"Die russische ‚Kaspi-Armada‘ soll den Iran beeindrucken und Turkmenistan bei der endgültigen Festlegung des Status des Meeres nachgiebiger machen"
1. August 2002Moskau, 1.8.2002, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., Igor Plugatarjow
In Astrachan beginnen heute (1.8.) Manöver der Kaspiflotille. Die "Nesawissimaja gaseta" berichtete bereits über die Ziele und Aufgaben dieser Übungen sowie über die Situation, die um diese Aktion entstanden ist. Was das Ausmaß angeht, sind die Manöver beispiellos: etwas ähnliches gab es im Kaspischen Meer nicht einmal in Zeiten der Sowjetunion. Präzisierten Angaben zufolge werden in das Meer bis zu 60 Kampfschiffe und –boote auslaufen. Deren Vorgehen wird von 30 Flugzeugen und Hubschraubern gesichert, an den Übungen werden über 10 000 Militärangehörige teilnehmen. Die Manöver tragen internationalen Charakter, daran nehmen ein aserbaidschanisches Minenabwehrschiff sowie eine kasachische Flugzeugstaffel teil. Beeindruckend ist auch die Dauer der Manöver, sie werden bis 15. August anhalten.
All das bringt einen auf den Gedanken, dass der Kreml Ziele von viel größerer Dimension vor Augen hat, als vorher bekanntgegeben wurde (von "die Matrosen wachrütteln" bis "Wilderer einschüchtern"). Den tatsächlichen politischen Hintergrund stellen wir uns wie folgt vor.
Bekanntlich dauern die Streitigkeiten zwischen den fünf "Miteigentümern" des Kaspischen Meeres seit zehn Jahren an und haben zu keinem Ergebnis geführt. Eine gut informierte Quelle der "Nesawissimaja gaseta" bei der Administration des russischen Präsidenten gab zu verstehen, dass der Kreml es satt hat, sich mit den Kaspi-Anrainerstaaten herumzuschlagen, die leeres Stroh dreschen, was die endgültige Festlegung des Rechtsstatus des Kaspischen Meeres angeht. Bei einem Gipfeltreffen im Frühjahr in Aschgabad waren die Staaten übereingekommen, ähnliche Treffen regelmäßig abzuhalten und eine neue Institution der regionalen Kooperation – die "Kaspi-Fünf" – zu bilden. Wladimir Putin beabsichtigt jetzt allem Anschein nach, wenn schon nicht den "Kaspi-Knoten" von einem Augenblick auf den anderen zu zerschlagen, so doch diesem Moment bedeutend näher zu rücken.
Die russische Lösung dieses Problems sieht wie folgt aus: Es wird eine fünfseitige Konvention angenommen, deren Sinn darin besteht, dass der Meeresboden aufgeteilt, das Wasser jedoch gemeinsam genutzt wird. Da die Staaten jedoch unterschiedlich an dieses Problem herangehen, hält Moskau es für möglich, sich dem Ziel durch bilaterale Abkommen zu nähern. Der Standpunkt Kasachstans ist dem russischen am ähnlichsten. In den letzten zwei Jahren ist auch gegenseitige Verständigung mit Aserbaidschan erzielt worden. Deshalb wird klar, wieso Militärkräfte dieser Staaten an den jetzigen Marinemanövern teilnehmen.
Wichtigster Opponent Russlands bei allen Verhandlungen über das Kaspische Meer ist der Iran, der das Meer in nationale Sektoren aufteilen will – je 20 Prozent Meeresboden und Wasser für jeden "Miteigentümer". Dafür plädierte noch kürzlich auch Turkmenistan, in der letzten Zeit haben sich jedoch die Ansichten Aschgabads verändert und sich dem Standpunkt Moskaus genähert. Ungeachtet dessen lehnte Präsident Saparmurad Nijasow den Vorschlag Russlands ab (der allen vier Staaten unterbreitet wurde), an den Militärmanövern mit etwas Kampftechnik teilzunehmen. Er begründete das damit, dass die Manöver "nicht in unserer Region" stattfinden werden.
Bemerkenswert ist auch, dass der Iran einen auf den ersten Blick interessanten Vorschlag über die Entmilitarisierung des Kaspi-Meeresbeckens unterbreitet hat. Ist das aber ein vernünftiger Vorschlag, wenn man berücksichtigt, dass die Region potentiell gefährlich ist, was den internationalen Terrorismus, mögliche Provokationen sowohl gegen Objekte an der Küste als auch Schiffe auf dem Meer angeht? Die Antwort ist eindeutig.
Im Zusammenhang damit wird der tatsächliche Sinn der heute beginnenden Manöver klar. Die russische "Kaspi-Armada" soll mit der Vorführung ihrer Möglichkeiten den Iran beeindrucken und Turkmenistan bei der endgültigen Festlegung des Status des Meeres nachgiebiger machen. (...) (lr)