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DFB-Team: Aufatmen und Sorgen nach Sieg gegen Nordirland

8. September 2025

Nach der Pleite in der Slowakei gelingt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation gegen Nordirland ein Pflichterfolg. Dennoch bleiben für Bundestrainer Julian Nagelsmann jede Menge Baustellen.

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Spielszene Deutschland gegen Nordirland, Zweikampf Pascal Gross gegen Conor Bradley
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft tat sich auch gegen Nordirland phasenweise schwerBild: Bernd Feil/MIS/IMAGO

Es war ein Abend der Erleichterung. Nicht der Euphorie, nicht der Wende. Aber ein Anfang. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft verließ das Stadion in Köln nach dem 3:1-Sieg gegen Nordirland mit dem Gefühl, erfolgreich Schadensbegrenzung betrieben zu haben. Aber auch mit der Erkenntnis, dass es noch viel Potential für Verbesserungen gibt.

"Wir haben viele Schritte noch zu gehen", sagte der Bundestrainer nach dem Spiel. Der Fehlstart in der Slowakei war nicht vergessen, aber zumindest ein kleiner Schritt Richtung WM-Qualifikation gemacht. Das Ziel ist nach wie vor der Gruppensieg, trotz des 0:2 in Bratislava.

Nagelsmann möchte allerdings nicht mehr zu weit in die Zukunft denken. "Wir fahren gut damit, dass wir jetzt einfach auf das Momentum schauen und uns auf die Spiele konzentrieren. Ich finde es vermessen, nach Donnerstag (in Bratislava), wo alles in Schutt und Asche lag, jetzt, weil wir gewonnen haben, wieder alles himmelhochjauchzend zu machen", sagte der 38-Jährige.

"Heißer" Nadiem Amiri bringt die Wende

Auch die Stimmung im Kölner Stadion schwankte: Zur Pause gab es noch Pfiffe, am Ende dann Applaus. Neben einer starken Anfangsphase mit der frühen Führung durch Serge Gnabry (7. Minute), waren erst die letzten 30 Minuten wieder überzeugend - mit den Toren von Nadiem Amiri (69.) und Florian Wirtz (72.). "Die zehn Minuten vor dem 2:1 und die zehn Minuten danach waren supergut", sagte Nagelsmann.

Nadiem Amiri erzielt das 2:1 für Deutschland gegen Nordirland
Nadiem Amiri lauert am zweiten Pfosten und schiebt den Ball zum 2:1 ins Tor.Bild: Thilo Schmuelgen/REUTERS

Allerdings hatte es dazu zweier Wechsel bedurft. Amiri vom FSV Mainz und Maximilian Beier von Borussia Dortmund kamen in der 61. Minute und brachten deutlich mehr Schwung. Acht Minuten nach seiner Einwechslung, erzielte Amiri das Tor, seinen ersten Treffer in einem Länderspiel.

"Ich war heiß. Ich habe mich schon auf der Bank in die Situation hineingedacht", sagte der Mainzer Mittelfeldspieler anschließend im TV-Interview. "Nadiem ist immer auf dem Gaspedal. Er hat immer Lust, Spiele zu gewinnen", sagte Nagelsmann. "Das war schon in der U17 oder U19 so. Er kam rein und hatte einfach Bock. Er hat sich zerrissen. Deswegen freut es mich sehr für ihn, weil er alles reingeworfen hat, was uns in der Phase des Spiels sehr gut getan hat."

Zahlreiche Baustellen für Nagelsmann in allen Mannschaftsteilen

Im Oktober folgen mit dem Heimspiel gegen Luxemburg und der Partie in Nordirland die nächsten Pflichtaufgaben. Im November stehen dann das Auswärtsspiel in Luxemburg und zum Abschluss das mögliche "Endspiel" um den Gruppensieg zu Hause gegen die Slowaken an.

Möglicherweise wird Nagelsmann dann auch wieder auf den einen oder anderen derzeit verletzten Stammspieler zurückgreifen können. Wenn die ersten beiden Spiele der WM-Qualifikation eines gezeigt haben, dann dass es wahrscheinlich eine DFB-Elf in Bestbesetzung braucht, um bei der WM tatsächlich dem Traum vom Titel nahezukommen.

Julian Nagelsmann kratzt sich vor dem Spiel nachdenklich am Ohr
Die beiden ersten WM-Qualifikationsspiele haben für Bundestrainer Nagelsmann mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gebrachtBild: Meusel/BEAUTIFUL SPORTS/picture alliance

Kreativität, Mut und Durchschlagskraft in der Offensive waren drei Dinge, die, wenn man beide Spiele gemeinsam betrachtet, vor allem gefehlt haben. Mit Kai Havertz (Knieverletzung) und Jamal Musiala (Wadenbeinbruch) an Bord, wäre in Sachen Kreativität sicher Abhilfe geschaffen. Wie lange die beiden Offensivspieler ausfallen, ist aber noch unklar. Bei Musiala ist eine Rückkehr noch in diesem Jahr allerdings unwahrscheinlich.

Kaum geeignete Mittelstürmer in Deutschland

Für die Durchschlagskraft im Angriff sollte in der Slowakei und gegen Nordirland eigentlich Nick Woltemade sorgen. Allerdings blieb der Stürmer, der gerade erst für 90 Millionen Euro von Stuttgart zu Newcastle United in die englische Premier League gewechselt ist, in beiden Partien blass und wirkungslos.

Dribbling Nick Woltemade gegen mehrere Abwehrspieler im Spiel gegen Nordirland
Nick Woltemade (2.v.l.) konnte sich in den beiden Partien gegen die Solwakei und Nordirland kaum in Szene setzenBild: Manfred Heyne/foto2press/picture alliance

Ohnehin ist die Mittelstürmerposition eine der Achillesfersen im Kader. Mit Niclas Füllkrug von West Ham United, dem Mönchengladbacher Tim Kleindienst und Stuttgarts Deniz Undav gibt es neben Woltemade im Grunde nur drei "echte Neuner", also wuchtige und kopfballstarke Mittelstürmer klassischen Zuschnitts. Dazu kommt Beier, der zwar schnell ist, mit 72 Kilogramm verteilt auf 185 Meter Körpergröße aber eher filigran gebaut ist.

Der Dortmunder gehörte ursprünglich auch gar nicht zum Kader, sondern wurde von Nagelsmann nachnominiert, nachdem Füllkrug mit einer Wadenverletzung abreisen musste. Kleindienst steht nach einer Meniskus-OP ebenfalls noch nicht zur Verfügung.

Weitere Kandidaten, die in die Fußstapfen berühmter und gefürchteter Mittelstürmer im DFB-Trikot wie Miroslav Klose, Oliver Bierhoff, Jürgen Klinsmann oder Rudi Völler treten könnten, sind Mangelware.

Wer soll neben Joshua Kimmich ins Mittelfeld?

Auch im Mittelfeld hat Nagelsmann die Idealbesetzung noch nicht gefunden. Dass Kapitän Joshua Kimmich zentral vor der Abwehr spielt, ist beschlossene Sache. Aber wer füllt den Platz neben und vor dem Bayern-Profi aus? Angelo Stiller vom VfB Stuttgart und Leon Goretzka konnten gegen die Slowakei - wie das gesamte Team - nicht überzeugen.

Der Dortmunder Pascal Groß machte seine Sache gegen Nordirland besser. Leverkusens neuer Kapitän Robert Andrich, eigentlich ein Spieler, der wie von Nagelsmann gefordert "alles reinschmeißt", durfte keine einzige Minute spielen. Auch der Mainzer Paul Nebel, zentral eine offensivere Variante, muss auf sein Debüt im DFB-Trikot noch warten.

Kaum Alternativen auf der rechten Abwehrseite

Durch die Rochade Kimmichs auf die zentrale Position hat Nagelsmann zudem auf der rechten Abwehrseite eine neue Baustelle geöffnet. Die Liste der Spieler, die man dort guten Gewissens einsetzen kann, ist kurz. In der Slowakei testete Nagelsmann den jungen Frankfurter Nnamdi Collins - und brach diesen Test nach 45 Minuten ab.

