Der Anfang ist gemacht - Albaner und Serben an einem Tisch in Wien
15. Oktober 2003Bonn, 14.10.2003, DW-radio / Andrej Smodis
Zum ersten Mal seit dem Kosovo-Krieg 1999 haben sich am Dienstag (14.10) in Wien Vertreter der Serben und Kosovo-Albaner zu direkten Verhandlungen an einen Tisch gesetzt. Eine Begrüßung per Handschlag hatten die einst verfeindeten Gruppen abgelehnt, das Treffen dennoch positiv bewertet. Die serbische Delegation wurde von Ministerpräsident Zoran Zivkovic geführt. Die albanische Delegation leitete Präsident Ibrahim Rugova. Der Ministerpräsident des Kosovo, Bajram Rexhepi, blieb dem Treffen fern. Der Außenpolitik-Koordinator der Europäischen Union, Javier Solana, würdigte das Treffen als einen ersten und wichtigen Schritt. Das Ziel der EU war, die beiden Seiten überhaupt an einen Tisch zu bekommen. Die serbische Seite sieht den Kosovo weiter als Teil ihres Territoriums, während die Albaner die Unabhängigkeit anstreben.
In der Politik muss man sich oft mit "wenig" zufrieden geben. In diesem Falle ist es sogar sehr wenig. Aber immerhin: Ein Anfang ist gemacht. Gewählte Albaner aus dem Kosovo und gewählte Serben aus Belgrad haben sich erstmals seit dem Kosovo-Krieg 1999 an einen Tisch gesetzt.
Dieser Schritt ist von unglaublicher Bedeutung, und nicht nur den Beteiligten ist klar, wie schwierig es war und wie lange es gedauert hat, dieses Treffen zu arrangieren. Leider ist damit alles Positive schon gesagt.
Denn erreicht hat man während der Konferenz nur das, was vorher schon abgesprochen war: Man will in vier Arbeitsgruppen über Fragen des Verkehrs, der Energieversorgung, der serbischen Flüchtlingsrückkehr und der vermissten Albaner verhandeln. Offiziell spricht man von Monaten, wahrscheinlich werden es Jahre.
Und nach der Konferenz kam sogar Misstimung auf: Bei der Frage, ob das Kosovo unabhängig werden soll oder nicht, haben Albaner und Serben nämlich nach wie vor zwar EINE Meinung, unglücklicherweise aber jeweils eine grundverschiedene. Und das haben sie in Wien leider auch noch einmal betont.
Aber praktische Verhandlungen und feste Glaubenssätze sind nach einem Krieg ganz normal.
Geht man aber weg von diesen historischen Dimensionen, bleibt jedoch ein konkretes Problem: Nämlich das der Teilnehmenden. Besser gesagt: Der Nicht-Teilnehmenden an der Konferenz. Und hier hat die Friedenstaube in Gestalt des großen, wichtigen, beinahe historischen ersten Treffens zwischen Albanern und Serben eine Bauchlandung gemacht, bevor sie überhaupt losfliegen konnte.
Bajram Rexhepi, der kosovarische Ministerpräsident, blieb zu Hause. Er hat mit Unterstützung seines Parlaments in Pristina den Dialog verweigert. Die Message ist eindeutig: Wir Kosovo-Albaner haben nur ein Ziel: Die Unabhängigkeit des Kosovo. Und zwar egal, ob mit nur drei Stunden Strom pro Tag, ob ohne anerkannte Nummernschilder an den Autos, gerne ohne serbische Rückkehrer und notfalls ohne das Schicksal von über 3.000 Kosovaren je zu erfahren.
Es wird sich zeigen, ob diese Taktik auf Dauer schneller zu diesem Ziel führt, denn auch international halten langfristig viele den selbständigen Staat Kosovo für den einzig gangbaren Weg. Vielleicht erreicht Rexhepi aber auch genau das Gegenteil, denn die internationale Gemeinschaft pumpt nicht gerne gewaltige finanzielle und personelle Mittel in eine Region, ohne Entgegenkommen.
Schließlich waren in Wien der NATO-Generalsekretär, der OSZE-Vorsitzende, beide "EU-Außenminister", die Vertreter von sechs der mächtigsten Staaten der Erde versammelt. Wer nicht kam, war der kosovarische Regierungschef.
Vielleicht ist aber die Geduld aller dieser Leute tatsächlich unerschöpflich. Dann bleibt nur einer übrig als der wahre politisch Leidtragende der Konferenz: Harri Holkeri.
Der neue Chef der UN-Verwaltung des Kosovo konnte von vornherein nur ein wenig glücklicher Gastgeber des Treffens sein, denn die Idee stammte nicht von ihm, sondern vom EU-Gipfel in Thessaloniki. Und nun hat er es nicht einmal geschafft, die wichtigsten Protagonisten mit ins Boot zu holen. Für seine persönliche Autorität und die der UNO in der Region ein herber Schlag.
Fazit: Wien hat ein wichtiges Treffen gesehen. Historisch wird man es nicht nennen können. (fp)