Deutsche Jugoslawiens wünschen doppelte Staatsbürgerschaft
8. Dezember 2001Belgrad, den 4.12.2001, BETA, serb., aus Novi Sad
Die Vertreter der deutschen nationalen Minderheit in der Vojvodina haben heute (4.12.) den Minderheiten-Gesetzentwurf unterschiedlich bewertet. Sie einigten sich allerdings darauf, dass die doppelte Staatsbürgerschaft ein grundlegendes Recht der nationalen Minderheiten in der Bundesrepublik Jugoslawien sei.
Der Vorsitzende des Deutschen Vereins "Donau" in Novi Sad Andreas Bürgermayer sagte gegenüber der Agentur BETA, "Europa sollte begreifen, dass jeder Bürger, der außerhalb seines Herkunftslandes lebt, auch die Staatsbürgerschaft seines Herkunftslandes besitzen sollte. Die meisten europäischen Staaten sind multiethnisch und die Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft für nationale Minderheiten würde zu einer beschleunigten Integration Europas beitragen". Anlässlich der bevorstehenden Debatte über den Gesetzentwurf über nationale Minderheiten sagte er, die Herkunftsländer seien nicht willens, positive Schritte im Hinblick auf die doppelte Staatsbürgerschaft zu unternehmen, gleichzeitig betrachteten die Länder, in denen bestimmte nationale Minderheiten leben, die doppelte Staatsbürgerschaft als "feindselige Geste". "Weder die einen noch die anderen sind im Recht. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist insbesondere auf dem Balkan ein außerordentlich wichtiger Bestandteil für die Stabilisierung nicht nur der politischen Lage, sondern auch der seelischen Befindlichkeit der Menschen", schätzte Bürgermayer ein. Ihm zufolge bestehe der Hauptmangel des Bundesgesetzentwurfes darin, dass lediglich prinzipiell bestimmt werde, wer die nationalen Minderheiten in der Bundesrepublik Jugoslawien seien. "Falls nicht genau aufgeführt wird, auf welche nationalen Minderheiten sich das Gesetz bezieht, so finden wir, sollte das Gesetz nicht verabschiedet werden. Denn in naher Zukunft könnte erklärt werden, dass dies der Staat der Serben sei, da wir dem Gesetzentwurf nach nicht einmal wissen, welche nationalen Minderheiten im Lande existieren", sagte Bürgermayer.
Nach Einschätzung des Vorsitzenden des Deutschen Volksbundes aus Subotica, Rudolf Weiß, genügt der Bundesgesetzentwurf für nationale Minderheiten "wenigstens auf dem Papier" höchsten europäischen Standards. "Auf dem Papier ist dieses Gesetz ausgesprochen liberal, wir sind jedoch äußerst besorgt darüber, welche Gesetzeszusätze im Bundesparlament noch verabschiedet werden. Da wir die Zusammensetzung des Bundesparlaments kennen, befürchten wir, dass zu Gunsten eines politischen Kompromisses Zusätze verabschiedet werden könnten, die bestimmte Rechte, die nun großzügig in diesem Entwurf eingeräumt wurden, gestrichen werden könnten", sagte Weiß. Ihm zufolge wäre die Erlangung des Status der nationalen Minderheit für die Deutschen "eine symbolische moralische Genugtuung, nach all den verbrecherischen AVNOJ-Bestimmungen (AVNOJ ist der Antifaschistische Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens. Bei seiner ersten Sitzung wurde am 29. November 1943 in Jajce, heute Bosnien-Herzegowina, die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien gegründet. Auf der Sitzung dieses Rates am 21. November 1944 in Belgrad wurde unter anderem beschlossen, der deutschen Minderheit alle Bürgerrechte abzuerkennen und sie zu enteignen – MD), nach denen die Deutschen aus der Liste der in Jugoslawien existierenden Völker gestrichen wurden". "Für die Deutschen würde sich die Anerkennung des Status der nationalen Minderheit auch psychologisch positiv auswirken; vornehmlich für die Menschen, die noch immer verängstigt sind wegen der durchlebten Traumata nach dem Zweiten Weltkrieg, denn dadurch würde ihnen nun auch offiziell bestätigt, dass sie gleichberechtigte Bürger wie alle übrigen sind", sagte Weiß. Er erwartet, dass dies auch als Zeichen gewertet wird, dass sich die Menschen bei der kommenden Volkszählung "furchtlos" dazu bekennen können, "Deutsche zu sein und sich nicht verstecken, wie sie es häufig in der Vergangenheit taten". "Meines Erachtens wird die kommende Volkszählung eine ziemlich realistische Lage und ein realistisches Bild über die Zahl der in der Bundesrepublik Jugoslawien verbliebenen Deutschen bringen", erklärte Weiß.
Auf der offiziellen Internetseite des Deutschen Volksverbandes heißt es, dass mit den AVNOJ-Bestimmungen vom 21. November 1944 im damaligen Jugoslawien verfügt wurde, die deutsche Minderheit "zu vertreiben, ihr Eigentum zu konfiszieren und dass jede Spur ihrer Anwesenheit in diesem Raum verwischt werden sollte". "Ab Herbst 1944 deportierte die neue Regierung die Deutschen in Lager in der Vojvodina, wo sie gefoltert und getötet wurden und wo zugelassen wurde, dass sie an Hunger oder Krankheiten starben. Das waren Vernichtungs- und Todeslager für die Donauschwaben, vorwiegend Frauen, Kinder und Greise", steht dort.
Laut amtlichen Angaben der letzten Volkszählung aus dem Jahre 1991 hätten sich in der Vojvodina zirka 4 000 Deutsche "getraut, sich dazu zu bekennen", wobei ausländische und realistische inländische Quellen davon ausgehen, dass 10 000 bis 15 000 Deutsche in der Provinz leben, heißt es auf dieser Site.
Abhängig von der historischen Quelle wird davon ausgegangen, dass bis zum Zweiten Weltkrieg auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien mehr als 500 000 Deutsche lebten. (md)