Spielszene Nnamdi Collins im Zweikampf mit David Hancko im Spiel gegen die Slowakei
Nagelsmanns Experiment mit Nnamdi Collins auf der rechten Abwehrseite gegen die Slowakei scheiterte Bild: Marvin Ibo Güngör/GES/picture alliance

Beste Alternative scheint Leipzigs Benjamin Henrichs zu sein. Allerdings erholt sich der 28-Jährige gerade von einem Riss der Achillessehne, den er vergangenen Dezember erlitt. Im Oktober könnte er wieder einsatzfähig sein, muss aber wahrscheinlich erst noch nachweisen, dass er nach der langen Pause wieder in Topform ist.

Attraktiv erschien daher auch die Variante, die Nagelsmann gegen die Nordiren wählte: hinten eine Dreierkette aus drei Innenverteidigern und Jamie Leweling als eher offensiv orientieren rechten Schienenspieler. Leweling habe "immer was probiert" und die Mannschaft "mit seiner Lust mitgerissen", so Nagelsmann.

Rüdiger und Tah als Innenverteidiger gesetzt? 

Fraglich ist dann allerdings noch, wer die drei Innenverteidiger sein sollen. Antonio Rüdiger, eigentlich der Abwehrchef und gesetzt, war in der Slowakei ein Totalausfall und ermöglichte auch gegen Nordirland mit einem Fehler den Eckstoß, der zum Gegentor führte. Neben Rüdiger ist eigentlich auch Jonathan Tah gesetzt. Allerdings zeigte der Neu-Münchener in Bratislava einen so schwachen Auftritt, dass er gegen Nordirland zunächst draußen blieb.

Antonio Rüdiger und Jonathan Tah nebeneinander bei der Nationalhymne
Deutschlands Innenverteidiger-Pärchen? Antonio Rüdiger und Jonathan Tah konnten nicht glänzenBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Die Alternativen Waldemar Anton (Dortmund) und Robin Koch (Frankfurt) müssen ihre Klasse auf höchstem Niveau erst noch nachweisen. Mit Nico Schlotterbeck gibt es einen weiteren, spielstarken Kandidaten. Der BVB-Innenverteidiger riss sich im Sommer den Meniskus und ist nach gut verlaufener OP ab Herbst wieder spielbereit.

Baumann als verlässlicher Ersatz für ter Stegen

Keine Sorgen machen muss sich der Bundestrainer dagegen auf der Torwartposition. Zwar ist Stammkeeper Marc-André ter Stegen gerade verletzt und es droht ihm beim FC Barcelona eine Saison auf der Bank oder gar der Tribüne, doch lieferte dessen Vertreter ein starkes Bild ab.

"Wir haben für zwei Spiele auch gesehen, dass Olli ein guter Torwart ist, also muss auch keiner hektisch werden", sagte Nagelsmann über Oliver Baumann, den er für die sechs WM-Qualifikationsspiele zur Nummer eins erklärt hatte.

Deutschlands Torwart Oliver Baumann ballt nach dem Schlusspfiff gegen Nordirland jubelnd die Faust
Starker Rückhalt und erste Alternative für Stammtorhüter Marc-André ter Stegen: Oliver BaumannBild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Ob er danach ter Stegen wieder weichen muss, hängt von dessen Heilungsverlauf nach Rücken-OP und dessen Situation im Verein ab. "Marc soll sich die Zeit nehmen, die er braucht. Die Reha läuft gut und ich glaube auch, dass er ein bisschen früher wieder einsteigen kann als anfangs vermutet", sagte Nagelsmann, forderte aber auch, dass ter Stegen regelmäßig Einsätze im Verein haben müsse, um wieder auf seinen Stammplatz im deutschen Tor zurückzukehren.

"Er ist dann die Nummer eins, wenn er spielt", sagte der Bundestrainer. Die Torwartposition sei "superdelikat". Man brauche "schon Rhythmus". Beim FC Barcelona, mit dem ter Stegen im Zuge der aktuellen Verletzung in Streit geriet, ist der Deutsche laut Medienberichten nur noch die Nummer drei hinter Neuverpflichtung Joan Garcia und und dem polnischen Routinier Wojciech Szczesny.

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Deutschland - Nordirland 3:1 (1:1)

Tore: 1:0 Gnabry (7.), 1:1 Price (34.), 2:1 Amiri (69.), 3:1 Wirtz (72.)

Zuschauer in Köln: 43.169