Erster Streik bei Ford in Köln - was nun folgt
2. Juni 2025Rot-weißes Flatterband versperrt an diesem Mittwochmorgen das Tor Vier am Ford-Werk in Köln. Zwei Zettel mit der Aufschrift "Streikbrecher Zugang über Tor 1" kleben an den Drehkreuzen. Doch Streikbrecher gibt es an diesem Tag kaum. Mehr als 10.000 der 11.500 Beschäftigten haben die Arbeit für 24 Stunden niedergelegt, sagt David Lüdtke der DW. Er ist Vertrauenskörperleiter der IG Metall bei Ford in Köln.
Einer von ihnen ist Ahmet Cözmez, Entwicklungsingenieur in der Produktionsentwicklung bei Ford. "Wir sind verunsichert, wir sind nervös und angespannt", sagt der 30-Jährige der DW.
Schon sein Großvater arbeitete am Fließband bei Ford, kam 1970 als sogenannter "Gastarbeiter" mit dem Zug aus Istanbul nach Köln. Sein Vater arbeitete bei dem US Autobauer als Produktionsarbeiter, freigestellter Betriebsrat und saß für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat von Ford. "Diese Ford-DNA steckt halt in uns", sagt Cözmez. Die ältere Generation in seiner Familie war immer der Meinung: einmal bei Ford, immer bei Ford - wer bei Ford anfängt, geht auch dort in Rente. Doch jetzt will das US-Unternehmen 2900 Stellen im Kölner Werk abbauen.
Breite Solidarität mit den Arbeitern bei Ford
Mehr als zwei Wochen ist der Streik jetzt her. Es war der erste offizielle Streik in der Geschichte des Kölner Ford-Werks. Es gab zwar bereits 1973 einen "wilden Streik" von Arbeitnehmern aus der türkischen Community, aber dieser wurde von keiner etablierten Gewerkschaft organisiert.
Nicht nur die Ford-Belegschaft war bei dem Streik Mitte Mai vor Ort: Aus ganz Deutschland kamen IG-Metall-Mitglieder, Arbeiter aus dem Bergbau und aus der Chemiebranche. Sie alle waren angereist, um ihre Unterstützung zu zeigen. Es gab sogar internationale Solidaritätsbekundungen.
Viele seien hoffnungsvoll und bereit für ihre Arbeitsplätze zu kämpfen, doch die Unsicherheit bleibe, erklärt der Ford-Entwicklungsingenieur Cözmez der DW.
Ford schwächelt
Branchenexperten sehen eine düstere Zukunft für Ford in Europa: "Die Lage ist schlecht und die Perspektive noch schlechter", sagte der Direktor des Bochumer Autoinstituts CAR, Ferdinand Dudenhöffer. Ford sei im PKW-Bereich zu klein, als dass es in Europa ertragreich arbeiten könnte.
Fords Europageschäft schreibt schon seit Langem Verluste. Zwar war der in Köln produzierte Kleinwagen Ford Fiesta lange ein Verkaufserfolg, aber 2023 wurde die Produktion eingestellt, um Platz für elektrische Modelle zu machen.
Mittlerweile stellt Ford in Köln zwei Elektroautos her, doch der Verkauf blieb auch hier deutlich hinter den Erwartungen zurück. Investitionen von etwa zwei Milliarden Euro in die neue Elektroauto-Produktion rechneten sich bisher nicht.
"Deutsche Autobauer haben spät auf Elektromobilität umgestellt. Ford tut sich bei der Elektromobilität scheinbar noch schwerer", erklärt Anita Wölfl der DW, Fachreferentin am ifo Zentrum für Innovationsökonomik und digitale Transformation.
Wirtschaftliche Lage trifft auch Autobranche
Nicht nur der US-Konzern Ford, auch Autobauer wie Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW schwächeln.
Vor allem die Automobilbranche bekommt wirtschaftliche Einbrüche zu spüren. Wenn das Geld knapp ist, kann man auf Brot nicht verzichten - aber schon auf ein neues Auto. Deutschland befindet sich jetzt schon das zweite Jahr in Folge in einer Rezession.
"Das merkt die Autoindustrie", so Wölfl zur DW, es gebe eine gewisse Kaufzurückhaltung bei den Menschen.
Internationale Folgen befürchtet
Die Kölner Ford-Krise könnte Kreise ziehen, die auch international zu spüren sind. Eine schwächelnde deutsche Autoindustrie habe auch Auswirkungen auf viele andere Branchen, erklärt die ifo-Fachreferentin Wölfl - "und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit."
"Hinzu kommt noch der Trump-Effekt: Die US-Zölle auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile schaden der Autoindustrie", so Wölfl. Denn die Automobilindustrie sei charakterisiert durch eine komplexe, international vernetzte Wertschöpfungskette. "Selbst wenn es ein Unternehmen nicht direkt trifft, können die Zölle indirekte Auswirkungen haben."
Kampf um Sicherheit
Auch wenn es bei Ford schlecht aussieht, kämpft die Gewerkschaft weiter für den Erhalt der Arbeitsplätze und für die Zukunft von Ford, so David Lüdtke von der IG Metall.
Doch für den Fall, dass dies nicht gelingen sollte, will die IG Metall faire Abfindungen, Transfermaßnahmen und ein starkes, insolvenzgeschütztes Sicherheitsnetz für alle Beschäftigten durchsetzen.
Das ist auch deswegen so wichtig, da der US-Konzern Ford die sogenannte "Patronatserklärung" gekündigt hat. Mit der Erklärung aus dem Jahr 2006 stand der US-Mutterkonzern für die Schulden der deutschen Tochter ein.
Mit dem Ende der Patronatserklärung befürchten IG Metall und der Betriebsrat, dass nun auch die von ihnen durchgesetzte Beschäftigungssicherung bis 2032 in Gefahr ist.
Gewerkschaft kämpft weiter
Trotz der vielen Unsicherheiten - der Streik scheint Wirkung gezeigt zu haben. "Auch wenn wir noch kein Ergebnis haben - die Verhandlungen haben sich seitdem weiter nach vorne, in unsere Richtung bewegt", erklärt Lüdtke von der IG Metall .
Details zur Einigung sind bisher keine bekannt, aber man habe sich mit der Deutschen Geschäftsführung auf Eckpunkte für weitere Verhandlungen verständigt, hieß es von der Gewerkschaft IG Metall Köln.
"Nach der Abstimmung mit der Konzernzentrale in den USA wird dann entschieden, wie es weitergeht: Ob wir weiterverhandeln oder es weitere Arbeitskampfmaßnahmen gibt", so Lüdtke.