Deutschland: Schuldenbremse lockern, was heißt das?
Veröffentlicht 13. Februar 2025Zuletzt aktualisiert 5. März 2025An fehlendem Geld ist schon viel gescheitert. Auch die bisherige Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP. Bei der Aufstellung des Haushalts für 2025 fehlten 25 Milliarden Euro. Sozialdemokraten und Grüne wollten das Loch mit Krediten füllen, die FDP lehnte neue Schulden kategorisch ab und wollte bei den Sozialausgaben sparen. Da sich die drei Parteien nicht einigen konnten, zerbrach die Koalition im November 2024.
Einen Haushalt für 2025 hat Deutschland deshalb nicht. Das ist eine der ersten Aufgaben für die neue Bundesregierung. Die konservativen Parteien CDU und CSU, die zusammen eine Union bilden, haben die Bundestagswahl gewonnen. Mit der SPD sprechen sie über eine Koalition. Erstes Thema waren die Finanzen. Am Dienstag (04.03.) einigten sich die drei Parteien auf ein milliardenschweres Finanzpaket, das sie im noch amtierenden alten Bundestag zur Abstimmung bringen wollen. 500 Milliarden Euro, finanziert über Kredite, sollen in den nächsten zehn Jahren in die marode deutsche Infrastruktur investiert werden. Außerdem soll die Schuldenbremse geändert werden, um Verteidigungsausgaben in unbegrenzter Höhe möglich zu machen.
Was ist die Schuldenbremse?
Der Staat darf nur ausgeben, was er eingenommen hat, das steht in der deutschen Verfassung - in Artikel 115 des Grundgesetzes. Die Schuldenbremse erlaubt Kredite nur in geringem Rahmen, bis zu 0,35 Prozent der Wirtschaftskraft. Ausnahmen gibt es nur in Notsituationen, bei Naturkatastrophen und in schweren Wirtschaftskrisen.
Doch die Steuereinnahmen reichen nicht mehr aus, um alle anstehenden staatlichen Aufgaben zu bezahlen. Wachsende Militärausgaben, die Unterstützung der Ukraine, die Sanierung der kaputten Infrastruktur, die klimafreundliche Transformation des Landes, die hinkende Digitalisierung - das alles verschlingt Milliardensummen.
Union findet die Schuldenbremse richtig
CDU/CSU wollen grundsätzlich an der Schuldenbremse festhalten, vor der Bundestagswahl schlossen sie auch jede Änderung kategorisch aus. "Wie weit wollen wir das eigentlich noch treiben mit unserer Verschuldung?", fragte CDU-Chef Friedrich Merz, der voraussichtlich künftige Bundeskanzler, im Wahlkampf. "Ich bin der Meinung, wir haben hier auch eine Verpflichtung unseren Kindern gegenüber, die müssen das irgendwann mal zurückzahlen."
2024 nahm der Bund rund 440 Milliarden Euro aus Steuern ein. Rechnet man die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen, dann waren es rund 960 Milliarden Euro. Damit müsse man doch auskommen können, argumentiert die Union. "Wir werden Prioritäten im Haushalt neu setzen müssen, das heißt, dass wir uns nicht mehr alles wünschen können", sagte Merz.
Sparen und die Wirtschaft ankurbeln
Subventionen müssten abgebaut und die öffentliche Verwaltung verkleinert werden. Einsparpotenziale sieht die Union vor allem auch bei den Sozialausgaben. Statt staatliche Unterstützung zu beziehen, sollten mehr Menschen wieder arbeiten.
Die Union setzt zudem darauf, über Wirtschaftswachstum die Steuereinnahmen zu steigern. Doch im Jahreswirtschaftsbericht geht die Bundesregierung für 2025 nur von 0,3 Prozent Wachstum aus, 2026 sollen es 1,1 Prozent sein. Daran werde sich perspektivisch so schnell nichts ändern, warnen Wirtschaftsexperten.
Flexiblere Handhabung der Schuldenbremse?
SPD, Grüne, Gewerkschaften, aber auch viele Bundesländer und Wirtschaftsverbände forderten schon vor der Bundestagswahl, die Begrenzung der Kreditaufnahme für Investitionen zu lockern. Die Schuldenbremse nennen sie eine "Zukunftsbremse". Deutschland spare sich kaputt.
