Chaostage in Guinea-Bissau
5. März 2025Seit dem 28. Februar 2025 sei Umaro Sissoco Embaló kein Präsident mehr. Seine fünfjährige Amtszeit sei abgelaufen. Er müsse sofort zurücktreten, sagt der Vorsitzende der PAIGC-Partei, Domingos Simões Pereira.
Pereira führt eine Koalition an, die die letzten Parlamentswahlen eigentlich mit absoluter Mehrheit gewonnen hat. Dennoch wird er seitdem vom Präsidenten Sissoco Embaló systematisch an einer Regierungsbildung gehindert.
Inzwischen sind allerdings auch die vier Jahre der Legislaturperiode des Parlaments abgelaufen. Deshalb fordert Pereira Neuwahlen sowohl des Staatspräsidenten als auch Parlaments. Diese müssten innerhalb von 90 Tagen stattfinden - und nicht erst am 30. November, wie vom Präsidenten ins Spiel gebracht. So sehe es die Verfassung vor.
Dafür will Pereira das vom Staatspräsidenten im Dezember 2023 aufgelöste Parlament kurzfristig wieder einberufen. Denn dieses Parlament müsse die Mitglieder der Nationalen Wahlkommission bestimmen und einen Verfassungsgerichtspräsidenten ernennen, deren Mandate inzwischen ebenfalls abgelaufen seien. Pereiras Auffassung teilen auch die meisten anderen Parteien des Landes sowie viele Juristen, politische Beobachter und Vertreter der Zivilgesellschaft in Guinea-Bissau.
Embalós "eigene Agenda"
Der bissau-guineische Präsident Umaro Sissoco Embaló, der das Drei-Millionen-Einwohner Land im Westen Afrikas seit gut einem Jahr per Dekret regiert, verfolgt derweil seine eigene Agenda. Und die lautet so: Solange er Staatspräsident von Guinea-Bissau ist, wird Domingos Simões Pereira, dem korrupte Machenschaften als Mitglied früherer Regierungen nachgesagt werden, niemals zum Regierungschef ernannt.
Sissoco Embaló will auf absehbare Zeit selbst Präsident bleiben. Neben seiner handverlesenen Ministerriege duldet er auch weiterhin keine politische Instanz im Land, die irgendetwas zu entscheiden hat. Der Staatschef behält sich vor, den Termin für die Wahl ein neues Parlaments und eines neuer Präsidenten selbst zu bestimmen.
Das ist das scheinbar unumstößliche Credo von Sissoco Embaló, einem ehemaligen Brigadegeneral, der zwischen 2016 und 2018 selbst das Amt des Premierministers von Guinea-Bissau innehatte. Zuvor war er von der ehemaligen marxistischen Befreiungsbewegung PAIGC zu deren Abspaltung MADEM G15 gewechselt.
Aufruf Protesten und Streiks
Die Opposition läuft Sturm, stößt aber auf zunehmende Apathie seitens der Bevölkerung, die unter einer empfindlichen Wirtschaftskrise leidet und in Hoffnungslosigkeit zu versinken scheint.
Nuno Nabiam, ehemaliger Premierminister und Vorsitzender der oppositionellen Parteienallianz API, versichert im DW-Interview, dass Protestaktionen unumgänglich seien. Das ganze Land müsse stillstehen, bis die Verfassungsordnung wieder hergestellt sei.
Doch Umaro Sissoco Embaló ignoriert die Opposition systematisch. Er habe Besseres zu tun, als sich mit einer unfähigen Opposition zu streiten, sagte er und machte sich auf nach Moskau, wo er dem russischen Staatschef Wladimir Putin einen Freundschaftsbesuch abstattete. Seine Regierung kündigte derweil an, jegliche Protestaktion rigoros zu unterdrücken: Innenminister Botche Candé, einer der engsten Vertrauten von Sissico Embaló, drohte, "Demonstrationen mit Hilfe der Sicherheitskräfte im Keim zu ersticken". Und der Staatssekretär für öffentliche Ordnung, José Carlos Macedo Monteiro, fügte hinzu, dass die Regierung und die Sicherheitskräfte keinerlei Handlung tolerieren würden, die darauf abziele, "die öffentliche Ordnung im Land zu stören".
