Schlagabtausch im Bundestag zur Änderung des Grundgesetzes
13. März 2025Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Lars Klingbeil, hat nochmals eindringlich dafür geworben, die geplanten Milliarden-Kredite für Verteidigung und Infrastruktur im Paket zu beschließen. Investitionen in die Sicherheit und in die Infrastruktur Deutschlands gehörten zusammen, betonte er in der ersten Debatte zu den geplanten Grundgesetzänderungen. Das Parlament war noch in seiner alten Zusammensetzung zusammengekommen.
Auf Deutschland komme angesichts des Kurswechsels in den USA sicherheitspolitisch eine Führungsrolle zu, sagte Klingbeil. Es gehe darum, die Verteidigungsfähigkeit Europas so stark zu machen, dass man nie wieder Krieg führen müsse.
Klingbeil warnte davor, eine historische Chance leichtfertig zu verspielen. Die konservative Union aus CDU und CSU und die Sozialdemokraten gingen deshalb bereits auf die Grünen zu. Er wolle, dass mit den Geldern aus dem geplanten Investitionstopf auch Klimaschutz finanziert werde.
Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse
Union und SPD wollen als künftige Partner in einer Regierungskoalition Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent der Wirtschaftsleistung in Deutschland von der Schuldenbremse ausnehmen.
Zudem soll ein Sondervermögen für die Infrastruktur über 500 Milliarden Euro aufgelegt werden. Und schließlich soll auch die Schuldenbremse für die Bundesländer gelockert werden.
Für die Vorhaben muss das Grundgesetz geändert werden, wofür eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderlich ist. Union und SPD verfügen zusammen nicht über diese Mehrheit. Sie sind auf die Stimmen von den Grünen oder der liberalen FDP angewiesen, die bereits abgewunken hat.
Merz drängt nochmals zur Eile
Der vermutlich nächste Bundeskanzler, Unionsfraktionschef Friedrich Merz, machte in seiner Rede deutlich, angesichts der "besorgniserregenden Sicherheitslage in Europa und angesichts der immer größer werdenden wirtschaftlichen Herausforderungen" duldeten weitreichende Entscheidungen keinen Aufschub mehr.
Absoluten Vorrang habe die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit des Landes, sagte Merz und verwies auf den Krieg in der Ukraine, die Entwicklungen in den USA, Angriffe auf die deutsche Infrastruktur oder Drohnenüberflüge über Bundeswehrkasernen. Es finde ein hybrider Krieg statt, der in den vergangenen Wochen massiv eskaliert sei.
Der CDU-Chef bot im Bundestag an, die Schuldenbremse nicht nur für Verteidigung, sondern auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste zu lockern. Außerdem schlug er vor, einen Teil des geplanten 500 Milliarden Euro schweren Infrastruktur-Sondertopfs fest für den Klimaschutz vorzusehen.
Grüne erteilen eine Abfuhr
Die Grünen verlangten nochmals weitere Änderungen an dem Finanzpaket und machten davon auch ihre Zustimmung abhängig. Co-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte direkt an Merz gewandt, die Grünen stimmten der derzeitigen Vorlage nicht zu, "weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen können".
Die Grünen hätten der Union vor der Wahl mehrfach angeboten, die Schuldenbremse zu reformieren, dies sei immer abgelehnt worden. Merz habe dabei nur aus Parteitaktik, Kalkül und wegen des Wahlkampfs gehandelt und nicht zum Wohle Deutschlands.
Eigentümlich sei auch die Haltung, allein die Grünen für Klimaschutz kämpfen zu lassen, so Dröge weiter.
Für die Freien Demokraten warf FDP-Fraktionschef Christian Dürr Merz vor, eine linke Wirtschaftspolitik machen zu wollen. Die Vorschläge von CDU/CSU und SPD führten zu einer höheren Inflation und gefährdeten die Tragfähigkeit der europäischen Finanzen, sagt Dürr im Plenum. Vieles davon sei vor allem von den Grünen in der vergangenen Legislaturperiode bereits vorgeschlagen worden, und jetzt wolle Merz dies umsetzen.
Weidel spricht von finanzpolitischem Staatsstreich
Die Vorsitzende der in Teilen rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD), Alice Weidel, warf Merz einen "finanzpolitischen Staatsstreich" vor. Die Pläne bedeuteten das "größte Schuldenpaket seit Bestehen der Bundesrepublik", sagte Weidel vor den Parlamentariern.
Die massive Schuldenaufnahme gefährde die Kreditwürdigkeit Deutschlands und müsse von den "Menschen in diesem Land durch höhere Zinsen auf Hypotheken, durch höhere Mieten und steigende Preise" bezahlt werden. "Noch kein Bewerber für das Kanzleramt hat in so kurzer Zeit so viele Wahlversprechen gebrochen wie Sie, Herr Merz", fügte Weidel hinzu.
Finale Abstimmung für Dienstag vorgesehen
Die endgültige Abstimmung im Bundestag über das Gesetzespaket ist für den 18. März geplant. Allerdings steht noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an, das sich damit beschäftigt, ob der alte Bundestag mit so kurzen Fristen und wenig Zeit überhaupt noch eine Grundgesetzänderung beschließen darf. AfD und Die Linke haben in Karlsruhe geklagt.
Am 25. März tritt der neue Bundestag zusammen. Dort wären Union und SPD bei ihrem Vorhaben auf die Stimmen von AfD und Linkspartei angewiesen.
Scheitern könnte das Vorhaben auch noch am Bundesrat, der Länderkammer, der ebenfalls mit zwei Dritteln der Stimmen Ja sagen muss. Die sind aktuell auch noch nicht sicher.
se/sti (phoenix, dpa, afp, rtr)