Clinton, Albright, Schröder, Chirac, Blair...
31. August 2004Bonn, 31.8.2004, DW-radio, Bahri Cani
Vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag im Verfahren gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic wird ab Dienstag (31.8.) die Verteidigung das Wort haben. Dafür sind 150 Verhandlungs-Tage vorgesehen. Falls es keine Verzögerungen gibt, werden die ersten Zeugen der Verteidigung am 7. September aussagen. Milosevic und seine Rechtsbeistände haben insgesamt 1.631 Zeugen vorgeschlagen, die auch vom Gericht akzeptiert wurden. Bahri Cani mit Einzelheiten.
Die Gerichtskammer unter Vorsitz des Richters Patrick Robinson hat die umfangreiche Liste mit Zeugen akzeptiert, die Milosevic zu seiner Verteidigung vorladen möchte. Es ist allerdings schon jetzt abzusehen, dass es der Verteidigung nicht gelingen wird, alle Zeugen auch in der vorgegebenen Zeit unterzubringen. Dessen ist sich auch der juristische Berater von Milosevic, Zdenko Tomanovic, bewusst:
Tomanovic
"Was die Zeugen betrifft, so sind es 1.631. Ob sie alle zur Verhandlung erscheinen werden? Das ist wohl kaum zu erwarten. Wir werden uns bemühen pro Tag drei bis fünf Zeugen zu laden. Falls wir es schaffen, pro Tag fünf Zeugen anzuhören, so wären das im Rahmen von 150 Tagen, die Herrn Milosevic zur Verfügung stehen, 750 Zeugen. Jedoch angesichts der begrenzten Zeit und der Tatsache, dass einige von ihnen vielleicht einige Tage lang aussagen könnten, glaube ich nicht, dass alle aussagen werden."Der ehemalige Belgrader Diktator ist wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Kroatien und Kosovo angeklagt, sowie wegen Völkermord in Bosnien und Herzegowina. Sein Prozess läuft bereits seit dem 12. Februar 2002. Die Anklage hatte im ersten Teil des Verfahrens rund 300 Zeugen vernommen und über 630.000 geschriebene Seiten und Tausende Video- und DVD-Kassetten vorgelegt, um die Anklage gegen Milosevic zu untermauern.
Der Angeklagte selbst hatte angekündigt, bei seiner Verteidigung eine große Zahl Politiker vorzuladen, die mit den kriegerischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien zu tun hatten:
Milosevic:
"Ich werde verlangen, dass Bill Clinton, Madeleine Albright, Jacques Chirac, Tony Blair, Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Klaus Kinkel, Hubert Védrine, Robin Cook, Lord Owen, Thorvald Stoltenberg, Jasushi Akashi, Lamberto Dini, Kofi Annan und andere hier vor mir erscheinen und sich von mir befragen lassen."Für Zeugen, die nicht freiwillig vor Gericht erscheinen, muss die Verteidigung einen Sonderantrag stellen. Danach muss das Gericht, soweit dies für nötig befunden wird, eine Vorladung herausschicken. Bisher hat die Verteidigung Vorladungen für all jene Zeugen beantragt, die der Angeklagte selbst als "feindliche Zeugen" bezeichnet. Sein Berater Zdenko Tomanovic hält das für nötig:
Tomanovic :
"Es ist doch klar: Milosevic hat vor Gericht beantragt, dass Bill Clinton, Tony Blair, Madeleine Albright und Schröder vorgeladen werden."Dennoch ist unklar, ob die Betreffenden tatsächlich in Den Haag aussagen werden. Tomanovic beteuert aber, dass bereits viele andere internationale Spitzenpolitiker und Personen des öffentlichen Lebens sich bereitgefunden hätten auszusagen:
Tomanovic: "
Im September werden der ehemalige griechische Ministerpräsident Konstantin Mitsotakis, der ehemalige russische Premierminister Evgenij Primakow, der ehemalige französische Geheimdienstchef Yves Bonnet, der deutsche General Elmar Schmähling vor Gericht geladen."Milosevics Rechtsberater sagt, dass die Verteidigung auch Zeugen aus dem ehemaligen Jugoslawien anhören werde. Darunter seien sowohl Albaner, als auch Kroaten, Muslime, Slowenen, Mazedonier und andere. Allerdings lehnte er aus Sicherheitsgründen ab, Namen zu nennen. Auch hätten noch nicht alle einer Aussage zugestimmt. Es soll Zeugen aller Religionsgemeinschaften geben:
Tomanovic
: "Während der Verhandlung werden orthodoxe Geistliche, Vertreter der islamischen Gemeinschaft, sowie Geistliche der katholischen Kirche auftreten."Das Gericht prüft derzeit, ob es Milosevic gegen seinen Willen einen Verteidiger verordnen soll. Das hatte der Angeklagte bisher abgelehnt. Tomanovic selbst wird gegen den Willen Milosevics diese Aufgabe nicht übernehmen.
Bis zum Beginn der Zeugenvernehmung wird das Gericht auch einen Bericht zum Gesundheitszustand des Angeklagten berücksichtigen. Bereits 15 Mal wurde das Verfahren aus diesem Grund vertagt, aber Tomanovic beteuert, dass der Gesundheitszustand von Milosevic die Fortsetzung des Verfahrens jetzt erlaube:
Tomanovic:
"Milosevic wird am 31. August das Anfangsplädoyer halten und am folgenden Tage mit der Vorlage seiner Beweise beginnen." (MK)