Bahn sucht Personal
3. Januar 2014Im August 2013 steht ein Hauptbahnhof in Deutschland quasi still. Mainz kann nicht mehr von allen Zügen angefahren, ein Stellwerk nicht mehr betrieben werden, das für den reibungslosen Zugverkehr nötig wäre. Fahrdienstleiter sind im Urlaub oder krank. Nur ein Beispiel für den Personalmangel bei der Deutschen Bahn.
Jahrelang hat der Konzern, der weltweit rund 300.000 Mitarbeiter beschäftigt, gespart und Stellen abgebaut. Nun kommt der Kurswechsel: Bis 2020 will die Bahn jedes Jahr bis zu 10.000 Mitarbeiter einstellen.
Ulrich Weber ist seit 2009 Personalvorstand der Deutschen Bahn, gerade hat der Aufsichtsrat seinen Vertrag bis 2017 verlängert. Die Entscheidungen zum Stellenabbau sind vor seiner Zeit gefallen. Seine Vorgänger will er dafür nicht kritisieren: "Das Unternehmen befindet sich bei allen Schwierigkeiten, die wir mit Wetter, Zug-Verfügbarkeiten und sonstigen Außeneinflüssen haben, in einem stabilen Zustand. Das ist auch ihr Verdienst", urteilt er.
Stellenabbau wegen Bahnreform
Die meisten Stellen - rund die Hälfte - sind in den 1990er-Jahren weggefallen. Nach der Wiedervereinigung hat man die Deutsche Bundesbahn und die Reichsbahn der ehemaligen DDR zu einem Unternehmen zusammengelegt. 1994 war der Umbau abgeschlossen. "Wir waren in Deutschland erst 400.000 Mitarbeiter, heute sind es noch 200.000", so Personalvorstand Ulrich Weber. "Das wird auch in etwa die Größenordnung sein, die wir in Zukunft haben werden - mit einem leichten Zuwachs."
2006 - vor dem geplanten Börsengang - sind erneut Stellen weggefallen. Der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn hat den Konzern auf Profit getrimmt. Aus der geplanten Privatisierung wurde trotzdem nichts: 2011 wurde der Börsengang abgesagt. Die Finanzkrise war einer der Gründe.
Personal muss her
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft kritisiert den massiven Stellenabbau. "Jetzt hat man gemerkt, dass nur qualifizierte Mitarbeiter in ausreichender Zahl für zufriedene Kunden und damit auch für ein ordentliches Ergebnis sorgen", sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft Alexander Kirchner.
Inzwischen hat die Deutsche Bahn wieder angefangen, Mitarbeiter einzustellen. 2013 waren es allein 9750 Menschen, bis 2020 soll es jährlich im gleichen Tempo weitergehen. Eine der größten Herausforderungen: Jährlich gehen bis zu 7000 Mitarbeiter in den Ruhestand. Der Altersdurchschnitt liegt bei knapp 46 Jahren. Rund 44 Prozent der in Deutschland beschäftigten Bahn-Mitarbeiter sind über 50 Jahre alt.
"Aus unserer Sicht hat man zu lange die Augen vor der Tatsache verschlossen, dass in den nächsten Jahren viele Tausend Mitarbeiter in den Ruhestand gehen", sagt Gewerkschafter Alexander Kirchner. "Die 'alten Hasen' müssen die Chance haben, ihr Know-how an die jungen Kollegen weiterzugeben. Dieser Aspekt wird leider viel zu wenig berücksichtigt."
Allein in diesem Jahr kommen zu den Stellen, die altersbedingt frei werden, noch 2000 neue, die besetzt werden müssen. 4000 Auszubildende und Dualstudierende hat die Deutsche Bahn 2013 eingestellt.
Bahn bindet Beschäftigte
Im April 2013 hat die Deutsche Bahn mit der Gewerkschaft einen Demografie-Tarifvertrag geschlossen. Er gilt für 150.000 Mitarbeiter des Konzerns. Der Vertrag enthält eine Übernahmepflicht für Auszubildende, die ihren Abschluss geschafft haben. Sie bekommen einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Hinzukommen flexible Arbeitszeitmodelle, erweiterter Kündigungsschutz, Einsatzpläne, die auf die Mitarbeiter abgestimmt werden und eine Absenkung der Arbeitszeit für ältere Mitarbeiter im Schichtdienst. Mitarbeiter mit Zeitvertrag sollen nach einem Jahr denselben Lohn bekommen wie die Beschäftigten der Deutschen Bahn.
Mitarbeitersuche auf allen Kanälen
Gleichzeitig muss der Konzern neue Mitarbeiter ausbilden, um alle Stellen besetzen zu können. 50 Ausbildungsberufe und 20 duale Studiengänge bietet die Deutsche Bahn an. Soziale Medien, wie Facebook und Twitter, sollen helfen, potenzielle Bewerber zu finden. "Social Media ist einfach eine sehr gute Möglichkeit, direkt mit den Leuten zu kommunizieren", sagt Uwe Baierl. Er leitet das Social-Media-Team der Deutschen Bahn.
"Es sind ja die verschiedensten Zielgruppen, die wir suchen. Nicht nur Schüler, nicht nur Auszubildende, nicht nur Berufserfahrene - und aufgrund der Masse und der Vielfalt an Social-Media-Kanälen haben wir hier die Möglichkeit, über jeden Kanal die entsprechende Zielgruppe zu erreichen."
Personallücken schließen, Interessenten anwerben, Mitarbeiter qualifizieren und Fachkräfte an das Unternehmen binden: Die Bahn hat alle Hände voll zu tun, damit eine Situation wie die in Mainz in den kommenden Jahren die Ausnahme bleibt.