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Bilanz der Außenpolitik

22. September 2009

Die transatlantischen Beziehungen, der Afghanistan-Einsatz, Kriege in Georgien und im Nahen Osten - außenpolitisch hatte die große Koalition alle Hände voll zu tun. Die wichtigsten Themenfelder im Überblick.

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US-Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel in Dresden im Juni 2009 (Foto: AP)
Barack Obama und Angela Merkel in Dresden im Juni 2009Bild: AP

Aufgewärmt: Die deutsch-amerikanischen Beziehungen

Als Angela Merkel ins Kanzleramt einzog, stand ein außenpolitisches Ziel ganz oben auf ihrer Agenda: Die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu entkrampfen. Die Antipathie zwischen George W. Bush und Merkels Vorgänger Gerhard Schröder entstanden aus dessen Ablehnung des Irak-Krieges, hatte das Verhältnis merklich abkühlen lassen.

Die CDU-Chefin entwickelte schnell einen guten Draht zum Republikaner Bush, der seinerseits mit Lob für Merkel nicht sparte. Im Gegensatz zu Schröder konnte Merkel es sich erlauben, Bush zu kritisieren - sei es für den geringen Beitrag seiner Regierung zum weltweiten Klimaschutz oder für das Gefangenenlager Guantanamo, dessen Schließung sie forderte.

Bush und Merkel beim Besuch in Stralsund im Juli 2006 (Foto: AP)
Bush und Merkel beim Besuch in Stralsund im Juli 2006Bild: AP

Derartige Meinungsverschiedenheiten diskutierten die beiden nicht öffentlich aus, sondern besprachen sie beim Wildschweingrillen in Merkels Wahlkreis oder auf Bushs Ranch in Texas. Der US-Präsident fand sich auch damit ab, dass die Bundesregierung unter keinen Umständen deutsche Soldaten in den Süden Afghanistans schicken wollte.

Die harmonische Ruhe in den deutsch-amerikanischen Beziehungen wurde kurz getrübt, als Präsidentschaftskandidat Barack Obama ausgerechnet das Brandenburger Tor in Berlin als Ort für eine Wahlkampf-Rede auserkor. Verärgert erteilte die Bundeskanzlerin dem damaligen Senator aus Illinois eine Absage, der seine Rede schließlich einige hundert Meter weiter an der Siegessäule hielt - vor 200.000 begeisterten Zuhörern. Die Herzen der Deutschen hatte er damit schon vor seinem Einzug ins Weiße Haus erobert, das der Bundeskanzlerin musste er erst noch gewinnen. Die anfängliche Distanz zwischen den beiden blieb der Öffentlichkeit nicht verborgen.

Inzwischen haben Merkel und Obama einen freundlichen und professionellen Modus der Zusammenarbeit gefunden. Mehrere lange Gespräche haben die gegenseitige Wertschätzung wachsen lassen. Die Bundesregierung unterstützt Obamas dialogorientierte Außenpolitik ebenso wie seine Abrüstungsbemühungen. Sein Deutschland-Besuch im Juni führte Obama nach Dresden und ins ehemalige Konzentrationslager Buchenwald, das 1945 von amerikanischen Truppen befreit wurde. Dort fand der US-Präsident bewegende Worte für das unermessliche Leid, das die Gefangenen durchlitten haben.

Lesen Sie weiter in Teil 2: Deutschland und Russland - Partnerschaft mit Hindernissen

Deutschland und Russland - Partnerschaft mit Hindernissen

Protest gegen den russisch-georgischen Krieg in Berlin am 30. August 2008
Protest gegen den russisch-georgischen Krieg in BerlinBild: AP

Russland erwies sich als schwieriger Partner für die Bundesregierung. Längst ging es nicht mehr nur um Bürgerrechte wie die Presse- und Versammlungsfreiheit, deren Einhaltung die Bundeskanzlerin immer wieder anmahnte. Vielmehr war das Vertrauen zwischen der russischen Regierung und ihren Partnern im Westen massiv gestört. Der von der Bush-Regierung geplante Raketenschirm in Osteuropa erzürnte die russische Führung. Die verbalen Gegenangriffe von Präsident Wladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 waren Ausdruck der frostigen Stimmung. Manche Beobachter fühlten sich an die Zeiten des Kalten Kriegs erinnert.

Der russisch-georgische Krieg im Sommer 2008 belastete die Beziehungen weiter. Die EU vermittelte, Russland brach die im 6-Punkte-Plan getroffene Vereinbarung. Bundeskanzlerin Merkel protestierte, als Russland die zu Georgien gehörenden Gebiete Abchasien und Südossetien als unabhängig anerkannte, das sei völkerrechtswidrig. Die Gespräche im NATO-Russland-Rat wurden vorübergehend eingestellt.

Russlands Präsident Dmitri Medwedew mit Merkel im Oktober 2008 (Foto: DPA)
Russlands Präsident Dmitri Medwedew mit Merkel im Oktober 2008Bild: picture-alliance/ dpa

Der Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine löste Anfang 2009 die nächste Krise aus. Erstmals unterbrach die russische Regierung die Gaslieferungen nach Europa für längere Zeit - und war empört, als die Bundesregierung beide Seiten für die Eskalation verantwortlich machte. Um die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu verringern, setzt Deutschland nun zunehmend auf Gas aus Zentralasien, das die Pipeline "Nabucco" in Zukunft nach Mitteleuropa bringen soll.

