"Es ist eine einfache Entscheidung: Karadzic oder Europa"
7. April 2004Bonn, den 7.4.2004, DW-RADIO/Bosnisch, Zoran Pirolic
Die Chefanklägerin des Haager Kriegsverbrecher-Tribunals [ICTY] kam gestern (6.4.) überraschend in Sarajevo an, und kehrte nach einer kurzen Unterredung mit dem Kommandeur von SFOR, nach der keine Details bekannt gegeben wurden, nach Den Haag zurück. SFOR führt nach dem missglückten Versuch vom letzten Wochenende, den ehemaligen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, zu verhaften die Suche nach ihm und seinem Unterstützernetzwerk weiter fort. Aus Sarajevo berichtet Zoran Pirolic:
Auch wenn es einige Schwierigkeiten bei der Jagd der SFOR nach Radovan Karadzic gab, so hat doch der Pressesprecher der SFOR, Dave Sullivan, versucht, diese zu zerstreuen: "Wir haben deutlich gemacht, dass die SFOR auch weiter alle flüchtigen angeklagten Kriegsverbrecher jagen wird, inklusive Herrn Karadzic. Die Schlinge um seinen Hals zieht sich weiter zusammen." Er erinnerte daran, dass die SFOR bislang 29 gesuchte Kriegsverbrecher verhaftet hat, während die Behörden in der Republika Srpska in den neun Jahren seit Kriegsende nicht einen einzigen verhaftet haben. Für dieses Land, so Sullivan, gebe es nur eine Wahl: "Es ist eine einfache Entscheidung: Karadzic oder Europa. Radovan Karadzic hält jeden Bürger dieses Landes als Geisel. Wenn ihm die Serben in Bosnien und Herzegowina wirklich wichtig wären, würde er sich nicht wie ein Feigling verstecken, sondern sich stellen."
Das Scheitern des jüngsten Verhaftungsversuchs von Radovan Karadzic war auch ein Thema beim gestrigen Treffen von Carla del Ponte, der Chefanklägerin des Den Haager Tribunals, mit dem SFOR-Kommandeur Virgil Packett. Carla del Ponte stattete Bosnien und Herzegowina einen Überraschungsbesuch ab und äußerte sich auch nicht zum Zweck des Besuchs. Lokale Medien berichteten jedoch, dass sie Anklageschriften gegen mindestens drei hochrangige ehemalige bosnisch-muslimische Repräsentanten im Gepäck gehabt habe. Genannt wurden die Namen Rasim Delic, ehemaliger Generalstabschef, Sakib Mahmuljin, ehemaliger stellvertretender Verteidigungsminister, und Ejub Ganic, ehemaliges Mitglied der Präsidentschaft des Landes. Auch ein Besuch von Carla del Ponte in Banja Luka wurde angekündigt, bei dem das Thema bereits bekannt ist: Die mangelnde Zusammenarbeit der Republika Srpska mit dem Haager Tribunal. (Übersetzung: Fabian Schmidt) (md)