"Die politische Situation im Land ist sehr angespannt. Die Straßen von Bissau sind voller Soldaten, und die Bevölkerung ist in Panik und hat Angst davor, was in nächster Zukunft passieren könnte", sagt der Vorsitzende der Menschenrechts-Liga Guinea-Bissaus, Bubacar Turé. Die Situation sei kaum vorhersehbar. Noch gebe es keine großen Demonstrationen, die starke Präsenz der Sicherheitskräfte auf den Straßen der Hauptstadt Bissau zeigten Wirkung. Außerdem hielten sich Muslime, die inzwischen mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, während Ramadan traditionell zurück.
Größere Proteste werden bislang vor allem unter den bissau-guineischen Auswanderer-Communities im Ausland, insbesondere in der früheren Kolonialmacht Portugal, hörbar: "Wir haben uns heute versammelt, um die Einhaltung der Verfassung unseres Heimatlandes, der Republik Guinea-Bissau, einzufordern. Heute geht das Mandat von Umaro Sissoco Embaló zu Ende. Wir sind hier, um den Respekt vor dem Gesetz einzufordern…", so ein Demonstrant in der portugiesischen Hauptstadt an dem Tag, als das Präsidentschaftsmandat Sissoco Embalós offiziell endete. Die Proteste schlossen mit dem Slogan: "Sissoco, raus! Sissoco, raus! Es lebe die Demokratie!"
Hinwendung nach Russland
„Wir wissen, dass der Präsident heute in Russland weilt. Keiner weiß, was er dort macht. Putin hat wohl verlautbart, dass Sissoco im Amt bleiben soll. Was Putin sagt, tangiert unsere Verfassung in keinster Weise!", sagt ein weiterer Teilnehmer der Kundgebung der DW.
Pedro Jandim, Vertreter von Domingos Simões Pereiras Partei, PAIGC, in Deutschland, sagt im DW-Interview: "Wir haben einen Präsidenten, der sich nicht um die Probleme der Menschen im eigenen Land kümmert, weil er ständig seinen Geschäften im Ausland nachgeht. Unsere Schulen funktionieren nicht, unsere Krankenhäuser funktionieren nicht. Straßen werden nicht gebaut. Nichts funktioniert in Guinea-Bissau. Es muss sich etwas entscheidend ändern."
ECOWAS-Vermittlung gescheitert
Doch eine entscheidende Änderung ist nicht in Sicht. Eine hochrangige Delegation der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, unter der Führung des nigerianischen Diplomaten Bagudu Hirse, die in dem Konflikt vermitteln wollte, reiste in der Woche des Ablaufs des Mandats von Sissoco nach Bissau, um in dem Konflikt zu vermitteln, musste aber am 1. März unverrichteter Dinge wieder abreisen. In einer Pressemitteilung warf die ECOWAS-Delegation Sissoco Embaló vor, der Vermittlungsmission mit einem Rauswurf aus dem Land gedroht zu haben, bevor er sich auf eine Auslandsreise nach Russland begab.
"Die ECOWAS hat keine Durchsetzungskraft", sagt der Jurist und Vorsitzende der bissau-guineischen Menschenrechts-Liga, Bubacar Turé, im DW-Gespräch. "Die ECOWAS ist sehr schwach zurzeit. Sie kann ihre eigenen Regeln nicht durchsetzen. Es sieht so aus, dass diese Instanz scheitern wird." Guinea-Bissau sehe einer sehr komplizierten Zukunft entgegen, so Turés Fazit.
Mitarbeit: Braima Darame