Ein Aufruf zur Versöhnung - Der Papst in Banja Luka
23. Juni 2003Köln, 22.6.2003, DW-radio / Bosnisch, Fabian Schmidt
Papst Johannes Paul II. besuchte am Sonntag (22.6.) nach sechs Jahren zum zweiten Mal Bosnien und Herzegowina. Erstmalig war er allerdings in der mehrheitlich christlich-orthodox geprägten Republika Srpska. Aus deren Hauptstadt Banja Luka und ihrer Umgebung wurden während des Krieges nach Schätzungen des Vatikan etwa 70.000 katholische Kroaten vertrieben. Von diesen sind bisher nur etwa 2.000 zurückgekehrt. Vor diesem Hintergrund hatte der Besuch des Papstes einen hohen symbolischen Stellenwert. Sein Aufruf zu Versöhnung richtete sich an alle Bürger des Landes. Ausdrücklich betonte das katholische Kirchenoberhaupt, dass sich auch "Kinder der katholischen Kirche" in Bosnien-Herzegowina schuldig gemacht haben.
Papst Johannes Paul II. erwarteten am Flughafen von Banja Luka die höchsten politischen Repräsentanten von Bosnien und Herzegowina, der Entitäten, der Bürgermeister von Banja Luka und der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina, Paddy Ashdown, sowie hohe Würdenträger der katholischen Kirche. Der Vorsitzende der kollektiven Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina, Borislav Paravac, begrüßte den Besucher:
"Erlauben Sie mir, dass ich Sie mit besonderer Hochachtung und Ehrerbietung herzlich begrüße, im Namen der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina und aller anderen Staatsinstitutionen. Ich heiße Sie herzlich willkommen in Bosnien und Herzegowina, der Republika Srpska und Banja Luka. Ich begrüße auch alle Vertreter des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaates, alle Würdenträger und alle Menschen, die im Namen Gottes in einer Mission des Friedens und der Freundschaft gekommen sind. Es scheint mir, dass es wichtig ist, hinzuzufügen, dass Sie auch heute bei Ihrem zweiten Besuch in Bosnien und Herzegowina zum ersten Mal die Republika Srpska und Banja Luka erwartet. Die Stadt bekräftigt damit ihren Wunsch nach interreligiöser und zwischennationaler Toleranz aller Völker, die hier leben, auf dem Weg des Friedens, der Stärkung der Aussöhnung und der Stabilität."
In seiner Begrüßungsrede wandte sich der Papst an Vertreter alle Religionen in der vom Krieg geschüttelten Stadt, die vor zehn Jahren ethnische Vertreibungen und Verfolgungen erlebt hatte:
"Ich begrüße meinen teuren Bruder, den Bischof von Banja Luka Franjo Komarica und die anderen Mitglieder der hiesigen Bischofskonferenz und alle Gläubigen der katholischen Kirche. Ich begrüße auch die Brüder und Schwestern der serbischen orthodoxen Kirche und der anderen kirchlichen Gemeinden sowie die Gläubigen des Judentums und des Islam."
Zudem sandte er einen besonderen Glückwunsch an den Patriarchen der serbischen orthodoxen Kirche, Pavle, der jedoch nicht am Besuchsprogramm in Banja Luka teilnahm. Anstelle dessen hatte der Papst nur ein Treffen mit dem orthodoxen Bischof von Banja Luka Jefrem anberaumt, den der bosnische Metropolit Nikolai im Namen des interreligiösen Rates von Bosnien und Herzegowina delegiert hatte.
Der Papst ermutigte die Bevölkerung von Banja Luka und rief sie auf, die inter-ethnische Versöhnung aktiv voranzutreiben:
"Ich kenne Ihre lange Heimsuchung, was Sie durchlebt haben, ich weiß von der Tiefe Ihres Leidens, das noch heute jeden Tag Ihr Leben begleitet. Und ich weiß auch von der Versuchung, die auf Sie lauert, damit Sie Ihren Mut verlieren und sich dem Schicksal ergeben [...] Ergeben Sie sich nicht dem Schicksal. In Wahrheit ist es nicht leicht, neu zu beginnen. Das verlangt Opfer und Beständigkeit, und es verlangt auch Geschick beim Säen und Geduld beim Warten. Aber Sie wissen, dass ein Neuanfang dennoch möglich ist. Und Sie bedienen sich dazu Gottes Hilfe sowie des menschlichen Unternehmergeistes."
Der Papst ermahnte aber auch die Politiker des Landes, nicht in eine Rhetorik des ethnischen Hasses zurückzufallen:
"Eine große Verantwortung liegt dabei auf denen, die durch den Willen der Wähler die demokratische Regierung ausüben. Sie sollen wegen jetziger Schwierigkeiten nicht davor zurückschrecken, diese überaus wichtigen Dinge zu tun und sie dürfen es nicht erlauben, dass die Interessen der einen oder anderen Seite vorrangig behandelt werden."
Die Zukunft Bosniens sieht der Papst in einem geeinten Europa, dem er wünscht,
"dass Bosnien und Herzegowina auf seine Bemühungen, ein Teil des vereinigten Europa zu werden, eine positive Antwort erhalte, im Sinne des Fortschritts, der Freiheit und des Friedens."
Auf einer Eucharistiefeier im Stadtteil Petricevac sprach der Papst den Banja Lukaer Bürger Ivan Merc selig.
Ivan Merc war der erste bosnische katholische Laie, der in der Geschichte der katholischen Kirche selig gesprochen wurde. An der Messe nahmen etwa 50.000 Menschen aus Bosnien-Herzegowina und dem Ausland teil. Zu befürchteten Unruhen oder Protesten kam es nicht. 4000 Polizisten der Republika Srpska schützten den Besuch mit logistischer Unterstützung der EU-Polizei. (fp)