Demokratie und Wahrung der Menschenrechte sind nach wie vor die wichtigsten Ziele
9. Juni 2004Bonn, 9.6.2004, DW-RADIO / Andrej Smodiš
Am 10. Juni 1999 befahl NATO-Generalsekretär Javier Solana die Einstellung der Angriffe auf Jugoslawien. Am Abend zuvor hatte Belgrad zugestimmt, seine Truppen zurückzuziehen und eine UNO-Verwaltung im Kosovo zu akzeptieren. Am gleichen Tag schuf der Weltsicherheitsrat mit der Resolution 1244 die Voraussetzungen dafür, dass die internationale KFOR-Truppe in den Kosovo einmarschierte und die UNMIK-Verwaltung für die Provinz geschaffen wurde. Damit wurden gleichzeitig die Voraussetzungen für Freiheit und Achtung der Menschenrechte geschaffen, doch bei der Umsetzung hapert es noch - meint Andrej Smodiš in seinem Kommentar.
Der 10. Juni 1999 markiert das Ende des hoffentlich letzten Krieges auf dem Balkan unserer Ära. Serbische Truppen und Panzer mussten die Provinz verlassen, albanische Kämpfer konnten entwaffnet werden, 850.000 Vertriebene konnten zurückkehren.
An diesem 10. Juni endete auch fast ein Jahrhundert anti-albanischer Politik, mit der serbische Machthaber seit der Eroberung des Kosovo im Jahre 1912 die dortige Mehrheitsbevölkerung unterdrückten - mit dem erklärten Ziel, sie von dort zu vertreiben.
Was seitdem passiert ist, in den letzten fünf Jahren also, ist weit weniger spektakulär. Es herrscht Frieden. Unter der UNO-Verwaltung wurden im Kosovo demokratische Strukturen geschaffen, eine funktionsfähige Demokratie muss sich aber noch entwickeln.
Die Vorzeichen haben sich verkehrt: Über 100.000 Serben wurden vertrieben, ebenso Zehntausende Angehörige anderer nicht-albanischer Minderheiten. Repressionen gegen Nicht-Albaner sind an der Tagesordnung, und das Ausmaß an Gewalt, mit der Kosovo-Albaner im März gegen Menschen und Kulturgüter vorgingen, ist erschreckend.
Das zivile Leben kommt nur langsam in Gang. Die große Mehrheit aller Kinder kann unbesorgt in öffentliche Schulen gehen, bei den Medien herrscht große Vielfalt. Die Wirtschaft jedoch kommt nicht in Gang, mafiöse Strukturen, die sich in den Balkan-Kriegen geformt haben, existieren weiter.
Jetzt wäre Mut am Platze: Die UNO-Verwaltung (UNMIK) müsste der demokratisch gewählten kosovarischen Regierung mehr Verantwortung übertragen. Dann würden die Kosovaren und ihr Handeln auch an dieser Verantwortung gemessen werden können. Aber dies ist leider nur ein theoretischer Ansatz.
Denn auch wenn die UNMIK diesen Mut aufbringen würde - die albanische Seite ist nicht reif für diesen Schritt. Die maßgeblichen Vertreter der Kosovo-Albaner sind nur bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen, wenn damit die Unabhängigkeit des Kosovo verbunden wäre.
Es hat dies die Merkmale einer klassischen Erpressung. Demokratisierung, Wahrung der Menschenrechte, Fortschritte bei den Rahmenbedingungen für die Wirtschaft: Ja, aber nur gegen die Gewährung der Unabhängigkeit. Wer aber soll garantieren, dass plötzlich die Repressionen gegen Serben aufhören, alle Nicht-Albaner nach Hause zurückkehren können und dass die organisierte Kriminalität zugunsten einer offenen Marktwirtschaft zurückgedrängt würde?
Niemand kann dies garantieren, und wenn die Kosovo-Albaner die Option auf eine Unabhängigkeit offen halten wollen, bleibt weiterhin nur die Devise: Standards vor Status. Wahrung der Menschenrechte jetzt, Bekämpfung der Kriminalität jetzt, Mitarbeit bei der Öffnung der Wirtschaft jetzt. Ohne die volle Verantwortung, in Kooperation mit der UNMIK, mit den Mitteln auch der Zivilgesellschaft.
Nur eine Gesellschaft, in der Demokratie und Menschenrechte als absolute Werte verteidigt und umgesetzt, und nicht als Faustpfand für politische Ziele missbraucht werden, kann in Europa darauf hoffen, ein unabhängiges Staatswesen gründen zu können. Vor fünf Jahren wurden die Voraussetzungen für Freiheit und Achtung der Menschenrechte im Kosovo geschaffen - es ist höchste Zeit, dass die Kosovo-Albaner diesen Werten tatsächlich Geltung verschaffen. (fp)