"Die serbische Bevölkerung weiß genau, wer den Weg nach Europa öffnet"
25. Juni 2004Bonn, 25.6.2004, DW-RADIO/Serbisch, Ljiljana Guslov Renke
Die zweite Präsidentschaftswahlrunde in Serbien ruft große Aufmerksamkeit weltweit hervor – so auch in der EU und in Deutschland. Die Möglichkeit, dass der Kandidat der Serbischen Radikalen Partei gewinnen könnte, möchte viele nicht einmal in Erwägung ziehen. Über dieses Thema haben wir heute den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages und außenpolitischen Sprecher der regierenden SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen, befragt.
Frage:
Am Sonntag (27.6.) findet die Stichwahl in Serbien statt. Wie werden sich die Beziehungen der EU und auch Deutschlands zu Serbien entwickeln, falls der Kandidat der Serbischen Radikalen Partei [Tomislav Nikolic] gewinnt?Antwort:
Also ich bin fest davon überzeugt, dass die serbische Bevölkerung, die Wählerinnen und Wähler, selber genau weiß, wer den Weg nach Europa öffnet. Und ich bin deshalb sehr zuversichtlich und wünsche mir, dass die Bevölkerung ein klares Ja zu Europa am kommenden Sonntag aussprechen wird.Frage:
Und trotzdem, wenn der Kandidat der Radikalen Partei gewinnt, wie kann sich dies auf das Lösen des Kosovo-Problems auswirken?Antwort:
Zunächst einmal glaube ich, dass die Wählerinnen und Wähler in Serbien sehr genau wissen, dass, wenn ein Nationalist gewählt werden wird – also einer der versucht, den Weg zurück in die Vergangenheit zu gehen – dass dies den Interessen Serbiens entgegensteht, ja dass Serbien selber um Jahre, wenn nicht um Jahrzehnte zurückgeworfen wird. Und ich kann mir das nicht vorstellen, dass die Wählerinnen und Wähler diesen Weg gehen wollen. Es würde auch bedeuten, dass alle Lösungsmöglichkeiten, die man finden kann für die Probleme, die beispielsweise in den Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro und dem Kosovo, dass diese Beziehungen im höchsten Maße gefährdet wären, wenn nicht ein vernünftiger Präsident versuchen wird, konstruktiv an den Lösungen zu arbeiten.Frage:
Ist denn die Tür für die europäische Integration Serbiens offen?Antwort: Ja, die Tür für die Integration ist offen. Aber es hängt davon ab, ob die Bevölkerung in Serbien bereit ist, in diese Tür einzutreten und in einen neuen Raum, der Serbien mit der EU unverbrüchlich verbindet. Das liegt jetzt an der Bevölkerung, das liegt an den Wählerinnen und Wählern, durch diese Tür in eine neue Zeit einzutreten.
Frage:
Eine wichtige Frage ist noch die Kooperation mit dem Internationalen Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag.Antwort:
Beispielsweise in Kroatien ist das eine der ganz entscheidenden Notwendigkeiten, mit denen alle früheren Kriegsteilnehmer bereit sind, ihre Probleme aufzuarbeiten. Und in dem Moment als klar geworden ist, dass Kroatien sich konstruktiv beteiligt an dem, was in Den Haag zu verhandeln ist, in dem Moment wurde die Tür für die europäische Integration noch ein wenig mehr geöffnet, als das vorher schon der Fall war. Ich bin sicher, dass der Weg für Serbien exakt der gleiche ist, denn wenn Serbien sich konstruktiv gegenüber der EU und gegenüber Den Haag verhält, dann wird es dafür etwas gewinnen – nämlich die Sicherheit, dass Serbien einen festen Platz in der EU finden wird. (md)