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"Das Anbetteln der Kosovo-Serben muss seine Grenzen haben"

18. Oktober 2002

- Kommentator der kosovo-albanischen Zeitung KOHA DITORE warnt vor zu vielen Zugeständnissen an die Serben

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Pristina, 14.10.2002, KOHA DITORE, alban., Seite 5, Augustin Palokaj

Die Einstellung der internationalen Gemeinschaft zu den Serben in Kosova war von Anfang an falsch, da sie Platz für Manipulationen und für Erpressungen ließ. Drei Jahre hintereinander bettelten Brüssel, die NATO und die Europäische Union die Serben an, an den Wahlen in Kosova teilzunehmen. Je lauter die Appelle an die Serben wurden, umso mehr Bedingungen stellten die Serben für eine Teilnahme an den Wahlen. Es ist völlig klar, warum der internationalen Gemeinschaft an einer Beteiligung der Serben an den Wahlen in Kosova gelegen ist. Ihre Nicht-Teilnahme – egal, wie hoch die Zahl der Wähler auch sein mag – würde als Scheitern betrachtet. Darüber hinaus sind einige internationale Politiker so weit gegangen, so etwas als persönliches Scheitern zu bergreifen, und Michael Steiner könnte ein solcher Politiker sein.

Jetzt, nach drei Jahren, gibt es keinen Grund, an die Serben zu appellieren, an den Wahlen teilzunehmen. Sie hatten genug Zeit, um einzusehen, dass sie ohne eine Teilnahme an Wahlen und ohne eine Beteiligung an den Institutionen Kosovas die Ziele, für die sei werben – die Rückkehr der Serben, die nach dem Krieg weggingen – nicht verwirklichen können.

Die internationale Gemeinschaft ist sich des Fehlers bewusst, den sie beging, als sie sich darauf einließ, mit den Kosovo-Serben über (den stellvertretenden Premierminister Nebojsa – MD) Covic zu sprechen. Covic hat bewiesen, dass er, wenn er das will, die Serben überreden kann, an Wahlen teilzunehmen, und er hat sich als jemand aufgedrängt, der das könnte, wenn nur wollte. Wenn er sie überredet, nicht zur Wahl zu gehen, dann ist er isoliert. Bis vor kurzem war Covic in Brüssel der beliebteste serbische Politiker. Die Türen von NATO-Generalsekretär George Robertson und von Javier Solana in der EU standen Covic stets offen. Was immer Covic sagte, hat bislang funktioniert. Er spielte eine positive Rolle bei der Lösung der Krise im Presheva- (Presevo – MD)Tal, und er half dabei, die Kosova-Serben zu überreden, an den Parlamentswahlen in Kosova teilzunehmen. Jetzt kann man den Schluss ziehen, dass die Beziehungen zwischen Brüssel und Covic sich seit einiger Zeit abgekühlt haben (...)

Ganz egal, ob die Kosova-Serben an den Wahlen teilnehmen oder nicht, er hat für sich selbst bereits eine Situation gebracht, in der er entweder gelobt oder beschuldigt wird. Ganz egal, wie wenig die Kosovaren den früheren Verwaltungschef Hans Haekkerup mochten, an einem gewissen Punkt sagte er den Serben, dass, egal, ob es ihnen gefalle oder nicht, in Kosova Wahlen stattfinden würden. Zweifellos hat Steiner die gleichen Absichten, und er wird sicher nicht zulassen, dass die mögliche Nichtteilnahme der Serben an den Wahlen den gesamten Wahlprozess in Frage stellt. Wenn er den Serben Anlass gibt zu glauben, dass ohne ihre Teilnahme die Wahlen scheitern, dann werden die Serben mehr und mehr Forderungen stellen, bevor sie sich auf eine Teilnahme einlassen.

Die Argumente, die die Serben für ihre Nichtteilnahme an den ersten Wahlen benutzen, sind jetzt bedeutungslos geworden. Die Sicherheitslage ist nicht perfekt, aber sie ist viel besser als früher. Andererseits haben sich die Serben bereits in die Institutionen Kosovas eingegliedert. Darüber hinaus haben sie in den letzten drei Jahren durch ihre Teilnahme an Wahlen in Kosova, Serbien und in der sich auflösenden Föderation mehr erreicht als die Albaner. Es ist als ganz klar, dass sie politischen Nutzen erzielen wollen, indem sie ihre Teilnahme an den Wahlen an Bedingungen knüpfen. (...)

Sollte Covic sich wirklich auf einen Konflikt mit Steiner und seinen sieben Punkten (für die Lösung des Mitrovica-Problems – MD) einlassen, dann wird er sich verrechnen. Es war offenkundig, dass sofort, nachdem Steiner seine Punkte öffentlich machte, er die Unterstützung eines riesigen internationalen Mechanismus erhielt. Nur Stunden nach der Veröffentlichung erhielt er die Unterstützung der NATO, der EU, Washingtons und Berlins. Wie üblich kamen auch die Führer der Albaner mit ihren Erklärungen, nachdem sie die Botschaften der internationalen Entscheidungsträger gehört hatten, denn unsere Politiker arbeiten nach der Strategie "wir müssen nichts überstürzen". Steiner muss sich all dessen bewusst sein, um nicht den Plänen Covics nachzugeben, denn die internationale Gemeinschaft wird dessen Spielchen nach dem Motto "verursache Probleme und dränge dich selbst als derjenige auf, der sie lösen kann" Leid.

Obgleich die Absichten der internationalen Gemeinschaft gut sind, wenn sie die Kosova-Serben bittet, an der Wahl teilzunehmen, muss die Politik des Anbettelns doch Grenzen haben. Einerseits ist es verständlich, dass es keine Verzögerung geben sollte, wenn es um die Verbesserung der Lebensbedingungen für Minderheiten geht, aber andererseits sollte die Minderheit nicht die Möglichkeit erhalten, den Fortschritt in ganz Kosova zu blockieren und die Mehrheit der Kosovaren darf nicht im Namen der Interessen der Minderheiten ignoriert werden. Eingedenk dessen, dass viele Albaner an den Kommunalwahlen nicht teilnehmen werden, - nicht, weil die LKÇK (Nationale Bewegung für die Befreiung Kosovas, eine Splitterpartei – MD) zum Boykott der Wahlen aufruft, sondern wegen der Enttäuschung und Niedergeschlagenheit in Kosova – sollte Steiner auch unter den Albanern werben und sie auffordern, in großer Zahl zur Wahl zu gehen. Zu viele Zugeständnisse sind bereits an die Kosova-Serben gemacht worden (...)

Während des Milosevic-Prozesses hörten wir, wie der Präsident von Kroatien (Stipe Mesic – MD) sagte: Milosevic plante die Kolonisierung Kosovas mit Serben aus Kroatien", und obwohl ihm das nicht gelang, wurde eine Anzahl solcher Serben in Kosova angesiedelt. Die Bestimmungen von UNMIK und OSZE ermöglichen es, dass Serben, die von Milosevic angesiedelt wurden, in Kosova wählen, während Hunderttausenden Albanern, die während der Milosevic-Zeit Kosova verließen, das Wahlrecht verweigert wurde. Wenn die internationale Gemeinschaft diese Politik fortsetzt, dann riskiert sie, dass eine wachsende Zahl Albaner die internationale Gemeinschaft als parteiisch betrachtet und annimmt, sie bevorzuge die Minderheiten zum Schaden der Mehrheit. Die Kommunalwahlen sind hier ein erneuter Test. (MK)