"Ein Problem rein politischer Natur"
23. November 2004Baku, 19.11.2004, AZADLIQ, aserb., S. 12
Am 15. November ist die Herausgabe der Tageszeitung Yeni Musavat gestoppt worden. Bisher hat sie nicht wieder erscheinen können. Die Unterbrechung sei nur vorübergehend und das Problem werde mit Hilfe von Freunden und Lesern gelöst werden, sagte der stellvertretende Chefredakteur [von Yeni Musavat] Qabil Abbasoglu. Wie lange diese Unterbrechung dauern werde, sei aber unklar.
Yeni Musavat muss derzeit eine Strafe in Höhe von 12 000 Dollar zahlen. Um dieses Urteil zu vollziehen, wurde die finanzmittel der Zeitung in den Vertriebsgesellschaften eingefroren.
(Abbasoglu) Ich habe Mats Lindberg, den Leiter des Büros des Europarats in Baku, getroffen. Ich habe ihn darüber informiert und mir seine Meinung angehört. Die Ago-Gruppe [des Ministerkomitees im Rahmen der Kontrolle der von Armenien als Mitgliedsstaat des Europarats übernommenen Verpflichtungen] wird heute [18.11.] in Aserbaidschan eintreffen und Lindberg versprach, bei einem Treffen mit der Gruppe dieses Thema anzusprechen.
Bei all meinen Begegnungen wies ich darauf hin, dass das Problem, mit dem die Zeitung konfrontiert ist, rein politischer Natur ist. Das heiß, die Finanzkrise war nicht der Grund sondern die Folge. Der Grund sind die rechtswidrigen Gerichtsverfahren gegen die Zeitung und die Vollstreckung dieser Urteile hindert uns daran, unser Geld zur Finanzierung unserer täglichen Arbeit zu nutzen.
(Korrespondent) Welche Art von Hilfe erwarten Sie von internationalen Organisationen?
(Abbasoglu) Wir erwarten, dass einige von ihnen die Regierung auffordern, ihren Kampf gegen uns zu beenden. Von anderen erwarten wir, uns auf irgendeine Weise zu helfen, die Probleme zu lösen. Es gibt aber immer noch kein Ergebnis. Ich bin mir sicher, dass das Einfrieren der Mittel der Zeitung in den Vertrieben einer möglichen Hilfe im Wege steht. Man meint, jede Hilfe, die man uns gibt, könnte zur Vollstreckung des Urteils führen.
(Korrespondent) Ist in dieser Zeit von irgendjemandem finanzielle Hilfe gekommen?
(Abbasoglu) Nein.
(Korrespondent) Wer könnte Ihrer Ansicht nach das Problem lösen?
(Abbasoglu) Die aserbaidschanische Regierung und ihr Chef, [Präsident] Ilham Alijew. Ich bin mir sicher, dass er die Entwicklung beobachtet. Als der Chefredakteur Rauf Arifoglu im Jahre 2003 verhaftet wurde sagte er, dies sei Teil des Plans, Yeni Musavat zu liquidieren. Dieser Plan wird weiter vorangetrieben, und Sie sehen die Ergebnisse. Wir versuchen jetzt, das zu verhindern. Die Zeit wird zeigen, in wieweit uns das gelingen wird. Die lange Haft Rauf Arifoglus hat die Erschöpfung der Ressourcen der Zeitung zur Folge. Man hat uns daran gehindert, sein Wissen zu nutzen, um die Zeitungskrise zu überwinden.
(Korrespondent) Wann wird Yeni Musavat wieder erscheinen?
(Abbasoglu) Wir möchten die Probleme zumindest zum Teil lösen und dann mit der Herausgabe der Zeitung beginnen.
(Korrespondent) Können Sie sich etwas genauer ausdrücken?
(Abbasoglu) Nein. Es ist schwierig, zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwas dazu zu sagen. Es ist nur eine Pause. Wir wissen aber nicht genau, wie lange sie dauern wird. Denn wir sind einem zu starken Druck ausgesetzt und das Kräfteverhältnis ist ungleich.
(Korrespondent) In wieweit hängt die Lösung des Problems von der Druckerei ab?
(Abbasoglu) Von der Druckerei hängt es nicht ab. Dort wird die Zeitung gedruckt und wir haben an sie unsere Schulden zurückzuzahlen. Der politische Druck hindert uns aber daran, unsere Mittel dorthin zu kanalisieren, wo wir es wollen und sie zu nutzen.
(Korrespondent) Wie viel Geld ist erforderlich, um die Arbeit wieder aufzunehmen?
(Abbasoglu) Eine genaue Summe möchte ich nicht nennen. Für die einen könnte es zu wenig sein, für die anderen zu viel. Yeni Musavat braucht aber Hilfe.
(Korrespondent) Könnte die Zeitung durch die Unterbrechung Leser verlieren?
(Abbasoglu) Das war nicht beabsichtigt. Es ist einfach eine Situation, mit der wir konfrontiert worden sind. Dennoch bin ich sicher, dass Freunde der Demokratie und der Presse uns dabei helfen werden, das Problem zu lösen.
Ich rufe die aserbaidschanische Regierung noch einmal auf, sich verantwortungsbewusst zu verhalten. Sie sollte darüber nachdenken, was es bedeutet, eine einzige Zeitung bei ungleichen Voraussetzungen zu bekämpfen und was das für die aserbaidschanische Öffentlichkeit bedeuten kann. Ich rufe unsere Freunde, die Nichtregierungsorganisationen, die Medien, die Büros internationaler Organisationen in Aserbaidschan und die Botschaften mit Nachdruck dazu auf, den Mord an der Demokratie und der Presse in Aserbaidschan nicht schweigend nur zu beobachten. Es stimmt, einige Organisationen sind in dieser Angelegenheit aktiv und tun ihr bestes. Es ist aber nicht so, wie es sein sollte. Die Einstellung der Zeitung Yeni Musavat ist der Beginn des Mordes an der Presse. Daher sollten die uns wohlgesonnenen Zeitungen und diejenigen, die sich für unsere Verbündeten halten ihre Meinung zum Ausdruck bringe.
(Korrespondent) Ist es angesichts der Schulden von Yeni Musavat möglich, dass sie unter einem anderen Namen erscheint?
(Abbasoglu) Wir versuchen, die Zeitung Yeni Musavat am Leben zu halten und ich glaube, dass uns das gelingen wird. (TS)