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PolitikEuropa

Deutschland schickt Flugzeuge für Gaza-Hilfe aus der Luft

29. Juli 2025

Immer heftiger wird die internationale Kritik am harten Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen. Deutschland will sich von Jordanien aus an einer Luftbrücke mit Lebensmitteln und Medikamenten beteiligen.

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Deutschland Berlin 2025 | Treffen zwischen Friedrich Merz und König Abdullah II. von Jordanien
Bundeskanzler Friedrich Merz empfing am Dienstag Jordaniens König Abdullah II. im Kanzleramt in Berlin - und sprach mit ihm über die geplante Luftbrücke für GazaBild: Ebrahim Noroozi/AP Photo/picture alliance

Die internationale Kritik an der Kriegsführung Israels im Gazastreifen wird immer schärfer. Auch die deutsche Bundesregierung verliert offenbar langsam die Geduld mit der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Am Montag hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU)  in Berlin sein Sicherheitskabinett zusammengerufen, um über die Lage der hungernden Menschen im Gazastreifen zu beraten.

Danach fand Merz in einem kurzen Statement deutliche Worte: "Israel muss die katastrophale Situation in Gaza sofort umfassend und nachhaltig verbessern. Israel muss der leidenden Zivilbevölkerung schnell, sicher und ausreichend humanitäre und medizinische Hilfe zukommen lassen." Er forderte: "Es braucht jetzt einen umfassenden und nicht nur einen kurzfristigen Waffenstillstand in Gaza. Und dazu muss die Hamas den Weg endlich frei machen. Auch die israelische Regierung selbst muss alles in ihrer Macht stehende tun, um das zu erreichen."

Eine Luftbrücke von Jordanien aus 

Zum Sicherheitskabinett gehören neben dem Kanzler und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) auch die Minister für Äußeres, Inneres und Verteidigung, dazu der Chef der Kanzleramtes sowie Vertreter der Geheimdienste. Die Sitzung diente in erster Linie dazu, eine einheitliche Sprachregelung der Regierung in der auch in Deutschland immer hitziger werdenden Debatte um den Gaza-Krieg zu finden.

Der deutschen Regierung war wohl in den vergangenen Tagen immer klarer geworden, dass sie - zusammen mit Frankreich und Großbritannien - energischer auf eine Besserung der humanitären Versorgung der rund zwei Millionen Menschen in den schmalen Küstenstreifen am Mittelmeer drängen muss. Merz kündigte an, zusammen mit den Regierungen in London und Paris eine Luftbrücke von Jordanien aus zu organisieren, um Hilfspakete über Gaza abzuwerfen.

Am Dienstag empfing Merz in Berlin den jordanischen König Abdullah II. Auch bei diesem Treffen ging er auf die Hilfe aus der Luft ein. Merz erklärte, zwei Bundeswehr-Maschinen vom Typ Airbus A400M seien bereits auf dem Weg nach Jordanien. Vielleicht schon Mitte der Woche, spätestens aber am kommenden Wochenende könnten dann erste Hilfsflüge starten.

Hilfesuchende sterben an Sammelstellen im Gazastreifen 

Eine ähnliche Aktion hatte auch die alte, abgewählte Regierung von SPD, Grünen und FDP im März vergangenen Jahres gestartet. Hilfsorganisationen haben solche Hilfsflüge wiederholt als ungenügend kritisiert. Auch Merz machte deutlich, dass es besser wäre, die Menschen wieder mit genügend Lieferungen über den Landweg zu versorgen.

Der Kanzler sagte zur Luftbrücke: "Wir wissen, dass das für die Menschen in Gaza nur eine ganz kleine Hilfe sein kann, aber immerhin ist es ein Beitrag, den wir gerne leisten wollen." In den letzten Tagen hatte Israel nach eigenen Angaben wieder insgesamt rund 250 Lastkraftwagen über die Grenzen in den Gaza-Streifen passieren lassen. Experten schätzen allerdings den täglichen Bedarf an LKW-Ladungen auf rund 500 Transporte.

Lange Wochen vor den nun wieder gestarteten Hilfen waren kaum noch Lieferungen erfolgt. Hilfsorganisationen berichteten von hungernden Menschen, von Hilfesuchenden, die starben, als sie an Ausgabestellen auf Nahrungsmittel hofften, von Menschen, die dort erschossen wurden. Zuletzt hatte Premier Netanjahu kurze Feuerpausen in den Teilen des Gazastreifens angeordnet, in denen die Armee nicht im Einsatz ist.

In der Dunkelheit sind auf einer Straßen einige Menschen von hinten zu sehen, die Säcke auf den Schultern oder dem Kopf tragen
Im Schutz der Nacht tragen Menschen im Gaza-Streifen Hilfspakete. Deutschland will den Bedrängten jetzt mit einer Luftbrücke von Jordanien aus helfenBild: Eyad Baba/AFP/Getty Images

Deutschlands "Staatsräson" für Israel

Im politischen Berlin ist der Nahost-Konflikt jeden Tag ein Thema - auch in der Sommerpause. Für Deutschland ist dieses Thema äußerst heikel: Als Folge des Holocaust, der Ermordung von sechs Millionen europäischer Juden während der Nazi-Diktatur, ist die Verteidigung des Existenzrechts Israels deutsche Staatsräson - also klare Leitlinie für jede deutsche Nachkriegsregierung. Allerdings hatte Merz schon kurz nach seinem Amtsantritt Anfang Mai gesagt, er verstehe nicht mehr, welche Ziele Israel in Gaza verfolge.

Bundeskanzler Merz kündigt Luftbrücke für Gaza an

Doch während andere Staaten konkrete Schritte gegen die Regierung in Israel einleiteten, blieb auch die neue deutsche Regierung stets bei der gleichen Wortwahl: Israel habe das Recht, sich nach dem mörderischen Terrorangriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 zu verteidigen.

Als Frankreichs Präsident Macron am Freitag ankündigte, im September einen palästinensischen Staat anerkennen zu wollen, verlautete aus Berlin sofort, das komme für Deutschland nicht in Frage. Merz wiederholte das Anfang der Woche: "Für die Bundesregierung steht dazu jetzt keine Entscheidung an. Eine Anerkennung betrachten wir nicht als einen ersten, sondern als einen der möglicherweise abschließenden Schritte hin zur Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung."

Merz behält sich "weitere Maßnahmen" gegen Israel vor

Dass die Bundesregierung ihre eher abwartende Haltung revidieren würde, wurde am vergangenen Wochenende klar: Merz telefonierte mit Netanjahu, mit Macron und dem britischen Premier Keir Starmer. Schon am Freitagabend hatten Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine Erklärung veröffentlicht, in der sie von Israel ein Kriegsende in Gaza und einen Verzicht auf die Annexion von Gebieten im besetzten palästinensischen Westjordanland fordern.

Mit einer härteren Gangart gegenüber der Regierung Netanjahu reagiert die Regierung Merz auch auf jüngste Umfragen: Im "ARD-Deutschlandtrend" des Meinungsforschungsinstitutes infratest-dimap vom Juni hatte eine große Mehrheit der Befragten angegeben, Israel nicht mehr vertrauen zu können.

Bundeskanzler Merz kündigte weitere "Maßnahmen im Lichte der Ereignisse" an, wenn sich Israel nicht bewege. Welche Maßnahmen das sein könnten, ließ er offen. Denkbar wäre ein Stopp einiger deutscher Waffenlieferungen oder die Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel.