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PolitikChina

China, USA, Russland: Strategischer Wettlauf in der Arktis

25. März 2025

Als US-Präsident Trump zuletzt die Kontrolle der USA über Grönland forderte, lenkte er die Aufmerksamkeit auf einen geopolitischen Hotspot von globaler Bedeutung. Nicht umsonst sind die Großmächte dort engagiert.

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Die Belcher-Inseln in der kanadischen Arktis
Umkämpfte Idylle: die Belcher-Inseln in der kanadischen ArktisBild: picture alliance/robertharding

Im Juli und August 2024 brach das Eis des arktischen Meeres unter dem Stahl dreier schwerer Eisbrecher: des Xuelong 2, des Ji Di und des Zhong Shan Da Xue Ji Di. Die drei Schiffe probten die ungehinderte Fahrt durch das Nordmeer, praktisch, vor allem aber auch symbolisch: China, gaben die drei Schiffe zu verstehen, ist in der Arktis präsent und zwar auf Dauer. Die Botschaft wurde gehört: "Die Arktis wird chinesisch", titelte die staatliche russische Nach­richtenagentur RIA Novosti im Oktober 2024.

China engagiere sich seit langem in der Arktis, sagt Michael Paul, Experte für maritime Sicherheit am Berliner Think Tank Wissenschaft und Politik (SWP) und Autor mehrerer Studien zur geostrategischen Bedeutung der Arktis wie auch der chinesischen Präsenz ebendort. "Seit den frühen 2000er Jahren ist China in der Region sehr engagiert, und zwar insbesondere in Island. Dann aber stieß Peking auf eine abwehrende Haltung Dänemarks und der USA." Beide Staaten fürchteten einen übergroßen Einfluss der Chinesen, so Paul. "Seitdem wendet sich Peking anderen Ländern in der Region zu, insbesondere Russland. Allerdings ist Russland durch den Ukraine-Krieg geschwächt - und ist damit auch in der Arktis mehr und mehr in die Rolle eines chinesischen Juniorpartners geraten."

China wie auch andere Staaten der Region engagieren sich in der Arktis vor dem Hintergrund des Klimawandels, der sich dort besonders stark bemerkbar macht. So lag die globale Jahres-Durchschnittstemperatur im Jahr 2024 rund 1,5 Grad Celsius über der des vorindustriellen Zeitraums. Die Arktis-Region erwärmt sich dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung zufolge allerdings viermal schneller als der Rest des Planeten. Die Folge: Die arktische Eiskappe schmilzt immer schneller ab. Sollte sie sich, wie derzeit prognostiziert, zwischen 2030 und 2040 in den Sommermonaten weitgehend zurückgebildet haben, dürften sich dort für die Fahrt aus dem Pazifik in den Atlantik gleich drei neue Schiffspassagen etablieren, die es erlauben, die bisherigen Routen teils erheblich abzukürzen.

Blick auf den Ilulissat-Eisfjord vor Grönland
Der Ilulissat-Eisfjord vor Grönland. Der dortige Gletscher verkleinert sich bereits seit 1850Bild: Ulrik Pedersen/NurPhoto/picture alliance

Drei neue Schiffsrouten 

Eine dieser Routen, die so genannte Nordostpassage nahe der russischen Landmasse, wird von China und Russland bereits jetzt als Handelsroute und Seestraße für den Transport von Rohstoffen ausgebaut. "Dabei geht es insbesondere um den Transport von Gas von der Jamal-Halbinsel im Westen Sibiriens nach China", sagt der Politologe Klaus-Peter Saalbach von der Universität Osnabrück, Autor einer Studie zur geostrategischen Bedeutung der Arktis. Allerdings sei die Passage derzeit noch eher schwach frequentiert. "Dort sind derzeit lediglich ein paar Dutzend Schiffe pro Jahr unterwegs."

Noch weniger passierbar ist derzeit die Nordwestpassage vor der Küste Kanadas. Sie gilt als erheblich schwieriger zu befahren als die Nordostpassage. "Der wissenschaftliche Dienst des US-Kongresses zweifelt daran, dass sie jemals wirtschaftlich zu nutzen sein wird", so Saalbach. Auch politisch dürfte sie für Russland und China Herausforderungen bieten. "Sie verläuft nämlich durch Gebiete, die Kanada als seine Hoheitsgewässer ansieht und sich vorbehält, die Schifffahrt dort zu regulieren", so Saalbach.

