Deutschland und Iran: von Annäherung zur Eiszeit
Zwischen Diplomatie, Protest und politischem Konflikt: Die deutsch-iranischen Beziehungen reichen weit zurück - geprägt von anfänglicher Nähe und späteren tiefen Rissen.
Frühe Annäherung: Persischer Schah in Berlin
Schah Mozaffar ad-Din zu Gast in Berlin. Der Besuch im Jahr 1902 markiert eine frühe Etappe in den deutsch-iranischen Beziehungen, als das damalige Persien (ab 1935 offiziell: Iran) politische und wirtschaftliche Kontakte zu europäischen Mächten intensiviert. Die Beziehungen zwischen Künstlern und Geschäftsleuten beider Länder reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück.
Mit Rückenwind aus Deutschland: Flugzeuge für den Schah
Ende der 1920er Jahre landen deutsche Junkers-Flugzeuge in Teheran. 1927 bekam Hugo Junkers die Genehmigung, den Flugverkehr in Persien aufzubauen. Es ist der Beginn der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Weimarer Republik und dem persischen Kaiserreich. Deutschland spielt in den kommenden Jahrzehnten eine wichtige Rolle bei der Industrialisierung des Landes.
Zu deutschfreundlich in Kriegszeiten: Schah wird abgesetzt
Im Ersten und Zweiten Weltkrieg ist der Iran neutral, aber deutschfreundlich - als Gegengewicht zum britischen und russischen Einfluss. Unter Reza Schah wird Deutschland wichtigster Partner. 1941 besetzen Briten und Sowjets den Iran, stürzen den Schah und setzen seinen Sohn Mohammad Reza (hier eine Aufnahme von 1946) ein. Auf Druck der Besatzer erklärt der Iran später Deutschland den Krieg.
Historischer Besuch im Kalten Krieg: Der Schah in der jungen Bundesrepublik
Während des Kalten Krieges gilt der Iran als wichtiger Partner: reich an Öl, modernisierungsbereit und als Grenzstaat zur Sowjetunion von zentralem Interesse für den Westen. Im Februar 1955 wird Schah Mohammad Reza Pahlavi in der damaligen Hauptstadt Bonn empfangen. Er wird flankiert von seiner Gattin Soraya, Bundespräsident Theodor Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer (ganz rechts).
Annäherung in Bonn: Diplomatische Beziehungen nehmen Fahrt auf
Beim Staatsbesuch des Schahs begegnen sich auch Bundespräsident Theodor Heuss und Kaiserin Soraya, die fließend deutsch spricht: Ihre Mutter stammt aus Berlin. 1952 nahmen die Bundesrepublik und der Iran diplomatische Beziehungen auf. Die beiden Länder pflegen enge, vor allem wirtschaftliche Kontakte. "Made in Germany" ist im Iran hoch angesehen.
Blick über die innerdeutsche Grenze: Premierminister Amini an der Berliner Mauer
Während des Kalten Krieges ist das geteilte Berlin ein Symbol für den Ost-West-Konflikt. Im Februar 1962 besucht der iranische Premierminister Ali Amini (vorne links) die Stadt. Am Potsdamer Platz blickt er über die Mauer, die die Stadt teilt, und zeigt damit seine Verbundenheit mit der Bundesrepublik. Der Besuch ist auch ein Zeichen, dass der Iran die Teilung Europas aufmerksam beobachtet.
Protest und Gewalt: der Tod von Benno Ohnesorg
Am 2. Juni 1967 demonstrieren Studierende in West-Berlin gegen den Besuch des Schahs - aus Protest gegen Repression und Folter im Iran. Bei der gewaltsamen Auflösung der Demonstration wird der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Der Vorfall radikalisiert die Studentenbewegung und wirft einen ersten Schatten auf die bilateralen Beziehungen.
Die Rückkehr Chomeinis: Revolutionärer Einschnitt für Deutschland und Iran
Mit der Rückkehr Ajatollah Chomeinis 1979 und dem Sturz des Schahs endet eine Ära enger deutsch-iranischer Partnerschaft. Die Islamische Republik wendet sich vom Westen ab. Damit verliert Deutschland einen strategischen Verbündeten. Dennoch bestehen die diplomatischen und wirtschaftlichen Kontakte weiter, wenn auch unter sehr schwierigen Bedingungen.
Brisante Geschäfte: Deutschlands Rolle im Iran-Irak-Krieg
Iranische Soldaten mit Gasmasken im Irak-Iran-Krieg (1980-1988). Ab Mitte der 1980er Jahre liefern deutsche Firmen chemietechnische Anlagen und Vorprodukte an den Irak. Das Regime von Saddam Hussein nutzt sie für die Produktion von Giftgas, das gegen den Iran eingesetzt wird. Die deutsche Beteiligung an Iraks Aufrüstung bleibt bis heute ein Thema politischer und moralischer Verantwortung.
