Erlebt der Fächer ein Comeback?
Die Hitzewelle naht - und während Fächer lange Zeit als ein etwas exzentrisches Accessoire galten, wedeln sich viele Frauen damit mittlerweile wieder ein frisches Lüftchen zu. Eine kleine Kulturgeschichte.
Schöner schwitzen
Der zusammenklappbare Luftspender erlebt ein Revival: Je höher die Temperaturen, desto öfter greifen Menschen zum Fächer. Denn durch die Fächerbewegung entsteht Verdunstungskälte, die an heißen Tagen etwas Linderung verschafft. Im globalen Norden ist das Accessoire vor allem bei Frauen beliebt; in Japan hingegen fächeln sich Angehörige aller Geschlechter damit Luft zu.
Von Kopf bis Fuß auf Fächer eingestellt
Fächer sind aber nicht nur nützlich, sondern auch stylisch: Auf den Laufstegen der Welt ist der Luftspender deshalb als Accessoire in unterschiedlichen Formen präsent. Auf diesem Bild trägt ein Model bei der Pekinger Fashion Week 2019 sogar gleich mehrere Exemplare am Körper - in der Hand und im Haar.
Überlieferungen aus dem alten Ägypten
Der Ursprung des Fächers liegt im Dunkel der Geschichte - möglicherweise ist er (fast) so alt wie die Menschheit selbst. Frühe Darstellungen sind jedenfalls schon aus dem alten Ägypten bekannt, wie diese Wandmalerei am Grab des Gottvaters Amenemonet in Theben zeigt. Dabei handelte es sich aber nicht um Handfächer, sondern um große Wedel, mit denen Diener ihrer Herrschaft Luft zufächelten.
Tanzen, musizieren, wedeln
In der Geisha-Kultur Japans spielten Fächer eine bedeutende Rolle, etwa als Geschenk, bei der Tee-Zeremonie oder wie hier beim gemeinsamen Musizieren um 1900. In Japan wird zwischen zwei Arten von Handfächern unterschieden: Die "uchiwa" wurden vermutlich im ersten Jahrtausend aus China nach Japan importiert. Die faltbaren Fächer, "ōgi" genannt, gelten hingegen als frühes japanisches Kulturgut.
Zepter des Schiedsrichters
Bereits im alten Japan schmückten sich nicht nur Frauen mit Fächern: Die historische Darstellung zeigt einen Sumo-Ringkampf Anfang des 20. Jahrhunderts, bei dem der Schiedsrichter einen hölzernen Fächer hält. Ursprünglich wurden mit diesen "Gumbai" genannten Fächern auf dem Schlachtfeld Befehle signalisiert. Beim Sumo-Ringkampf nutzte man sie zum Anzeigen des Gewinners.
Eleganz für den Adel
Der Fächer war - sowohl in Asien wie in Europa - bis zum frühen 20. Jahrhundert nie nur ein Gebrauchsgegenstand. Die aufwendige und teure Herstellung macht ihn bis heute zum Statussymbol, mit dem sich insbesondere Adlige gerne schmückten. Auf dem Foto führt Camilla, Gemahlin des britischen Thronfolgers Charles, ein Exemplar bei einem Spaziergang im Botanischen Garten 2009 in Rio vor.
Vom Aussterben bedrohte Kunst
Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Fächerherstellung als eigener Beruf anerkannt, Fächer wurden erschwinglicher und verbreiteten sich in der gesamten Bevölkerung. Doch heute ist das Handwerk vom Aussterben bedroht: Die Pariserin Anne Hoguet, die seit mehr als 60 Jahren kunstvolle Fächer anfertigt, ist die letzte traditionelle Fächermacherin in Frankreich.
Dekadent, aber dekorativ
Millionen von Menschen haben zumindest eines der Prachtexemplaren aus Paris gesehen: Im Kinofilm "Marie Antoinette" hält Schauspielerin Kirsten Dunst (Mitte) ein von Anne Hoguet gefertigtes Unikat. Wert: 3000 Euro - und damit fast so dekadent wie die kostspieligen Accessoires des historischen Film-Vorbilds. Marie Antoinette, Gattin von Ludwig XVI., war für ihre Luxus-Ausschweifungen bekannt.
Diskrete Botschaften
In mehreren Ländern, etwa in Japan und Spanien, sollen regelrechte "Fächersprachen" existiert haben, die vor allem zum Flirten genutzt wurden: Je nach Position und Bewegung des Fächers ergaben sich verschiedene Bedeutungen. Außerdem war ein Fächer praktisch, um während einer langweiligen Theateraufführung unbemerkt dahinter zu gähnen - oder zu tuscheln, so wie dieses Paar in barocker Kostümierung.
Olé!
Auf der Bühne lassen die Fächer ihre profanen Funktionen hinter sich. Sie kühlen keine Gesichter mehr und müssen auch nicht mehr als Schutz gegen Sonne und Insekten herhalten. Stattdessen dienen sie als Stilmittel und Accessoire für bestimmte Tänze wie den Flamenco. Aus dem spanischen Volkstanz ist er nicht wegzudenken.
Extra für Exzentriker
Pferdeschwanz, Sonnenbrille - und Fächer: Der bekannte Modeschöpfer Karl Lagerfeld machte das Spender für laue Lüftchen zu einem seiner Markenzeichen. Für seine Kollektionen entwarf der "Kaiser des Laufstegs" auch selbst immer wieder Handfächer. Trotzdem - oder gerade deswegen - galt der Fächer lange als einigermaßen exzentrisches Accessoire.
Vom Statussymbol zum Alltagsprodukt
Im Lauf seiner Geschichte war der Fächer verschiedenen Moden unterworfen: Fächer wurden ebenso aus Federn hergestellt wie aus zarter Spitze, Stoff oder Leder. Heute gibt es Fächer für jedermann und in verschiedensten Ausführungen: von günstigen Papierfächern wie hier auf dem Bild bis hin zu elektrisch betriebenen Exemplaren mit Mini-Propeller, die das manuelle Fächeln überflüssig machen.