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PolitikNahost

Umsiedlungspläne: Donald Trump beansprucht den Gazastreifen

Veröffentlicht 5. Februar 2025Zuletzt aktualisiert 5. Februar 2025

Donald Trump hat einen weitreichenden Vorstoß zum Nahost-Konflikt gemacht. Der US-Präsident will, dass die USA die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen. Die palästinensischen Bewohner sollen umgesiedelt werden.

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USA | PK Donald Trump (04.02.2025)
US-Präsident Trump: "Riviera des Nahen Ostens"Bild: Alex Brandon/AP Photo/picture alliance

In seinem früheren Leben war Donald Trump Immobilienunternehmer. Nun ist er US-Präsident und erklärt den im Krieg zerstörten Gazastreifen zu einer Art "Hochglanz-Bauprojekt". Und der 78-Jährige scheint das sehr ernst zu meinen. In Washington kündigte Trump an, dass die USA die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen wollen.

Das durch den Israel-Hamas-Krieg stark zerstörte Palästinensergebiet am Mittelmeer solle von den Vereinigten Staaten wirtschaftlich entwickelt und zu einer "Riviera des Nahen Ostens" werden, kündigte Trump während einer Pressekonferenz mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an.

Würden die Pläne umgesetzt, müssten die meisten der bisherigen Bewohner des Gazastreifens dafür allerdings weichen. Dort sollten dann, so Trumps Vorstellung, "die Menschen der Welt" leben, während die Nachbarstaaten auf Dauer Palästinenser aufnehmen könnten. "Die USA werden den Gazastreifen übernehmen und besitzen", verkündete Trump im Weißen Haus. Ihm schwebe eine "langfristige Stellung als Eigentümer" (engl. "ownership position") vor, die diesem Teil des Nahen Ostens große Stabilität bringen werde.

USA, Washington | Pressekonferenz von Donald Trump (r.) und Benjamin Netanjahu im Weißen Haus (04.02.2025)
Gesprächspartner Netanjahu und Trump: "Frische Ideen"Bild: Evan Vucci/AP/picture alliance

Die USA würden unter anderem die Blindgänger nach dem Israel-Hamas-Krieg beseitigen, die zerstörten Gebäude abreißen und den Küstenstreifen einebnen, kündigte der US-Präsident an. Dann würden die Vereinigten Staaten eine wirtschaftliche Entwicklung anstoßen, die eine "unbegrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen und Wohnraum für die Menschen in diesem Gebiet" bieten werde. Auch Palästinenser würden dort wohnen, gab sich Trump großzügig.

Einen Einsatz des US-Militärs im Gazastreifen schloss der Präsident nicht aus. Einzelheiten nannte er nicht. Israels Premier Netanjahu ging während der Pressekonferenz nicht im Detail auf den Vorschlag ein. Er lobte Trump aber dafür, "frische Ideen" aufzubringen und eine Bereitschaft zu zeigen, mit konventionellen Denkmustern zu brechen.

Kritik aus der arabischen Welt

Wie nicht anders zu erwarten, lehnte die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Terrororganisation Hamas Trumps Vorschlag ab. Die Menschen im Gazastreifen würden den Plan nicht akzeptieren, sagte Sami Abu Suhri, ein Vertreter der Hamas, in einer ersten Reaktion in der Nacht.

Doch auch anderswo stößt Trumps Vorschlag auf Widerstand, so auch beim engsten Verbündeten der USA in der arabischen Welt, Saudi-Arabien. Die Führung in Riad pocht weiter auf eine Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser. Kurz nach Trumps und Netanjahus Pressekonferenz in Washington erklärte das saudische Außenministerium, die "unnachgiebigen Bemühungen um die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt fortsetzen".

Ohne diese Voraussetzung werde Saudi-Arabien keine diplomatischen Beziehungen zu Israel aufnehmen. Ein solcher Schritt gehörte zu den wichtigsten außenpolitischen Anliegen der Trump-Administration in der ersten Amtszeit des US-Republikaners.

Nahostkonflikt | Ruinen von zerstörten mehrgeschossigen Häusern in Gaza-Stadt (03.02.2025)
Zerstörungen in Gaza-Stadt (am Montag): Weite Teile in Schutt und AscheBild: Omar Ashtawy/apaimages/SIPA/picture alliance

Auslöser des verheerenden Krieges im Gazastreifen war das Massaker der Hamas, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 in das Palästinensergebiet am Mittelmeer verschleppt wurden. Israels Armee reagierte mit Angriffen auf die unter anderem von den USA, der Europäischen Union und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuften Hamas. Durch die 16 Monate langen Gefechte wurden weite Teile des Gazastreifens in Schutt und Asche gelegt.

Nach UN-Angaben wurden dort während des Krieges rund zwei Drittel aller Gebäude zerstört oder beschädigt. 90 Prozent der rund 2,1 Millionen Menschen im Gazastreifen wurden zu Binnenflüchtlingen. Nach palästinensischen Angaben, die von den Vereinten Nationen als glaubhaft eingestuft werden, wurden mehr als 47.000 Menschen getötet.

Die Idee einer Total-Zwangsumsiedlung

Trump spricht sich schon länger dafür aus, den Gazastreifen komplett zu räumen und die dort lebenden Palästinenser in arabische Länder "umzusiedeln": etwa nach Ägypten oder Jordanien. Die Umsiedlung von Menschen gegen ihren Willen wird als Zwangsumsiedlung oder Vertreibung bezeichnet.

Trumps Idee einer Umsiedlung der Palästinenser sorgte bereits vor dessen denkwürdiger Pressekonferenz am Dienstag vielerorts für viel Empörung. Jordanien und Ägypten lehnten den Vorstoß ab, weil sie ihn als Ende der langen Bemühungen um einen Palästinenserstaat betrachten.

Trump-Kritiker melden sich zu Wort

Auch aus den USA kommt scharfe Kritik. Senator Chris Van Hollen von den oppositionellen Demokraten wertet Trumps Aussagen vom Dienstag als Ankündigung eines schweren Völkerrechtsbruchs. "Ich denke, wir müssen wiederholen, was der Präsident der Vereinigten Staaten gerade gesagt hat", sagte Van Hollen dem US-Sender MSNBC kurz nach Trumps Pressekonferenz. "Er hat gerade gesagt, dass es die Politik der Vereinigten Staaten sein wird, zwei Millionen Palästinenser gewaltsam aus dem Gazastreifen zu vertreiben - so etwas nennt sich auch ethnische Säuberung."

USA | Chris Van Hollen (04.02.2025)
Demokrat Van Hollen: "Ethnische Säuberung"Bild: Celal Gunes/Anadolu/picture alliance

Van Hollen bezeichnete den Plan des US-Präsidenten als "in vielerlei Hinsicht verabscheuungswürdig". Der Demokrat warnte, dass der Republikaner Trump mit seinen Aussagen die Sicherheit von US-Soldaten und Botschaftspersonal in der Region massiv gefährde.

Reaktionen aus dem Ausland

Auf Ablehnung stößt Trumps Vorstoß auch in anderen Ländern. In Deutschland bezeichnete der außenpolitische Sprecher der Regierungspartei SPD, Nils Schmid, den Vorschlag des US-Präsidenten als "völlig inakzeptabel". "Er steht im krassen Widerspruch zum Völkerrecht und würde zwei Millionen Palästinensern ihre Heimat rauben", sagte der Sozialdemokrat der Nachrichtenagentur Reuters.

Auch Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock reagierte auf Trumps Vorstoß. Ohne explizit auf den Plan des US-Präsidenten einzugehen, verwies sie laut einer Mitteilung ihres Ministeriums auf die internationale Verantwortung für den Wiederaufbau in Gaza. "Wir Europäer stehen bereit, unseren Teil gemeinsam mit den USA und den Partnern in der Region beizutragen." Zugleich betonte sie: "Eine Lösung über die Köpfe der Palästinenserinnen und Palästinenser hinweg darf es nicht geben."

Eine Vertreibung der Palästinenser aus der Region sei "inakzeptabel und völkerrechtswidrig", so die Ministerin. "Dies würde auch zu neuem Leid und neuem Hass führen." Es sei Konsens, auch in der arabischen Welt, dass eine Zwei-Staaten-Lösung mit Ostjerusalem und dem Westjordanland als Ausgangspunkt für einen Staat Palästina der einzige Weg sei.

Aus Frankreich und Spanien kommt ebenfalls deutlicher Widerstand gegen Trumps Gaza-Initiative. Der spanische Außenminister Jose Manuel Albares sagte vor der Presse: "Ich möchte dies ganz deutlich machen: Gaza gehört den Gaza-Palästinensern und sie müssen in Gaza bleiben." Der Küstenstreifen sei Teil eines künftigen Palästinenser-Staates, für den sich Spanien einsetze. Es müsse eine Koexistenz geben, die die Sicherheit und den Wohlstand des israelischen Staates garantiere.

Ähnlich die Reaktion aus Paris: Trumps Pläne drohten die gesamte Region zu destabilisieren, heißt es aus dem französischen Außenministerium.

Der Außenminister der Türkei, Hakan Fidan, bezeichnete die Äußerungen von Trump über eine US-Übernahme des Gazastreifens als "inakzeptabel". Es werde nur weitere Konflikte geben, wenn man die Palästinenser nicht in den Plänen mitdenke, sagte er der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu.

China spricht sich gegen eine zwangsweise Umsiedelung der Bevölkerung des Gazastreifens aus. China hoffe, dass die aktuelle Waffenruhe als Chance genutzt wird, die Lösung der palästinensische Frage auf den richtigen Weg zu bringen. Grundlage sei eine Zweistaatenlösung, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking.

AR/se/sti (rtr, afp, dpa)

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