Politischer Mord im Exil: Das "Mykonos"-Attentat
Im griechischen Restaurant "Mykonos" in Berlin werden am 17. September 1992 vier iranisch-kurdische Oppositionelle ermordet. Ein deutsches Gericht macht später den iranischen Staat mitverantwortlich. Die zwei Haupttäter werden zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Anschlag stürzt die deutsch-iranischen Beziehungen in eine schwere Krise. EU-Staaten rufen ihre Botschafter aus Teheran zurück.
Hoffnung in schwierigen Zeiten: Fischer trifft Chatami
Im Oktober 2001 trifft Außenminister Joschka Fischer den iranischen Präsidenten Mohammad Chatami in Teheran. Unter Chatami öffnet sich der Iran außenpolitisch und strebt sanfte Reformen an. Deutschland setzt auf Dialog und wirbt für Menschenrechte - trotz Spannungen mit den Hardlinern, wie Chomeinis Nachfolger Ali Chamenei, das politische und religiöse Oberhaupt.
Gefährliche Pläne: Irans Atomprogramm löst Besorgnis im Westen aus
Bereits unter dem Schah beginnt der Iran in den 1950er Jahren sein Atomprogramm. Nach der Revolution 1979 wird es fortgesetzt – offiziell für zivile Zwecke. Ab 2002 rückt es wegen geheimer Anreicherungsanlagen ins internationale Blickfeld. Westliche Staaten befürchten den Bau von Atomwaffen.
Deutscher Außenminister im Iran: Signale der Annäherung
Im Juli 2015 besucht Außenminister Sigmar Gabriel den Basar von Isfahan. Kurz zuvor ist das Abkommen zur Begrenzung des iranischen Atomprogramms vereinbart worden. Viele deutsche Politiker reisen in dieser Phase der Öffnung in den Iran, um die Beziehungen auszubauen. Doch 2018 steigen die USA aus dem Abkommen aus und die Wiederannäherung gerät ins Stocken.
Iran boykottiert Buchmesse: Der Fall Salman Rushdie 2015
Der Stand mit iranischen Verlagen bleibt auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2015 leer. Der Iran sagte seine Teilnahme ab, nachdem der Autor Salman Rushdie zur Buchmesse eingeladen worden war. Wegen seines Romans "Die satanischen Verse" hatte Ajatollah Chomeini 1989 eine Fatwa gegen Rushdie verhängt – ein religiöses Todesurteil, das internationale Spannungen auslöste.
Protest in Berlin: Solidarität mit der Frauenbewegung im Iran
Nach dem Tod der Iranerin Jina Mahsa Amini im September 2022 gehen weltweit Menschen auf die Straße - wie hier in Berlin. Die Parole "Jin, Jiyan, Azadî" ("Frau, Leben, Freiheit") wird zum Symbol des Widerstands gegen das iranische Regime. Amini war in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht korrekt trug - kurz darauf starb sie in Polizeigewahrsam.
Oppositioneller entführt: Prozess gegen Sharmahd empört Deutschland
Jamshid Sharmahd, ein iranisch-deutscher Oppositioneller, wird 2020 vom iranischen Geheimdienst in Dubai entführt. 2023 verurteilt ihn ein iranisches Revolutionsgericht wegen angeblicher Terrorvergehen zum Tode. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einem Schauprozess. Deutschland fordert seine Freilassung - vergeblich.
Nach Hinrichtung: Beziehungen auf historischem Tiefstand
Alle Proteste nutzen nichts. Am 28. Oktober 2024 wird Sharmahd hingerichtet. Angehörige gedenken seiner bei einer Trauerfeier in Berlin (Bild). Die damalige Außenministerin Annalena Baerbock lässt die drei iranischen Generalkonsulate in Frankfurt, Hamburg und München schließen. Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran sind auf einem historischen Tiefpunkt angekommen.
"Drecksarbeit" für den Westen: Merz' Worte sorgen für Wirbel
Beim G7-Gipfel in Kanada im Juni 2025 unterstützt Kanzler Merz die israelischen Luftangriffe auf Iran mit den Worten, Israel mache "die Drecksarbeit für uns alle". Iran bringe "Tod und Zerstörung über die Welt". Teheran reagiert empört und bestellt den deutschen Botschafter ein. Zwischen beiden Staaten herrscht diplomatische Eiszeit, abgesehen von wenigen kulturellen Kontakten.