Angesichts des rasch schmelzenden Eises ist es absehbar, dass sich in den Sommermonaten die sogenannte transpolare Meeresroute öffnet. Sie führt auf kürzestem Weg zwischen den Landmassen im Norden mitten durch das Meer und ist damit leichter navigierbar. "Auf dieser Route könnte etwa Island als Umschlaghafen eine Rolle spielen", sagt Saalbach. "China hat bereits eine riesige Botschaft auf Island errichtet, die auf eine starke chinesische Präsenz in der Zukunft hindeutet. Island seinerseits streckt seine Hand in Richtung der EU, aber auch Russlands und Chinas aus."

Trump, Grönland und Panama

US-Präsident Donald Trump liebäugelt gerade damit, Grönland möglichst unter die Kontrolle der USA zu bekommen - ein Projekt, das er bereits in seiner ersten Amtszeit verfolgte und das zudem der generellen US-Politik seit Ende des Zweiten Weltkriegs entspricht.

Tatsächlich laufe die Zusammenarbeit Chinas und Russlands in der nördlichen Seeroute darauf hinaus, dass beide Staaten kontrollierten, welche anderen Staaten die arktische Route künftig benutzen dürften, sagt Michael Paul. "Darum ist nachvollziehbar, dass Trump hier ausgesprochen allergisch reagieren könnte. Das hat er auch mit Blick auf den Panamakanal getan, dessen beiden Häfen am Ein- und Ausgang chinesische Firmen kontrollierten. Die wurden jetzt aber an ein US-amerikanisches Konsortium verkauft. Auch Japan und Südkoreas wollen künftig die nördliche Seeroute nutzen, sich dafür aber nicht dem russischen oder chinesischen Regime unterwerfen", so Paul. 

Der Permafrost taut

Reichhaltige Bodenschätze

Zugleich erlaubt die Eisschmelze, die gewaltigen Bodenschätze in der Region leichter abzubauen. Der US Geological Survey (USGS) ging bereits 2008 in einer Studie davon aus, dass rund 30 Prozent der unentdeckten Erdgasreserven und 13 Prozent der unentdeckten Erdölreserven der Welt in der Arktis liegen.

In Grönland gibt es bedeutende Vorkommen von Seltenen Erden, die für die Produktion von Hightech-Produkten, etwa Smartphones, Elektromotoren oder Batterien, benötigt werden. Auch Metalle, Diamanten, Kohle und Uran lagern in der Arktis. "All dies verschärft den Wettlauf um die Region", sagt Saalbach.

Allerdings berge der Abbau dieser Vorkommen erhebliche Schwierigkeiten, sagt Michael Paul. "Der Abbau findet ja unter extremen klimatischen Bedingungen statt, und er setzt eine Logistik voraus, die es zumindest derzeit kaum gibt. In Grönland haben sich einige Lagerstätten als nicht so kommerziell nutzbar erwiesen wie ursprünglich angenommen." Zudem sei in einigen Gebieten der Arktis auch der Streit um Nutzungsrechte noch nicht geklärt, so Paul.

Radaranlage auf der Pituffik Space Base, Oktober 2023
Großes Ohr ins All: Radaranlage auf der Pituffik Space Base, Oktober 2023Bild: Thomas Traasdahl/Ritzau Scanpix/IMAGO

Die militärische Dimension

Auch militärisch ist die Arktis von erheblichem Interesse. Da sie die kürzeste Verbindung zwischen Russland und Nordamerika darstellt, würden bei einem russischen Angriff Raketen auch über dieses Gebiet fliegen. Auf der Thule Air Base, vor knapp zwei Jahren umbenannt in Pituffik Space Base, betreiben die USA ein Frühwarnsystem für mögliche Raketenangriffe aus Russland oder anderen Gebieten. Außerdem dient sie als Versorgungs- und Tankstation für US- und NATO-Flugzeuge.

Dort werden sie sich zunehmend auch mit der militärischen Präsenz Chinas auseinandersetzen müssen. Bereits 2015 durchquerten fünf chinesische Kriegsschiffe US-Gewäs­ser in der Zwölf-Meilen-Zone vor Alaska, seit 2021 sind dort immer wieder von Peking entsandte Kriegs­schiffe präsent. Im Jahr 2022 registrierten die USA eine Flotte russi­scher und chinesischer Schiffe knapp 160 Kilometer vor der zu Alaska gehörenden Insel Kiska - unter ihnen auch ein Lenkwaffenzerstörer vom Typ 055 Nanchang, der mit bis zu 112 Marschflugkörpern oder hyperschallschnellen Anti­schiffs­raketen bewaffnet ist. "Nordamerika ist kein Sanktuarium mehr", schreibt Michael Paul in seiner Studie.

Allein durch die Antarktis

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika