Produkte und zeigte bislang keine Verhandlungsbereitschaft. China betonte, Gespräche seien nur auf Basis von „gegenseitigem Respekt und Gleichberechtigung" möglich.

Laut Sun Chenghao, Forscher vom Zentrum für internationale Sicherheit und Strategie der Tsinghua-Universität, seien im Zollstreit mittlerweile auf beiden Seiten alle Optionen ausgeschöpft – ein „nahezu festgefahrener Zustand" sei erreicht.

Washington erklärte am Dienstag, Trump sei einem Handelsabkommen mit China gegenüber aufgeschlossen, Peking müsse jedoch den ersten Schritt machen. Zugleich betonte er, China brauche „unser Geld".