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Der richtige Mann - Hamid Karsai ist neuer Präsident von Afghanistan

Rainer Sollich14. Juni 2002

In Afghanistan ist der bisherige Übergangspremier Hamid Karsai am Donnerstag (13.6.) von der Großen Ratsversammlung Loja Dschirga mit überwältigender Mehrheit zum neuen Staatspräsidenten gewählt worden.

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Hamid Karzai, gewählter Präsident AfghanistansBild: AP

UN-Generalsekretär Kofi Annan hat Recht: Die Wahl von Hamid Karsai zum neuen Präsidenten ist ein wichtiger Schritt hin zu Frieden und Stabilität in Afghanistan. Karsai hat als Übergangspremier in den vergangenen sechs Monaten eine gute Figur gemacht. Seine Politik war erfolgreich: Schulen wurden wieder eröffnet, die traditionell schwierigen Beziehungen zu den Nachbarstaaten sind weitgehend spannungsfrei, und die internationale Gemeinschaft hat dem zerstörten Land rund 4,5 Milliarden Dollar Hilfsgelder für den Wiederaufbau zugesagt. Jetzt kommt es darauf an, dass Karsai die Gelder auch einfordert und sie sinnvoll eingesetzt werden.

Karsai kann sich auf eine überwältigende Stimmenmehrheit berufen. Über 80 Prozent der Loja-Dschirga-Delegierten votierten für ihn - angesichts der inneren Zerissenheit Afghanistans ein großer Erfolg. Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack: Im Vorfeld der Abstimmung hatte es Absprachen gegeben. Und die Amerikaner übten Druck aus auf andere Kandidaten wie Ex-König Zahir Schah - damit diese sich erst gar nicht zur Wahl stellten. Demokratischen Vorbildcharakter hat dies nicht. Hamid Karsai muss sich deshalb den Vorwurf gefallen lassen, dass er indirekt von Washington in sein neues Amt gehievt worden ist.

Karsais gute Beziehungen zu den USA und anderen westlichen Staaten sind aber zugleich auch sein Kapital. Er ist es, der die Hilfsgelder ins Land holt. Damit hat er einen Trumpf in der Hand, wenn es darum geht, regionale Clanchefs davon zu überzeugen, dass sie von Frieden und Einheit mehr profitieren können als von Drogenhandel und Krieg. Umgekehrt bedeutet dies allerdings: Die internationale Gemeinschaft steht hier in der Pflicht, Karsai zu unterstützen.

Afghanistan hat über zwei Jahrzehnte Bürgerkrieg hinter sich. Da kann man nicht erwarten, dass sich das Land über Nacht in eine Muster-Demokratie verwandelt. Die ersten Schritte stimmen jedoch hoffnungsvoll. Allerdings: Nicht nur eine Menge Geld wird noch ins Land fließen müssen, der Aufbau von Zivilgesellschaft und innerer Einheit sind auch politische Herausforderungen. Das eindeutige Votum für Karsai darf nicht vergessen lassen: Die Macht der Warlords ist ungebrochen, die Sicherheitslage fragil - und die Autorität der Übergangsregierung reicht kaum über die Hauptstadt Kabul hinaus.

Karsai wird also dafür sorgen müssen, dass sich keine der unterschiedlichen Ethnien und Clans in der neuen Staatsstruktur unterrepräsentiert fühlt. Wahrlich - keine einfache Aufgabe. Aber: Als Paschtune, der mit Tadschiken und Usbeken gegen die mehrheitlich paschtunischen Taliban gekämpft hat - und mit seinen guten Beziehungen ins Ausland - ist Karsai der richtige Mann, um Kompromisse zu schmieden. Wenn dies derzeit in Afghanistan überhaupt jemandem zuzutrauen ist, dann ihm.