Droht den Vojvodina-Ungarn Assimilation oder Aussterben?
10. Februar 2004Bonn, 10.2.2004, DW-RADIO/Serbisch, Dinko Gruhonjic
Der Vorsitzende der Demokratischen Partei der Vojvodina-Ungarn Andras Agoston hat Dragan Marsicanin zur Wahl zum Präsidenten des serbischen Parlaments gratuliert. Dabei warnte er davor, dass die Frage der Ungarn in der Vojvodina "offen und ungelöst" sei. Daher bestehe die Gefahr, dass in der Vojvodina in absehbarer Zeit keine Ungarn mehr lebten.
In einem offenen Brief an Marsicanin erinnerte Agoston daran, dass wegen eines diskriminierenden Wahlgesetzes die Ungarn im Parlament Serbiens keinen politischen Vertreter hätten. Ihm zufolge besteht die einzig dauerhafte Lösung darin, dass die Ungarn in der Vojvodina eine weitgehende Autonomie erhalten, ohne damit eine territoriale Abgrenzung auf ethnischer Grundlage anzustreben.
Der Vorsitzende der Demokratischen Gemeinschaft der Vojvodina-Ungarn Sandor Pal erklärte gegenüber DW-RADIO, die Frage nach politischen Vertretern der Ungarn müsse auf allen Regierungsebenen gelöst werden und nicht nur auf der serbischen Parlamentsebene. Ihm zufolge kann Serbien nicht verlangen, dass die Rechte der Serben in den Nachbarländern geachtet werden und gleichzeitig die Rechte der nationalen Minderheiten in Serbien nicht achten: "Demnach müssen wir dies klären, und zwar nicht von Fall zu Fall und auch nicht von Regierungsebene zu Regierungsebene. Dies muss vielmehr auf allen Regierungsebenen ordentlich gelöst werden. Ich glaube, jetzt ist der richtige Augenblick dafür, weil auch Serbien mit diesem Problem konfrontiert ist. Beziehungsweise Serbien seinen Minderheiten nicht das bietet, was es für Serben in anderen Staaten fordert". Nach seiner Einschätzung drohe den Ungarn nicht, dass sie bald in der Vojvodina aussterben, aber "es droht ihnen, dass sich der Grad der Assimilation erhöht und dass sie andere Wege einschlagen. Ich glaube trotzdem an eine Lösung, um so mehr, da ich meine, dass es in Serbien auch die Bereitschaft dazu gibt. Natürlich werden wir auch den Druck der internationalen Öffentlichkeit brauchen...".
Dass die Ungarn nicht aussterben, sondern auf längere Sicht assimiliert werden, glaubt auch der Vorsitzende des Bundes der Vojvodina-Ungarn Jozsef Kasza. Er verwarf die These Agostons, dass eine weitgehende Autonomie die Probleme der Ungarn löse. Denn diese sei bereits in der Praxis gegeben dank der Räte der nationalen Minderheiten, die gemäß dem Bundesgesetz über nationale Minderheiten eingerichtet wurden. Kasza warnte eher vor den sich in den vergangenen Monaten häufenden chauvinistischen und nationalen Übergriffen in der Vojvodina und erinnerte daran, dass im vergangenen Jahrzehnt wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten vornehmlich jedoch aus politischem Druck etwa 50 000 Ungarn die Vojvodina verlassen hätten.
Die Bürger ungarischer Nationalität haben es demnach nicht leicht. Dies liegt aber auch daran, dass die politische Elite der Vojvodina-Ungarn uneins ist. Ironisch könnte man anmerken, dass es einfacher vorzustellen ist, dass sich in Belgrad die Demokratische Partei und die Demokratische Partei Serbiens aussöhnen, als dass Andras Agoston, Sandor Pal und Jozsef Kasza sich an einen Verhandlungstisch setzen. Die Position der Ungarn wird zusätzlich durch einen negativen demographischen Indikator erschwert, aber auch von Ungarn selbst, das beharrlich den Vojvodina-Ungarn die doppelte Staatsbürgerschaft verweigert. Oder wie Agoston sagte, "manchmal habe ich den Eindruck, dass sogar Ungarn die Vojvodina-Ungarn lediglich als Reserve-Arbeitskraft für Tätigkeiten betrachtet, die erledigt werden müssen, um die Voraussetzungen für eine dauerhafte Entwicklung des Landes zu schaffen". (md)