Vorbild für Afrika? Kap Verde feiert 50 Jahre Unabhängigkeit
4. Juli 2025"Viele sagen, Kap Verde sei ein Leuchtturm für andere Länder Afrikas", erzählt der kapverdische Politiker Gualberto. "Ich halte nichts von solchen Vergleichen. Zweifelsohne schneidet Kap Verde in vielen Indizes im Vergleich zu anderen Ländern Afrikas besser ab. Aber ich denke, es gibt noch viel zu tun und wir sollten daran arbeiten, das Land weiter voranzubringen", sagt do Rosário im DW-Gespäch. Er wirkte als Minister in mehreren Regierungen mit und war in den Jahren 2000 und 2001 Ministerpräsident und Vorsitzender der zurzeit regierenden "Bewegung für Demokratie" (MpD).
In den vergangenen fünf Jahrzehnten hat Kap Verde einen bemerkenswerten Entwicklungssprung vollzogen, vor allem in den Bereichen Bildung und Gesundheitsversorgung. Während 1975 noch 65 Prozent der Bevölkerung Analphabeten waren, liegt die Quote heute bei nur noch drei Prozent. Auch das Gesundheitswesen hat sich deutlich verbessert: 1974 gab es lediglich 13 Ärzte und zwei Krankenhäuser, heute sind Hunderte Mediziner im Land tätig, und die meisten Inseln verfügen über Hospitäler.
Entwicklungsindizes über dem Durchschnitt
Kap Verde überzeugt zudem bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) mit Werten, die über dem afrikanischen Durchschnitt liegen. Diese 17 globalen Ziele, darunter Armutsbekämpfung, Bildung und Gesundheit, sollen bis 2030 weltweit erreicht werden.
Vergleiche mit afrikanischen Festlandstaaten sind allerdings nur bedingt sinnvoll. Do Rosário verweist auf die besondere Geschichte und Geographie Kap Verdes: "Unsere Inseln waren unbewohnt und wurden erst ab den 1460er Jahren durch europäische und afrikanische Einwanderer besiedelt. Das macht unsere Entwicklung einzigartig."
Der langjährige Kampf gegen Armut und Dürre habe den Überlebenswillen der Kapverdier geprägt und ihnen geholfen, selbst unter schwierigen Bedingungen Fortschritte zu erzielen.
Fortschritte im Bildungs- und Gesundheitsbereich
Auch António da Silva, ehemaliger Freiheitskämpfer und heute Exekutivsekretär der Kommission der Zivilgesellschaft, die die Unabhängigkeitsfeier organisiert, zieht eine positive Bilanz. Als junger Mann schloss er sich der Rebellenorganisation PAIGC an, die gegen die portugiesische Kolonialherrschaft kämpfte.
"1975 herrschte große Armut, die heute kaum noch vorstellbar ist", berichtet da Silva. Den größten Fortschritt sieht er im Bildungswesen: Damals gab es kaum weiterführende Schulen, und nur wenige konnten sich einen Umzug in die Hauptstadt leisten. Heute ist Bildung breit zugänglich und gilt als Schlüssel zum sozialen Aufstieg.
Auch im Gesundheitsbereich haben sich die Lebensbedingungen deutlich verbessert. Die Kindersterblichkeit liegt mit 38 von 1.000 Neugeborenen vergleichsweise niedrig - ein Wert, der in vielen westafrikanischen Ländern weit höher ist. Dies entspricht einem Platz 90 unter 195 Staaten. Im Vergleich dazu liegt die Kindersterblichkeit in einigen anderen westafrikanischen Ländern deutlich höher, wie beispielsweise in Sierra Leone (284 von 1000) oder Niger (265 von 1000). Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt rund 74,7 Jahre und gehört damit zur höchsten auf dem Kontinent.
Der Freiheitskampf habe sich gelohnt, sagt da Silva: "Anfang der 70er Jahre glaubte kaum jemand an ein unabhängiges Kap Verde. Doch heute sind alle Erwartungen übertroffen."
Mit Sozialpolitik gegen extreme Armut
Trotz der Fortschritte leben etwa 2,3 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut, das sind rund 11.700 Menschen. Die Regierung will mit gezielter Sozialpolitik besonders benachteiligte Gruppen unterstützen. So wurde 2023 der Fonds "Mais" ins Leben gerufen, der durch eine Tourismusabgabe finanziert wird und jährlich Millionen Euro für Sozialprogramme bereitstellt.
Ein weiteres drängendes Thema ist die Migration. Zwischen 2009 und 2021 verließen etwa 34.000 junge Kapverdier ihre Heimat - rund sechs Prozent der Bevölkerung. Trotz einer Anhebung des Mindestlohns von 100 auf 154 Euro suchen viele bessere Perspektiven im Ausland. Trotzdem lag die Jugendarbeitslosigkeit des Inselstaats im Jahr 2023 bei etwa 23,9 Prozent.
"Migration gehört zu unserer Kultur", erklärt Gualberto do Rosário. "Fast jeder Kapverdier hat Verwandte im Ausland. Das Weggehen und Zurückkehren sind tief verwurzelt." Dennoch bedauert er den Verlust vieler junger, gut ausgebildeter Menschen. Gleichzeitig bleiben viele Migranten ihrer Heimat verbunden und tragen mit Überweisungen maßgeblich zur Entwicklung bei.
Mit mehr als 550.000 Einwohnern auf neun bewohnten Inseln und einer Diaspora von circa zwei Millionen zählt Kap Verde heute zu den stabilsten und entwickeltesten Ländern Afrikas. "Alle Kapverdier - ob im Ausland oder auf den Inseln - sind Teil dieser großartigen Nation, die seit einem halben Jahrhundert unabhängig ist", fasst der Ex-Regierungschef zusammen.