"Die Spielregeln für die Verhandlungen zum Kosovo-Status müssen vorher festgelegt werden"
12. Oktober 2004Bonn, 12.10.2004, DW-radio / Albanisch, Adelheid Feilcke-Tiemann
DW:
Nach den Vorfällen im März steht das Kosovo wieder auf der internationalen Agenda. Die Gewalt und der ethnische Hass haben eine neue Debatte darüber ausgelöst, wie die Kosovo-Frage friedlich und fair gelöst werden kann – und schneller als bislang in dem Konzept Standards vor Status vorgesehen. Was ist Ihre Ansicht hierzu?Serwer:
Ich bin – wie jedermann sonst – der Auffassung, dass das Kosovo zu Europa gehört und dass wir einen Weg finden müssen, es dort hin zu bekommen. Und das ist das Problem. Wir haben derzeit ein UN-Protektorat. Es ist klar, dass wir schließlich über die Resolution 1244 hinaus gehen müssen und eine Resolution für das finden müssen, was allgemein als endgültiger Status bekannt ist. Und dann vom endgültigen Status zur europäischen Union. Und ich bin der Ansicht, dass dieser Prozess rasch beginnen muss, am liebsten 2005, spätestens 2006.Frage
: Sie sind für eine neue Resolution des Sicherheitsrats zum Kosovo. Muss sie Ihrer Ansicht nach kommen, bevor die Verhandlungen zur Statusfrage anfangen?Antwort:
Ich halte das nicht für nötig, aber ich denke sehr wohl, dass dies wünschenswert wäre – und das aus den folgenden Gründen: Die Spielregeln müssen festgelegt werden. Diese Verhandlungen können keine Verhandlungen sein, die alles auf der Welt einbeziehen. Alle Optionen. Ich denke, es müssen einige Optionen ausgeschlossen werden. Ich bin der Auffassung, dass eine Rückkehr des Kosovo unter Belgrader Recht zum Beispiel eine ausgeschlossene Option ist. Ich glaube, Belgrad stimmt dem zu – was die albanische Bevölkerung betrifft. Und ich denke, dass ist Teil dessen, was klargestellt werden sollte. Im Voraus müssen auch die Garantien für die territoriale Integrität Mazedoniens und Bosnien-Herzegowinas sowie eine Garantie abgegeben werden, dass es kein Groß-Albanien geben wird. Ich denke, dass sollte Teil der Spielregeln sein. Ob nun diese Regeln in den Sicherheitsrat hinein müssen, ist natürlich optional. Die Deutschen haben diese Idee nicht begrüßt. Sie befürchten, dass die Russen sie blockieren könnten oder mehr Ärger als Nutzen verursachen. Ich kann das verstehen, aber wir müssen die Spielregeln eine nach der anderen machen und das deutlichste, was Sie auf dieser Welt haben können, ist eine Resolution des Sicherheitsrates.Frage:
Aber andererseits: Sie selbst erwähnten Russland, aber auch China und selbst die Vereinigten Staaten können ein Hindernis für eine weitere Resolution sein, wegen ihrer eigenen Minderheitsprobleme. Gibt es keinen anderen Ausweg?Antwort
: Ich denke, die Vereinigten Staaten, Russland, China würden alle irgendwie einer endgültigen Lösung der Statusfrage des Kosovo Widerstand entgegensetzen, aber ich denke auch, dass sie schließlich die Notwendigkeit einer solchen anerkennen werden, besonders falls Belgrad und Prishtina sich auf etwas einigen sollten. Das wäre mein zentraler Punkt. Falls Belgrad und Prishtina sich einigen können, dann sollten sie zu den Amerikanern und den Europäern gehen und sagen: Darauf haben wir uns geeinigt. Dann gehen wir zu der Kontaktgruppe und zum Sicherheitsrat und ich denke, dass wird den Weg erleichtern. Es wird jedoch für Belgrad und Prishtina nicht leicht sein, sich zu einigen. Mein Punkt wäre nun, dass der Prozess der Erreichung dieser Einigung recht bald anfangen sollte: Jetzt, 2005, spätestens 2006.Frage
