"Dem russischen Haushalt gehen jährlich Milliarden Dollar verloren"
9. Juli 2002Moskau, 8.7.2002, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., Natalja Melikowa
Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Villa bei Moskau, einen Betrieb in irgendeinem Gouvernement und dazu noch Eigentum im Ausland. Sie können sich jedoch nicht daran erinnern, was das ist. Oder sie wollen sich nicht erinnern. In einer ähnlichen Situation befindet sich unser Staat, der wie ein nicht sorgsamer Eigentümer im Laufe bereits vieler Jahre keine einheitliche Liste der ihm gehörenden Aktiva im Ausland aufstellen kann. Eigentlich verliert der Haushalt weiterhin riesige Summen, weil das ausländische Eigentum nicht effizient verwaltet wird. Zu dieser Schlussfolgerung ist man als Ergebnis der letzten Sitzung des Kollegiums des Rechnungshofes gekommen.
Experten des Rechnungshofes sind der Ansicht, dass das Bild, das das Finanzministerium über das föderale ausländische Eigentum bietet, weit von der Wirklichkeit entfernt ist. Daraus folgt, dass wir immer noch nicht wissen, was wir im Ausland besitzen und was dieses Eigentum wert ist. Die Unterschiede bei der Bewertung dieses Eigentums betragen Dutzende Milliarden Dollar. Zur Erinnerung: registriert sind heute 3645 Liegenschaften auf dem Territorium von 120 Staaten. Die Fläche der Räumlichkeiten beläuft sich auf 1,7 Millionen Quadratmeter, die Fläche der Grundstücke auf 601,2 Millionen Quadratmeter. Außerdem besitzen wir 79 Aktienpakete bei ausländischen Gesellschaften und Unternehmen. Der Bilanzwert des ausländischen Eigentums Russlands soll sich auf 2,7 Milliarden Dollar und der Anteil bei Gesellschaften und Unternehmen auf 1,18 Milliarden Dollar belaufen. Die britische Agentur Pinkerton bewertet das russische Eigentum jedoch mit 400 Milliarden Dollar.
Nicht nur die Behörde von Farit Gasisullin (Ministerium für Eigentumsverhältnisse – MD) ist daran schuld, dass es zu solch einer Diskrepanz gekommen ist. Nach Ansicht der Experten des Rechnungshofes ist es dazu gekommen, weil andere föderale Machtorgane, Unternehmen und Organisationen, in deren Bilanz das föderale Eigentum im Ausland geführt wird, dem Ministerium für Eigentumsverhältnisse unvollständige und verdrehte Angaben vorgelegt haben. Eigentlich sind es nur zwei weitere Machtorgane. Seit Januar dieses Jahres werden alle Liegenschaften im Ausland in der Bilanz des Außenministeriums und des staatlichen Einheitsbetriebes bei der Präsidentenverwaltung "Gossagransobstwennost" geführt. Nur mit deren Genehmigung können Geschäfte mit den ausländischen Aktiva Russlands gemacht werden.
Die Tatsache, dass niemand eine genaue Vorstellung davon hat, wieviel Eigentum wir im Ausland besitzen und was das Wert ist, führt jährlich zu riesigen finanziellen Verlusten. So hat die Verpachtung von Liegenschaften im Ausland im letzten Jahr dem russischen Haushalt erbärmliche - nach Meinung von Experten - 14 Millionen Dollar gebracht. Auch durch unsere Teilnahme am Kapital ausländischer juristischer Personen gewinnt unser Haushalt nichts. Russland (das Eigentumsministerium) ist Gründer einiger im Ausland registrierter Joint Ventures. In Europa besitzt das Eigentumsministerium Aktienpakete nach der Privatisierung von "Roslesprom" im Jahr 1997. Außerdem gibt es im Ausland mehrere Gesellschaften, deren Gründer staatliche Einheitsbetriebe sind. Nach Ansicht des Rechnungshofes sind jedoch die Angaben über den Anteil Russlands an ausländischen juristischen Personen viel zu niedrig angesetzt. Wie Experten des Rechnungshofes unterstreichen, habe die Regierung immer noch nicht die wichtigsten Prinzipien der Dividenden-Politik gegenüber russischen Finanzmittelbeständen in ähnlichen Strukturen festgelegt. Infolgedessen verliere der Staat jährlich Dividenden von über einer Milliarde Dollar.
Nach Meinung einer Reihe von Experten ist die bei der Erfassung des russischen Eigentums im Ausland entstandene Situation vor allem für diejenigen von Vorteil, die im Haushalt nicht berücksichtigte Einnahmen erhalten. Beim Rechnungshof herrscht die Meinung, dass sich die Stepaschin-Behörde (Sergej Stepaschin – Chef des Rechnungshofes – MD) wegen der Prüfungsergebnisse an den Präsidenten und die Generalstaatsanwaltschaft wenden wird. (lr)