Entmilitarisierte Zone in der Ukraine: Chance oder Illusion?
10. Mai 2025Die USA schlagen vor, eine entmilitarisierte Zone in der Ukraine zu schaffen, die sowohl von der Ukraine als auch von Russland kontrolliert wird. Es handelt sich um eine Zone, die jeweils 15 Kilometer von der derzeitigen Front auf beiden Seiten zwischen den ukrainischen Streitkräften und den russischen Truppen liegt. Diese Idee wurde vom Sonderbeauftragten des US-Präsidenten für die Ukraine, Ex-General Keith Kellogg, in einem Interview mit Fox News geäußert. "Das heißt, es wird eine klar kontrollierte 30-Kilometer-Zone geschaffen. Mögliche Verstöße werden registriert", sagte der US-Sondergesandte und fügte hinzu, die Kontrolle über den Sicherheitsstreifen könnte von einer "Koalition der Willigen" übernommen werden. Die Ukraine scheine zu einer vorübergehenden entmilitarisierten Zone bereit zu sein.
Der US-General meinte weiter, die Ukraine könne im Laufe der Zeit die Kontrolle über verlorene Gebiete zurückgewinnen, so wie es früher bei Deutschland der Fall gewesen sei, das nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei Staaten geteilt und 1990 wiedervereinigt wurde. Oder wie bei den baltischen Staaten, die Teile der UdSSR wurden, was vom Westen nicht anerkannt wurde. "Das Gebiet, das Sie jetzt kontrollieren und um das Sie gekämpft haben, gehört Ihnen, und was in fünf oder zehn Jahren geschieht, ist eine andere Frage. Und das bedeutet ein Einfrieren der Kämpfe in den derzeitigen Positionen. Und genau das sind die Ukrainer bereit zu tun", sagte Kellogg.
Würden die Ukrainer den Krieg einfrieren?
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels hat sich das offizielle Kyjiw noch nicht zu dieser Frage geäußert. Taras Schamajda, Leiter der Bewegung "Space of Freedom", forderte vom ukrainischen Außenministerium eine offizielle Klärung, ob die Ukraine wirklich bereit sei, ihre Truppen um 15 Kilometer zurückzuziehen, und welche Gebiete entmilitarisiert werden sollten.
"Nach welchen Gesetzen würde dieses Gebiet regiert werden? Welche Art von Behörden sollte es dort geben? Wie würde die Mission der ausländischen Truppen in dieser Zone aussehen? Würden dort Truppen von neutralen oder auch von Staaten stationiert, die auf Russlands Seite stehen? Was würden diese Truppen tun, wenn die Russen plötzlich diesen 30-Kilometer-Sicherheitsstreifen ganz oder teilweise einnehmen wollen?", schrieb der Aktivist auf seiner Facebook-Seite. Auf diese Fragen gibt es bislang keine Antworten.
Werden die USA Druck auf Russland machen?
Der geschäftsführende Leiter der ukrainischen Ilko-Kutscheriw-Stiftung "Demokratische Initiativen", Petro Burkowskyj, hält den Vorschlag der Vereinigten Staaten für sinnvoll. Die Ukraine könne dem zustimmen. Als positives historisches Beispiel für eine entmilitarisierte Zone führt er die Erfahrungen mit den Abkommen von Camp David zwischen Ägypten und Israel im Jahr 1979 an. Damals traten die USA als Vermittler auf, es wurde eine entmilitarisierte Zone unter der Kontrolle amerikanischer Beobachter eingerichtet und die Truppen nach einem Waffenstillstand getrennt.
Burkowskyj meint, ein Truppenabzug und ein vorübergehender Waffenstillstand könnten der erste greifbare Schritt zur Beendigung des Krieges sein. Ein 30-tägiger Waffenstillstand und die Einrichtung einer entmilitarisierten 30-Kilometer-Zone könne theoretisch möglich sein, sagt er. Aber die wichtigste Voraussetzung sei die Zustimmung Russlands, das bisher keine solche Bereitschaft gezeigt habe. Putins Sprecher Dmitri Peskow hatte im Kreml darauf verwiesen, "noch keine Äußerungen von Kyjiw über seinen Wunsch nach einer entmilitarisierten Zone" gehört zu haben.
Oleksandr Chara, geschäftsführender Direktor des in Kyjiw ansässigen Zentrums für Verteidigungsstrategien, sagte, der US-Vorschlag für eine entmilitarisierte 30-Kilometer-Zone bleibe nur eine "Idee auf dem Papier". "Russland hat die Ressourcen und es hat ein Ziel. Sie werden nicht aufhören, bis wir kapitulieren. Sie können diplomatische Strategien miteinander kombinieren, während die Amerikaner weiter Druck auf uns ausüben. Derweil wird die europäische Koalition, die uns unterstützt, zerschlagen. Und gleichzeitig töten sie uns weiter", so Chara.
Truppenabzug: Das gab es schon mal
Wladyslaw Selesnjow ist Militärjournalist und ehemaliger Leiter des Pressedienstes des Generalstabs der ukrainischen Armee. Er bezeichnet das vorgeschlagene Format zur Beendigung des Krieges als nicht effektiv. Dies habe die Ukraine mit dem Truppenrückzug von der Frontlinie von 2014 bis 2022 im Donbass bereits "durchlebt". Damals habe es mehr als 20 Waffenstillstandsvereinbarungen gegeben, die sich jedoch alle als unwirksam erwiesen hätten, sagt Selesnjow. "Selbst die OSZE-Beobachtungsgruppe war nicht in der Lage, eine dauerhafte und sichere Trennungslinie entlang der Front zu gewährleisten. Darauf zu hoffen, dass es dieses Mal klappt, dürfte sinnlos sein."
Etwas zuversichtlicher äußert sich der Leiter des Ukrainischen Zentrums für Sicherheit und Zusammenarbeit, Serhij Kusan, in einem DW-Kommentar. Die Idee der Truppentrennung und der Schaffung einer entmilitarisierten Zone sei realistisch, aber eine effektive Kontrolle des Sicherheitsstreifens sei entscheidend. Es sei unwahrscheinlich, dass die europäischen Länder der "Koalition der Willigen" der Entsendung ihrer Truppen in die Zone zustimmen würden, da die Gefahr einer Eskalation und möglicher Verluste unter den Friedenstruppen bestehe, fügt er hinzu.
Experten sind sich einig, dass der US-Vorschlag sorgfältig ausgearbeitet werden muss und nur dann realisierbar ist, wenn es für Russland wirtschaftlich unmöglich ist, den Angriffskrieg fortzusetzen. Und dafür, so glauben sie, sind Sanktionen und Druck auf Moskau erforderlich.
Adaption aus dem Russischen: Darius Cierpialkowski