Obwohl es viele Gründe für eine kritische Distanz zwischen Deutschland und Russland gibt, arbeiten beide Regierungen in jüngster Zeit wieder sachlich, teils sogar freundschaftlich zusammen - etwa bei der Bewältigung der Finanzkrise, die auch Russland hart getroffen hat.

Lesen Sie weiter in Teil 3: Afghanistan - Schrecken ohne Ende?

Afghanistan - Schrecken ohne Ende?

Bleiben und durchhalten - unter dieser Überschrift steht der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Für die rund 4200 deutschen Soldaten der NATO-Truppe ISAF gibt es keine Abzugsperspektive, ganz im Gegenteil. Weil der Einsatz im Norden des Landes immer gefährlicher wird, hat die große Koalition ihre Anstrengungen vergrößert: Mehr Soldaten, mehr Material, mehr Hilfe bei der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte.

Der Sarg eines gefallenen deutschen Soldaten wird am 24. Oktober 2008 nach der Trauerfeier in Zweibruecken aus der Kirche getragen. Der Soldat eines Fallschirmjaegerbataillons war bei einem Selbstmordanschlag in Afghanistan ums Leben gekommen.
Immer wieder sterben deutsche Soldaten in AfghanistanBild: AP

Dass das Land trotz vieler kleiner Fortschritte nicht richtig auf die Beine kommt, wirft Fragen auf, denen sich die Bundesregierung nicht gerne öffentlich stellt. Zum Beispiel die, wie viele deutsche Soldaten noch ihr Leben am Hindukusch lassen müssen. Oder die, ob der nach dem Sturz der Taliban 2001 begonnene Einsatz vielleicht ganz scheitern könnte. Mehrere Umfragen belegen, dass die Mehrheit der Deutschen den Einsatz ablehnt - ein Grund für die Bundesregierung, das Thema möglichst aus dem Wahlkampf herauszuhalten.

Das gelang aber nicht ganz: Die Bundeswehr geriet in die Kritik, nachdem sie Anfang September einen nächtlichen Luftangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklastwagen angeordnet hatte. Unter den Toten waren vermutlich auch etliche Zivilisten. Zivile Opfer sollen aber, darauf drängen inzwischen auch die Amerikaner mit Nachdruck, möglichst vermieden werden, damit die ISAF-Truppe die Unterstützung der afghanischen Bevölkerung nicht verliert.

Vor diesem Hintergrund flammte die Diskussion über einen Zeitplan für den Abzug der Bundeswehr wieder auf. Bundeskanzlerin Angela Merkel legt sich nicht auf ein Datum fest, ihr sozialdemokratischer Herausforderer Frank-Walter Steinmeier möchte bis 2013 die Grundlagen für einen Abzug schaffen. Eine internationale Afghanistan-Konferenz soll möglichst bald Zielmarken dafür definieren, wann welcher Teil der Verantwortung an die Afghanen abgegeben werden soll.

Bis dahin gilt der Satz des früheren Verteidigungsministers Peter Struck, dass Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werde. Das lässt sich die Bundesregierung viel kosten: Allein im vergangenen Jahr 2008 schlug der Afghanistan-Einsatz mit mehr als 530 Millionen Euro zu Buche.

Lesen Sie weiter in Teil 4: Naher Osten: Der Frieden bleibt ein Wunschtraum

Naher Osten: Der Frieden bleibt ein Wunschtraum

Außenminister Steinmeier bei einer Pressekonferenz im israelischen Außenministerium
Dauergast im Nahen Osten: Außenminister SteinmeierBild: picture-alliance/ dpa

Keine Region hat Frank-Walter Steinmeier öfter besucht als den Nahen Osten. Auf insgesamt 14 Reisen brachte es der SPD-Außenminister. In unzähligen persönlichen Gesprächen informierte er sich über die Konfrontation zwischen Israelis, Palästinensern und den Nachbarländern. Am liebsten war es Steinmeier, wenn er über einen Hoffnungsschimmer berichten oder eine Annäherung verkünden konnte, und war sie auch noch so klein. Eigene diplomatische Akzente setzte er, als er trotz der Kritik der USA früh auf einem Besuch in Damaskus bestand, um Syrien in die Gespräche einzubinden.

Doch die "Fenster der Gelegenheiten", auf welche die schwarz-rote Bundesregierung im Nahost-Friedensprozess hoffte, schlugen schnell zu. Der Krieg zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah im Sommer 2006, der Angriff der israelischen Armee auf den Gazastreifen im Winter 2009 machten jede Hoffnung auf eine Umsetzung des internationalen Friedenfahrplans, der so genannten Road Map, zunichte. Die Bundesregierung stellte sich in den Kriegen eindeutig auf die Seite Israels. Für den Gaza-Krieg mit seinen Hunderten zivilen Opfern schob Bundeskanzlerin Merkel der Hamas die alleinige Verantwortung zu und besuchte unmittelbar nach Kriegsende demonstrativ den damaligen israelischen Regierungschef Ehud Olmert. Durch diese einseitige Haltung verspielte die Bundesregierung viel Vertrauen in der palästinensischen Öffentlichkeit.

Autorin: Nina Werkhäuser

Redaktion: Kay-Alexander Scholz