Donald Trump und die US-Zölle: Ist das legal?
7. März 2025Die Liste ist beeindruckend lang: Der Litigation Tracker, eine Webseite, die von einem Institut der juristischen Fakultät der New York University betrieben wird, führt fast 100 Fälle auf, in denen Bürger oder Institutionen gegen Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump vor Gericht ziehen.
Die Klagen beziehen sich auf die zahlreichen Dekrete, die Trump seit seinem erneuten Amtsantritt vor anderthalb Monaten erlassen hat. Es geht um die Auflösung von Behörden wie der Hilfsorganisation USAID, um die Entlassung von Mitarbeitern, die Einstellung von Zahlungen und vieles andere.
Nur zu dem, was Menschen außerhalb der USA besonders interessiert, finden sich dort keine Einträge: Zölle.
Der Grund: Zölle betreffen das internationale Handelsrecht. Die zuständige Instanz für solche Fälle ist die Welthandelsorganisation WTO mit Sitz in Genf. Und das ist schon ein Teil des Problems.
Verstoß gegen Handelsrecht
Wenn Trump, wie geschehen, Strafzölle verhängt, dann verstoße er gegen geltendes Recht, sagt Jürgen Matthes, der beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln die Abteilung für internationale Wirtschaftspolitik leitet.
"Trump bricht damit bestehendes Handelsrecht. Auch die anderen Maßnahmen, die er gegenüber China, der EU und allen anderen Ländern angekündigt hat, würden das internationale Handelsrecht brechen. Aber das scheint ihn nicht wirklich zu kratzen", so Matthes im DW-Gespräch.
Die betroffenen Länder können bei der WTO gegen Trumps Zölle klagen. China hat eine solche Klage umgehend eingereicht, nachdem seine Waren mit einem zusätzlichen Zoll von zehn Prozent belegt wurden.
WTO ist Teil des Problems
Das Problem ist, dass solche Klagen nichts bringen. Matthes nennt sie zwar "wichtig und richtig, um das internationale Handelssystem aufrechtzuerhalten". Auch hält er es für "sehr wahrscheinlich", dass das WTO-Schiedsgericht Trumps Zölle als rechtswidrig verurteilen würde. Dagegen könnten die USA dann Berufung einlegen.
Doch die WTO-Instanz, die über Berufungen entscheidet, ist seit Jahren nicht beschlussfähig, weil die USA die Ernennung neuer Richter blockieren. Auch Trumps Amtsvorgänger Joe Biden hat daran nichts geändert.
"Da es die Berufungsinstanz nicht mehr gibt, wird es kein rechtskräftiges Urteil gegen die USA geben", so Matthes. "Und selbst wenn es eins geben würde, würden sich die USA unter Trump vermutlich nicht daran halten."
Eine unbefriedigende Situation für die 166 Mitglieder der WTO, die - nicht zuletzt auf Betreiben der USA - der Organisation beigetreten sind, um zumindest ein Mindestmaß an verbindlichen Regeln beim internationalen Handel zu haben.
Verstoß gegen Verträge
Kanada und Mexiko sehen in Trumps Zolldrohungen sogar einen doppelten Rechtsbruch. Die beiden US-Nachbarn sind nicht nur Mitglieder der WTO, sondern haben mit den USA auch ein gültiges Freihandelsabkommen (USMCA). Ratifiziert wurde das Abkommen vom US-Kongress, unterschrieben hat es - in seiner ersten Amtszeit - Donald Trump selbst.
2020 nannte Trump das USMCA "das beste Abkommen, das wir je unterzeichnet haben". 2025 kritisierte er das Abkommen und fragte: "Wer würde sowas je unterschreiben?"
Doch man sollte nicht die Findigkeit von Juristen unterschätzen, findet Kathleen Claussen, auf Handelsrecht spezialisierte Jura-Professorin an der Georgetown University in Washington D.C.
"Jeder wird sagen: Man kann keine Zölle gegen Partner eines Freihandelsabkommens erheben. Man kann auch keine Zölle gegen WTO-Mitglieder erheben", sagte Claussen der DW. "Aber vielleicht findet sich ja eine Entschuldigung, also ein Grund für den Regelverstoß."
Ein Grund lässt sich finden
Wie die Suche nach einer Entschuldigung funktioniert, zeigt der Fall Mexiko und Kanada. Weil Zölle hier nicht nur gegen WTO-Regeln verstoßen, sondern auch gegen das vom US-Kongress ratifizierte Handelsabkommen, wären sie auch vor US-Gerichten anfechtbar.
"Nach US-Recht muss Trump auf einen Grund für den Regelverstoß verweisen", so Claussen. "Und in diesem Fall beruft er sich auf die Macht, die ihm IEEPA verleiht."
IEEPA steht für den International Emergency Economic Powers Act. Das Gesetz aus dem Jahr 1977 gibt dem US-Präsidenten das Recht, selbst bei bestehenden Verträgen in den internationalen Handel einzugreifen. Voraussetzung ist, dass er einen nationalen Notfall erklärt.
Und genau das hat Trump kurz nach seinem Amtsantritt per Dekret getan: für Mexiko wegen der Migranten, für Kanada wegen des Schmuggels von Fentanyl und anderen Drogen.
Deal or no Deal?
Trump liebt Zölle auch deshalb, "weil er sie so einfach einsetzen kann", sagt Claussen. Hinzu kommt, dass es Trump weniger um die Zölle an sich geht, sondern um ihren Wert als Drohgebärde in Verhandlungen.
Rechtsprofessorin Claussen vergleicht Trumps Vorgehen mit Friends-and-Family-Tarifen, mit denen Mobilfunkanbieter auf Kundenfang gehen: Es gebe Sonderkonditionen für Freunde und Familienangehörige. "Aber man muss ständig beweisen, dass man auch dazugehört", so Claussen. "Und selbst wenn man sich heute geeinigt hat, kann am nächsten Tag schon alles anders aussehen."
Kanada und Mexiko kennen das. Erst Strafzölle Anfang Februar. Dann Aufschub von 30 Tagen. Nur wenige Tage später trotzdem neue Zölle auf Stahl und Aluminium. Dann die Ankündigung, dass die ausgesetzten Strafzölle Anfang März doch kommen werden. Und kurz nachdem sie dann in Kraft getreten waren, wurden sie zum Teil wieder ausgesetzt.
"Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen"
"Unsicherheit zu schaffen und immer neue Drohungen aufzufahren - das gehört zu den Grundprinzipien von Donald Trump", sagt IW-Handelsexperte Matthes.
Mögliches Kalkül des Präsidenten: Die ständigen Zolldrohung vergrößern seine Macht und machen andere verhandlungsbereiter - ausländische Regierungen ebenso wie inländische Branchenvertreter, die aus Angst vor Zöllen und Gegenreaktionen bei ihm vorsprechen.
Jetzt beraten sich die Europäer und insbesondere die Deutschen, welche Optionen ihnen bleiben, wenn Trump Zölle gegen ihre Autos und andere Produkte verhängt. Die EU-Kommission hat für den Fall bereits Gegenmaßnahmen angekündigt, ohne allerdings Details zu nennen.
Jürgen Matthes hofft, dass vorher doch noch eine Art Deal erreicht wird, bei dem die Europäer vielleicht mehr Waffen oder andere Waren aus den USA kaufen. Falls nicht, drohe eine Eskalation. "Ein Handelskrieg schadet allen", so der Kölner Volkswirt. "Aber wir dürfen uns auch nicht alles gefallen lassen."
Der Artikel wurde am 4.3.2025 veröffentlicht und am 7.3. aktualisiert.