Eliten in der Wirtschaft: Herkunft schlägt Leistung
10. Juli 2025Populisten wie Donald Trump versprechen immer wieder, die Bevölkerung vor den Eliten zu schützen. Aber gibt es sie tatsächlich? Diese Eliten, die die Fäden in der Hand halten? Und welche Faktoren entscheiden darüber, wer in den Führungsetagen der Unternehmen das Sagen hat - die Leistung vielleicht oder sind doch andere Faktoren relevant, wie die soziale Herkunft?
Der Soziologe Michael Hartmann hat sich die letzten 150 Jahre in Deutschland angeschaut und unter anderem untersucht, wer auf den Chefsesseln der Unternehmen sitzt.
Das Ergebnis habe ihn selbst überrascht, sagt der emeritierte Professor der Technischen Universität Darmstadt. "Bis heute rekrutiert sich die Wirtschaftselite zu über vier Fünfteln aus den oberen drei bis vier Prozent der Bevölkerung."
Zwar habe es zwischen 1907 und 1927 einen leichten Wandel gegeben, meint Hartmann. Es hätten also aus den unteren 96 Prozent der Bevölkerung etwas mehr Menschen den sozialen Aufstieg geschafft, "in den knapp 100 folgenden Jahren aber stieg der Anteil der sozialen Aufsteiger dann gerade noch um knapp zweieinhalb Prozentpunkte."
Frauenquote: Mehr Frauen, aber die "richtigen"
Dabei gibt es seit Jahren Diversity-Programme in Unternehmen, die die Vielfalt fördern sollen. Zwei Drittel der Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten haben Diversitätsziele verankert, ein knappes weiteres Drittel diskutiert oder plant es konkret, so eine Umfrage, die Bitkom in diesem Jahr gemacht hat.
Wenn es um die einflussreichen Führungspositionen in den Unternehmen geht, bleibt die Elite aber weiterhin gerne unter sich. Allerdings seien in den letzten Jahren mehr Frauen in die Chefetagen vorgedrungen, so Hartmann. Das sei vor allem der Frauenquote zu verdanken.
Die Allbright Stiftung kritisiert allerdings, dass das Verhältnis von Frauen zu Männern immer noch nicht ausgewogen sei. "Insbesondere die Personalauswahl für die obersten Managementebenen, bei der Aufsichtsratsvorsitz und Vorstandsvorsitz die zentrale Rolle spielen, liegt fast ausschließlich in männlicher Hand. Generell gilt: Je höher die Position, desto weniger Frauen sind vertreten."
Vor allem seien Frauen, die solche Positionen erklimmen, sozial noch exklusiver als die Männer, sagt Hartmann gegenüber der DW. Ähnlich sehe das bei Personen mit Migrationshintergrund aus. "Meine Annahme ist, dass wenn man schon ein 'Handicap' hat, wie etwa Geschlecht oder Migrationshintergrund, dann muss die soziale Herkunft umso mehr stimmen", meint Hartmann. "Ein zweites 'Handicap' kann man sich nicht erlauben."
Soziale Herkunft wichtiger als Leistung?
Das für Top-Positionen gerne Bewerber aus "dem richtigen Stall" genommen werden, bedeutet dabei nicht, dass diese weniger Leistung vorweisen müssen. Aber bei der Bildung fängt die Diskriminierung bereits an. Akademikerkinder haben es deutlich leichter und werden mehr gefördert als Arbeiterkinder. So fangen Kinder aus Akademikerfamilien zu etwa 80 Prozent ein Studium an, bei Kindern von Nicht-Akademikern sind es nur rund ein Viertel, wie eine Studie der Personalberatung PageGroup ergab. Ohne Studium aber sei es aber kaum möglich, die Top-Positionen der Wirtschaft zu erklimmen, so Hartmann.
Haben die Sprösslinge der Elite dann dieselbe schulische Leistung erbracht, ist ihr beruflicher Karriereweg schneller und einfacher. Hartmann hat verschiedene Jahrgänge von Menschen mit Promotion analysiert. Sein Ergebnis: Managerkinder mit Promotion hätten eine 17mal höhere Chance gehabt, in den Vorstand eines der 400 größten Unternehmen zu gelangen, als Arbeiterkinder mit einer gleichwertigen Promotion.
Am Ende entscheiden also andere Kriterien, wenn es um die höchsten Positionen in der Wirtschaft geht. Wie jemand spricht, wie er auftritt oder welche Hobbies er hat, kann dann ausschlaggebend sein. "Man umgibt sich gerne mit Leuten, mit denen man ähnliche Interessen hat, die ähnlich ticken, die so reden wie man selbst...", sagt Hartmann. Das tun auch die Unternehmenslenker, die über ihresgleichen entscheiden.
Arbeiterkinder verdrängen Mittelschicht
Etwas positiv haben sich in den letzten Jahrzehnten aber die Chancen der Arbeiterkinder entwickelt, wie Hartmann beobachten konnte. Ihr Anteil sei von sehr niedrigem Niveau spürbar gestiegen, so der Soziologe. Allerdings auf Kosten der Kinder der Mittelschichten.
"Also ganz platt gesagt: Ein Arbeiterkind, das hohe Bildungstitel erreicht hat und damit auch für Spitzenpositionen in der Wirtschaft in Frage kam, hat beispielsweise ein Lehrerkind verdrängt". Alles in allem ist der Anteil der Kinder von Eliten in den Führungspositionen gleich geblieben.
Soziale Undurchlässigkeit hat Folgen
Für das Wirtschaftswachstum hat es Folgen, wenn die soziale Herkunft die berufliche Karriere bestimmt. Ein Mangel an sozialer Mobilität der deutschen Wirtschaft führt zu einem jährlichen Verlust von etwa 25 Milliarden Euro an BIP-Wachstum, heißt es bei der Personalberatung PageGroup.
In den EU27-Ländern könnte das BIP um neun Prozent beziehungsweise 1,3 Billionen Euro steigen, wenn die soziale Mobilität verbessert werde, das ergab eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey.
Mittel, um soziale Mobilität zu fördern: Quoten
Dabei gibt es immer wieder auch Erfolgsgeschichten von sozialem Aufstieg aus den Unternehmensspitzen. Gerne in den Medien erwähnt wird in diesem Zusammenhang beispielsweise der ehemalige Siemens-Chef Joe Kaeser, Kind eines Fabrikarbeiters. Solche Ausnahmen gebe es immer wieder, sagt Hartmann. "Die werden medial so häufig präsentiert, dass man glaubt, das sind viele."
Aber wie kann es gelingen, dass solche Ausnahmen zur Regel werden? Hartmann glaubt, dass sei nur über eine gesetzliche Quote möglich. Solche Quoten seien zwar sehr unbeliebt, "aber nach meiner Erfahrung wird es nicht anders funktionieren", so der Soziologe.