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KonflikteIsrael

Drei israelische Geiseln in schlechtem Zustand freigelassen

8. Februar 2025

Die Hamas zwingt die ausgemergelten Männer vor einer Menge Schaulustiger zu einem Propagandaauftritt - mit erhobenen Maschinenpistolen. Israels politische Führung zeigt sich angesichts der Bilder empört.

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Gaza Nahostkonflikt | Eine der Geiseln steht in einem hellbraunen Overall zwischen vollständig vermummten Männern mit Maschinenpistolen
Propaganda mit Waffengewalt: Bewaffnete Hamas-Mitglieder zwingen den von der Geiselhaft gezeichneten Eli Scharabi, bei einer sorgfältig choreografierten Inszenierung mitzuspielenBild: Abdel Kareem Hana/AP/picture alliance

Die militant-islamistische Hamas hat im Rahmen des Waffenruhe-Abkommens mit Israel drei weitere Geiseln freigelassen. Der Deutsch-Israeli Ohad Ben Ami sowie Or Levy und Eli Scharabi wurden in der Stadt Deir el-Balah von vermummten Hamas-Kämpfern dem Roten Kreuz übergeben.

Gaza Nahostkonflikt | Drei ausgemergelte Geiseln stehen neben vermummten Männern mit erhobenen Maschinenpistolen auf einer Bühne
Verherrlichung des Terrors: Auf einer Bühne müssen sich die Geiseln vor ihrer Freilassung den Kameras und Schaulustigen präsentieren - hinter ihnen ein Transparent mit Symbolen und Aufschriften, die Taten der Hamas preisenBild: Abdel Kareem Hana/AP/picture alliance

Kurz davor hatten Hunderte Schaulustige verfolgt, wie vermummte und meist mit Maschinenpistolen bewaffnete Hamas-Mitglieder die blassen, abgezehrten Männer dazu zwangen, sich auf einer Bühne vor Propaganda-Bildern aufzustellen und in einem choreografierten Auftritt für die angebliche "Fürsorge" während ihrer Geiselhaft zu danken.

Netanjahu: "Schockierende Szenen"

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kritisierte den erkennbar schlechten Gesundheitszustand der Freigelassenen. "Wir werden die schockierenden Szenen, die wir heute gesehen haben, nicht beschönigen", erklärte der Regierungschef.

Israels Regierungschef Netanjahu
"Schockierende Szenen": Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu (Archivbild)Bild: picture alliance/dpa/AP

Präsident Isaac Herzog sprach im Onlinedienst X von einem "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Die ganze Welt habe mit ansehen müssen, wie die Männer, die "nach 491 Tagen in der Hölle" abgemagert und unter Schmerzen zurückgekehrt seien, bei einem "zynischen und grausamen Spektakel" hätten mitwirken müssen, schrieb das Staatsoberhaupt.

Gemeinsam entführt - getrennt freigelassen

Der 56-jährige Ben Ami war am 7. Oktober gemeinsam mit seiner Frau Raz aus beider Zuhause im Kibbuz Beeri entführt worden. Raz Ben Ami war bereits während der Waffenruhe im November 2023 freigelassen worden und nach Israel zurückgekehrt. Zwei ihrer Töchter, die in den Kibbuzen Beeri und Nahal Oz leben, hatten den Angriff der Hamas überlebt, ohne entführt zu werden.

Israel Nahostkonflikt | Menschen in einem Raum blicken an der Kamera vorbei offensichtlich auf einen Bildschirm, einige halten die Hände vors Gesicht, andere lächeln
Freude und Entsetzen: Angehörige der Geiseln verfolgen Live-Bilder von deren Übergabe durch Hamas-TerroristenBild: Amir Levy/Getty Images

Der 34-jährige Levy besuchte zum Zeitpunkt des Überfalls vor 16 Monaten mit seiner Frau das Nova-Musikfestival nahe der Grenze zum Gazastreifen. Beide flohen vor den Terroristen in einen Schutzraum. Levys Frau wurde dort getötet, er selbst verschleppt. Der 52-jährige Scharabi verlor während des Angriffs seine Frau und beide Töchter, die von der Hamas getötet wurden. Die Leiche seines Bruders halten die Islamisten im Gazastreifen fest.

Nach offiziellen Angaben befinden sich Ben Ami, Levy und Scharabi inzwischen in Israel. Sie konnten nach einer ersten medizinischen Untersuchung Familienmitglieder treffen. Anschließend sollten sie in Kliniken im Zentrum des Landes gebracht werden.

Busse mit Häftlingen treffen im Westjordanland ein

Es ist die fünfte Geiselfreilassung seit dem Inkrafttreten der Waffenruhe am 19. Januar. Im Gegenzug kamen 183 Häftlinge aus israelischen Gefängnissen frei. Sie seien ins besetzte Westjordanland, nach Ostjerusalem und in den Gazastreifen gebracht worden, teilten die israelischen Behörden mit. Einige von ihnen saßen wegen der Beteiligung an Angriffen ein, bei denen zahlreiche Menschen getötet wurden; 18 hätten eine lebenslange Haftstrafe verbüßen müssen.

18 Geiseln waren bereits zuvor von der Hamas und verbündeten Gruppen freigelassen worden, Israel setzte dafür rund 600 palästinensische Häftlinge auf freien Fuß. Das Waffenruheabkommen sieht in seiner ersten Phase die Freilassung von insgesamt 33 Geiseln vor. Im Austausch gegen sie sollen zusammengerechnet mehr als 1900 palästinensische Häftlinge das Gefängnis verlassen.

Gaza Nahostkonflikt: Zerstörte Häuser hinter Schutt auf dem Boden, rechts weht eine palästinensische Flagge
16 Monate nach dem Angriff der Hamas auf Israel sind weite Teile des Gazastreifens durch den Krieg zerstörtBild: Saeed Jaras/Middle East Images/AFP/Getty Images

Verhandlungen über Vermittlerstaaten

Die Waffenruhe war in zähen indirekten Gesprächen zwischen Israel und der Hamas unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens ausgehandelt worden. Es laufen Bemühungen um eine Einigung auf eine geplante zweite Phase, die zu einem Ende des Krieges und zur Freilassung der restlichen Geiseln führen könnte.

Im Rahmen der ersten Phase war vor einer Woche erstmals seit fast neun Monaten auch der ägyptische Grenzübergang zum Gazastreifen im südlichen Rafah geöffnet worden. Patienten wurden zur Behandlung nach Ägypten gebracht. Zudem konnten Hunderttausende Binnenflüchtlinge aus dem Süden des Palästinensergebiets in den Norden zurückkehren.

Irans Oberhaupt begrüßt Hamas-Abordnung in Teheran

Irans Oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei empfing unterdessen eine hochrangige Delegation der Hamas in Teheran. Die Islamische Republik unterstützt die Hamas politisch und militärisch. Chamenei ist Irans politisches sowie geistliches Oberhaupt und hat in allen strategischen Fragen das letzte Wort. Der Iran verfolgt seit der Islamischen Revolution von 1979 nach eigener Aussage das Ziel, Israel zu zerstören.

Iran Teheran 2025 | Ajatollah Chamenei sitzt hinter einem kleinen Beistelltisch, auf dem Mikrofone postiert sind, schräg gegenüber auf einer Bank sitzen drei Männer im Anzug, aber ohne Krawatte, einer hält die rechte Hand auf sein Herz
Besuch bei der Schutzmacht: Hochrangige Hamas-Führer werden von Irans Oberstem Geistlichen Führer Ali Chamenei (rechts) empfangenBild: Office of the Iranian Supreme Leader/AP Photo/picture alliance

Die Hamas hatte am 7. Oktober 2023 ein Massaker an israelischen Staatsbürgern verübt, dem nach Angaben des Militärs mehr als 1100 Menschen zum Opfer fielen. 251 Personen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt; 76 befinden sich immer noch dort. Allerdings sind mindestens 34 von ihnen nach Einschätzung der Armee bereits tot.

Beim israelischen Militäreinsatz, der auf den Großangriff der Hamas folgte, wurden nach deren Zahlen mehr als 47.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet. Die Hamas, die außer von Israel auch von den USA, der EU, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, unterscheidet dabei nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen.

jj/sti/AR (afp, dpa, rtr, epd)