China: Eine Frauenschrift als Symbol der Stärke
In der chinesischen Provinz Hunan wird die alte Frauenschrift Nüshu wiederbelebt. Einst heimlich von Frauen entwickelt, um trotz Bildungsverbots miteinander zu kommunizieren, gilt sie heute als Symbol weiblicher Stärke.
Die Rückkehr der Frauenschrift
In einem Atelier im Dorf Goulan Yao in der zentralchinesischen Provinz Hunan hält die Lehrerin He Yuejuan einen Pinsel in der Hand und schreibt behutsam Zeichen einer geheimen Schrift, die vor Jahrhunderten von Frauen geschaffen wurde und nun von einer neuen Generation wiederentdeckt wird.
Eine stille Rebellion gegen das Patriarchat
Nüshu, was "Frauenschrift" bedeutet, entstand vor etwa 400 Jahren. Da Frauen der Schulbesuch verwehrt war, lernten sie heimlich chinesische Schriftzeichen und passten diese zu Nüshu an, um sich untereinander durch Briefe, Lieder und Stickereien zu verständigen. Die Schrift wurde über Generationen von Frauen in dem abgelegenen und malerischen Landkreis Jiangyong in Südchina weitergegeben.
Geburtsort der geheimen Frauenschrift
Das Dorf Goulan Yao im Kreis Jiangyong ist eng mit Nüshu verbunden, denn es gilt als Ursprung und als eines der wenigen noch aktiven Zentren dieser einzigartigen Frauenschrift. Die Region ist geprägt von gebirgigem Gelände, ländlichen Gemeinden und einer relativ geringen Bevölkerungsdichte.
Chinas Feministinnen bringen Nüshu zurück
Rund hundert Nüshu-Lernende bei einem Workshop in einem Hotel nahe dem Dorf Goulan Yao. Die Schrift mit ihren 600 bis 700 Silbenzeichen gilt heute landesweit als Symbol weiblicher Stärke und Identität. "Nüshu bietet Frauen eine sichere Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren und schafft einen Zufluchtsort für uns", sagte die Studentin Pan Shengwen der Agentur AFP.
Schriftkunst inspiriert vom weiblichen Körper
Im Vergleich zu chinesischen Schriftzeichen sind Nüshu-Wörter dem Körper einer Frau nachempfunden, weniger eckig, schlanker. Und sie haben die Form von Weidenblättern. "Beim Schreiben muss man ruhig atmen, nur dann kann der Pinsel ruhig geführt werden“, sagte eine weitere Teilnehmerin des Workshops, der von den örtlichen Behörden ins Leben gerufen wurde, um die Schrift zu fördern.
Eine besonders seltene Auszeichnung
Nüshu ist mehr als nur ein Schriftsystem - es repräsentiert die Lebenserfahrungen der Frauen aus ländlichen Gebieten des Landkreises. Laut der Lehrerin He Yuejuan gewinnt die Schrift durch ihre Eleganz und Seltenheit zunehmend an Aufmerksamkeit. Nach strengen Prüfungen wurde sie eine von zwölf offiziell anerkannten "Erbinnen" von Nüshu und ist nun befugt, sie zu unterrichten.
Ein kulturelles Erbe der Frauen
Auch der einwöchige Workshop stieß auf großes Interesse bei Frauen aus ganz China. Eine von ihnen war Zou Kexin, die durch einen Online-Beitrag auf Nüshu aufmerksam wurde und es "persönlich erleben" wollte. "Es ist ein einzigartiges Schriftsystem, das den Frauen gehört, was es wirklich besonders macht", sagte die 22-Jährige Teilnehmerin. Heute gilt Nüshu als Teil des kulturellen Erbes Chinas.