: Halten Sie es für eine gute Idee, Belgrad und Prishtina als gleichberechtigte Partner in den Verhandlungen zu haben?Antwor
t: Ja. Ich denke, so muss es gemacht werden. Ich weiß, dass Belgrad das ablehnen wird, aber ich glaube sehr wohl, dass sie gleich berechtigte Partner in den Verhandlungen sein sollten. Ich sehe nicht, wie Prishtina an den Verhandlungstisch zu bekommen wäre, wenn das nicht der Fall wäre.Frage
: Sie haben einen Zusammenhang zwischen der Kosovo-Frage und Bosnien-Herzegowina sowie Mazedonien hergestellt und Sie sagen, Grenzen und Statuten sollten nicht verändert werden. Aber in der Minderheitenfrage gibt es Unterschiede in der Behandlung der Serben der Republika Srpska, der Albaner in Mazedonien und der Serben im Kosovo.Antwort
: Nein, was ich wirklich sage ist, dass Mazedonien und Bosnien nicht Teil dieses Zusammenhangs sein sollten. Sie sind unabhängige Staaten mit eigener Souveränität, territorial und technisch anerkannt durch die internationale Gemeinschaft. Niemand in Belgrad oder Prishtina hat das Recht, die Souveränität und die territoriale Integrität anderer Staaten in Frage zu stellen. Es gibt immer noch die Frage, ob wir die Diskussion über den Austausch eigener Gebiete zulassen wollen. Das ist ein großes Fragezeichen. Ich bin mir selbst sehr klar darüber, dass die Spielregeln die Diskussion über bosnische oder mazedonische Territorien ausschließen sollten.Frage
: Was erwarten Sie von den Wahlen im Oktober?Antwort:
Ich denke, das Wichtigste an den Oktober-Wahlen ist, dass sie stattfinden, dass sie gut organisiert sind und dass sie frei und fair sind, so wie Wahlen im Kosovo seit 1999, seit der NATO-Invasion sind. Diese Wahlen werden zum ersten Mal von den Kosovaren selbst durchgeführt und ich denke, es ist außerordentlich wichtig, dass sie technisch gesehen gut verlaufen. Was die serbische Beteiligung betrifft, ich spreche hier nicht für die Regierung der Vereinigten Staaten, aber ich kann Ihnen sagen, dass sehr wenige Leute in Washington sich Sorgen machen über die Beteiligung der Serben an den Kosovo-Wahlen. Das ist kein Thema, das die amerikanische Öffentlichkeit reizt. Es ist wichtig, das zu begreifen, denn es wird so viel Aufhebens darum gemacht. Mir persönlich ist klar, dass es im Interesse der Kosovo-Serben liegt, an der Wahl teilzunehmen, im Kosovo-Parlament vertreten zu sein und an den Kosovo-Institutionen beteiligt zu sein. Sollten sie jedoch beschließen – gemeinsam mit Belgrad, fürchte ich, - dass sie das nicht wünschen, dann ist es das einzig Wichtige, dass sie die Folgen begreifen, nämlich, dass sie keinen Sitz am Tisch haben werden, wenn die Themen zum endgültigen Status zur Sprache kommen. Ich denke, dass wäre höchst bedauerlich, denn die Kosovo-Serben sind die wahren Opfer in der gegenwärtigen Lage. Ich sähe ihre Rechte gern geschützt und die Menschen können ihre Rechte nur schützen, wenn sie auch repräsentiert sind. (...)Nach den letzten Wahlen bestand die internationale Gemeinschaft mehr oder weniger darauf, dass die drei wichtigsten albanischen Parteien in einer gemeinsamen breiten Front regierten. Als Folge davon gibt es keine wirkliche Opposition und die Serben, die einen beträchtlichen Prozentsatz der Parlamentssitze innehaben, hatten große Schwierigkeiten, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen, denn sie konnten ihre Stimmen nicht denjenigen einer der bedeutenden albanischen Parteien hinzufügen, um eine ernsthafte Opposition darzustellen. So wurden die Kosovo-Serben unabsichtlich bereits durch die Regierungsformel marginalisiert. (MK)