Drei israelische Geiseln in schlechtem Zustand freigelassen
8. Februar 2025Die militant-islamistische Hamas hat im Rahmen des Waffenruhe-Abkommens mit Israel drei weitere Geiseln freigelassen. Der Deutsch-Israeli Ohad Ben Ami sowie Or Levy und Eli Scharabi wurden in der Stadt Deir el-Balah von vermummten Hamas-Kämpfern dem Roten Kreuz übergeben.
Kurz davor hatten Hunderte Schaulustige verfolgt, wie vermummte und meist mit Maschinenpistolen bewaffnete Hamas-Mitglieder die blassen, abgezehrten Männer dazu zwangen, sich auf einer Bühne vor Propaganda-Bildern aufzustellen und in einem choreografierten Auftritt für die angebliche "Fürsorge" während ihrer Geiselhaft zu danken.
Netanjahu: "Schockierende Szenen"
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kritisierte den erkennbar schlechten Gesundheitszustand der Freigelassenen. "Wir werden die schockierenden Szenen, die wir heute gesehen haben, nicht beschönigen", erklärte der Regierungschef.
Präsident Isaac Herzog sprach im Onlinedienst X von einem "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Die ganze Welt habe mit ansehen müssen, wie die Männer, die "nach 491 Tagen in der Hölle" abgemagert und unter Schmerzen zurückgekehrt seien, bei einem "zynischen und grausamen Spektakel" hätten mitwirken müssen, schrieb das Staatsoberhaupt.
Gemeinsam entführt - getrennt freigelassen
Der 56-jährige Ben Ami war am 7. Oktober gemeinsam mit seiner Frau Raz aus beider Zuhause im Kibbuz Beeri entführt worden. Raz Ben Ami war bereits während der Waffenruhe im November 2023 freigelassen worden und nach Israel zurückgekehrt. Zwei ihrer Töchter, die in den Kibbuzen Beeri und Nahal Oz leben, hatten den Angriff der Hamas überlebt, ohne entführt zu werden.
Der 34-jährige Levy besuchte zum Zeitpunkt des Überfalls vor 16 Monaten mit seiner Frau das Nova-Musikfestival nahe der Grenze zum Gazastreifen. Beide flohen vor den Terroristen in einen Schutzraum. Levys Frau wurde dort getötet, er selbst verschleppt. Der 52-jährige Scharabi verlor während des Angriffs seine Frau und beide Töchter, die von der Hamas getötet wurden. Die Leiche seines Bruders halten die Islamisten im Gazastreifen fest.
Nach offiziellen Angaben befinden sich Ben Ami, Levy und Scharabi inzwischen in Israel. Sie konnten nach einer ersten medizinischen Untersuchung Familienmitglieder treffen. Anschließend sollten sie in Kliniken im Zentrum des Landes gebracht werden.
Busse mit Häftlingen treffen im Westjordanland ein
Es ist die fünfte Geiselfreilassung seit dem Inkrafttreten der Waffenruhe am 19. Januar. Im Gegenzug kamen 183 Häftlinge aus israelischen Gefängnissen frei. Sie seien ins besetzte Westjordanland, nach Ostjerusalem und in den Gazastreifen gebracht worden, teilten die israelischen Behörden mit. Einige von ihnen saßen wegen der Beteiligung an Angriffen ein, bei denen zahlreiche Menschen getötet wurden; 18 hätten eine lebenslange Haftstrafe verbüßen müssen.
18 Geiseln waren bereits zuvor von der Hamas und verbündeten Gruppen freigelassen worden, Israel setzte dafür rund 600 palästinensische Häftlinge auf freien Fuß. Das Waffenruheabkommen sieht in seiner ersten Phase die Freilassung von insgesamt 33 Geiseln vor. Im Austausch gegen sie sollen zusammengerechnet mehr als 1900 palästinensische Häftlinge das Gefängnis verlassen.
Verhandlungen über Vermittlerstaaten
Die Waffenruhe war in zähen indirekten Gesprächen zwischen Israel und der Hamas unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens ausgehandelt worden. Es laufen Bemühungen um eine Einigung auf eine geplante zweite Phase, die zu einem Ende des Krieges und zur Freilassung der restlichen Geiseln führen könnte.
Im Rahmen der ersten Phase war vor einer Woche erstmals seit fast neun Monaten auch der ägyptische Grenzübergang zum Gazastreifen im südlichen Rafah geöffnet worden. Patienten wurden zur Behandlung nach Ägypten gebracht. Zudem konnten Hunderttausende Binnenflüchtlinge aus dem Süden des Palästinensergebiets in den Norden zurückkehren.
Irans Oberhaupt begrüßt Hamas-Abordnung in Teheran
Irans Oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei empfing unterdessen eine hochrangige Delegation der Hamas in Teheran. Die Islamische Republik unterstützt die Hamas politisch und militärisch. Chamenei ist Irans politisches sowie geistliches Oberhaupt und hat in allen strategischen Fragen das letzte Wort. Der Iran verfolgt seit der Islamischen Revolution von 1979 nach eigener Aussage das Ziel, Israel zu zerstören.
Die Hamas hatte am 7. Oktober 2023 ein Massaker an israelischen Staatsbürgern verübt, dem nach Angaben des Militärs mehr als 1100 Menschen zum Opfer fielen. 251 Personen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt; 76 befinden sich immer noch dort. Allerdings sind mindestens 34 von ihnen nach Einschätzung der Armee bereits tot.
Beim israelischen Militäreinsatz, der auf den Großangriff der Hamas folgte, wurden nach deren Zahlen mehr als 47.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet. Die Hamas, die außer von Israel auch von den USA, der EU, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, unterscheidet dabei nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen.
jj/sti/AR (afp, dpa, rtr, epd)