Die Bundesrepublik könne sich eine höhere Verschuldung leisten. "Die USA haben Staatsschulden von über 120 Prozent der Wirtschaftsleistung, Deutschland sinkt Richtung 60 Prozent," rechnete der noch amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz vor der Wahl vor. Auch andere wirtschaftsstarke Länder wie Italien, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Japan hätten über 100 Prozent Staatsverschuldung.
Verteidigungsausgaben: Steigende Kosten für die Bundeswehr
Militärausgaben sind ein immer größerer Kostenfaktor. Nach dem Fall der Mauer wurde die Bundeswehr über viele Jahre verkleinert und immer schlechter finanziert. Als die NATO-Staaten 2014 vereinbarten, jährlich zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also der Wirtschaftsleistung, für Verteidigung aufzuwenden, war Deutschland von diesem Ziel weit entfernt.
Als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfiel, bewilligte der Bundestag ein kreditfinanziertes Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro, um die Bundeswehr aufzurüsten. Das Geld soll über mehrere Jahre zusätzlich zum jährlichen Verteidigungsetat ausgegeben werden. 2024 belief sich der Etat auf 52 Milliarden Euro, dazu kamen 20 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen.
2027 werden die 100 Milliarden Euro voraussichtlich aufgebraucht sein. Gleichzeitig steigt absehbar die NATO-Quote. Neuesten Berechnungen aus Brüssel zufolge sollen mehr als drei Prozent des BIP erforderlich sein, um die Bündnisfähigkeit erhalten zu können.
AfD und Linke können Grundgesetzänderungen blockieren
Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes belief sich das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 auf rund 4,3 Billionen Euro. Zwei Prozent davon sind 86 Milliarden Euro. Mehr als drei Prozent wären bis zu 150 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der gesamte Bundeshaushalt 2024 belief sich auf 474 Milliarden Euro.
An diesen Zahlen können auch CDU/CSU nicht vorbei. Doch eine Reform der Schuldenbremse wird im neuen Bundestag schwierig. Die liberale FDP wird nicht mehr vertreten sein. Union, SPD und Grüne werden zusammen keine Zweitdrittelmehrheit mehr haben, die man für eine Änderung des Grundgesetzes braucht.
Die Linke will keine Militärausgaben finanzieren
Die extrem rechte AfD und die Linke haben eine Sperrminorität und können alles blockieren, wofür der Bundestag eine Zweidrittelmehrheit braucht. Die AfD ist strikt gegen eine Lockerung der Schuldenbremse. Die Linkspartei würde sie gerne abschaffen, allerdings nur, um mehr Geld für Sozialausgaben zu haben. Für Aufrüstung werde man nicht stimmen, heißt es.
Die Schuldenbremse mit dem alten Bundestag noch schnell reformieren, das schlug der noch amtierende grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck bereits am Tag nach der Bundestagswahl vor. Das Parlament ist in der bisherigen Zusammensetzung so lange arbeitsfähig, bis sich der neue Bundestag konstituiert. Das wird am 25. März sein.
Mehrheit der Bürger will die Schuldenbremse lockern
Finanzwissenschaftler warnen allerdings davor, die Staatsschulden zu weit steigen zu lassen. "Damit würde sich Deutschland rasch zu den Hochschuldenstaaten der EU gesellen", sagte der Experte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Friedrich Heinemann, der Nachrichtenagentur Reuters. Er rechnet vor, dass Deutschlands Schuldenquote 2034 die 100-Prozent-Marke überschreiten könnte. "Die Einigung von Union und SPD auf eine Reform der Schuldenbremse sendet in der Verteidigungspolitik ein wichtiges Signal des Beistands an die Ukraine. Dies ist zu begrüßen", sagte Heinemann. "Allerdings gehen die anvisierten Lockerungen der Schuldenbremse viel zu weit."
Und was meinen die Bürger?Mögliche Änderungen an der Schuldenbremse galten über Jahre als äußerst unpopulär. Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sind aktuell aber 55 Prozent der Deutschen dafür, die Schuldenbremse zu reformieren oder sie sogar ganz abzuschaffen. Nur noch 42 Prozent wollen unverändert an ihr festhalten.
Dieser Artikel wurde am 13. Februar erstmals veröffentlicht und am 06. März zuletzt aktualisiert.