Cannabis gefährdet Fruchtbarkeit und IVF-Erfolg von Frauen
9. September 2025Frauen, die sich ein Kind wünschen, sollten lieber auf den Konsum von Cannabis verzichten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die den Einfluss von Cannabis und speziell von THC auf die weibliche Fruchtbarkeit und auf eine künstliche Befruchtung untersucht hat. THC ist der Wirkstoff im Cannabis, der eine berauschende Wirkung hat.
Laut Studie kann Cannabis die weibliche Fruchtbarkeit und den Erfolg von künstlicher Befruchtung negativ beeinflussen, weil die Entwicklung und die Stabilität der Eizelle gestört werden.
Studienfokus auf THC im Eizell-Umfeld
Bei der künstlichen Befruchtung (In-Vitro-Fertilisation, kurz IVF) werden Ei- und Samenzelle im Labor zusammengebracht. Die Autoren untersuchten sowohl die Auswirkungen von THC auf isolierte menschliche Eizellen im Labor als auch die IVF-Ergebnisse von Patientinnen mit nachweisbarem THC in der Follikelflüssigkeit - der Flüssigkeit im Eierstock, die sich rund um die Eizelle befindet. Nachweisbares THC in der Follikelflüssigkeit bedeutet, dass die Frau vor oder während des IVF-Zyklus Cannabis konsumiert hat und THC tatsächlich bis zum Eizell-Umfeld gelangt ist.
Die Studie wurde vom Forschungsteam um Cyntia Duval am CReATe Fertility Centre im kanadischen Toronto durchgeführt, gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Toronto und weiteren Institutionen. Untersucht wurden 1059 Frauen unter IVF-Bedingungen, davon waren 62 THC-positiv.
Bei den THC-positiven Patientinnen wurden die Raten für Eizellreifung, die Befruchtung und die Blastozystenentwicklung untersucht. Die Blastozyste ist das Entwicklungsstadium, das sich in der Gebärmutter einnistet und für eine erfolgreiche Schwangerschaft besonders wichtig ist.
Zudem analysierte die Studie mögliche Fehler in der Zellteilung und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Embryo einen gesunden Chromosomensatz (Euploidie) hat. Ein fehlerhafter Chromosomensatz (Aneuploidie) ist oftmals die Ursache von Fehlgeburten.
Cannabis stört Entwicklung der Eizelle und genetische Stabilität
Das Ergebnis war eindeutig: THC-positive Patientinnen hatten eine signifikant niedrigere Rate an euploiden Embryonen, was bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit für genetisch gesunde Embryonen und eine erfolgreiche Schwangerschaft reduziert war.
Zwar reifen die Eizellen bei Patientinnen mit THC in der Follikelflüssigkeit etwas schneller und häufiger aus. Aber sie hatten deutlich weniger Embryonen mit gesundem Chromosomensatz (60 Prozent vs. 67 Prozent bei Kontrollpersonen). Dies kann die Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft und ein gesundes Kind verschlechtern.
Im Labor führte THC zu mehr Fehlern bei der Chromosomenverteilung und zu einem fehlerhaften Aufbau der Eizellstruktur. Besonders bei höheren THC-Dosen wurden deutlich häufiger Spindel-Fehlbildungen beobachtet. Der sogenannte Spindelapparat ist wichtig für eine korrekte Zellteilung. Passieren hier Fehler, können Fehlgeburten oder Entwicklungsstörungen die Folge sein.
Im Rahmen der Studie durchgeführte Genanalysen legen die Vermutung nahe, dass THC die Aktivität von Genen in der Eizelle verändert, die für die korrekte Verteilung des Erbguts bei der Zellteilung zuständig sind. THC beeinflusst außerdem Gene, welche die Extrazellulärmatrix steuern - ein Netzwerk aus Proteinen und anderen Molekülen, das Zellen stabilisiert und für die Einnistung und Entwicklung des Embryos wichtig ist.
Weitere Untersuchungen zu Alter und Cannabis-Konsum nötig
Die Ergebnisse zum Spindelapparat seien sehr wichtig, so der nicht an der Studie beteiligte Prof. Dr. Artur Mayerhofer, Arbeitsgruppenleiter am BioMedizinischen Centrum München (BMC): "Das sind aus meiner Sicht die besten Daten." Mayerhofer sieht die Untersuchung allerdings auch kritisch: "Störungen des Spindelapparats nehmen auch mit dem Alter der Frau zu. Das ist in der Arbeit bisher nicht berücksichtigt worden – die Fallzahl ist zu gering für eine aussagekräftige Statistik."
Ähnlich sieht dies der ebenfalls nicht an der Studie beteiligte Dr. Wolfgang Paulus, Oberarzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie am Universitätsfrauenklinik Ulm: "Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch und In-Vitro-Fertilisation sind durchschnittlich älter und haben häufiger genetische Belastungen, weshalb oft keine erfolgreiche Schwangerschaft zu verzeichnen ist. Möglicherweise verursacht THC bei jungen, genetisch unauffälligen Frauen weniger Effekte im Hinblick auf die Reproduktion". Bei künftigen Studien müssten daher die Auswirkungen von THC auf verschiedene Altersgruppen untersucht werden.
Zudem fehlten in der Studie präzisere Angaben, wie viel Cannabis jeweils konsumiert wurde, bemängelt Wolfgang Paulus: "Eine Einschränkung der vorliegenden Studie ist der Mangel an Daten zu den Konsumgewohnheiten von Cannabis, zum Beispiel Häufigkeit, Zeitpunkt, Dosierung und Art des Konsums."
Trotz der wichtigen Erkenntnisse bleibe der Wirkmechanismus von THC unklar, so Artur Mayerhofer von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). "Untersuchungen an einer Zellart – wie hier an Oozyten in einem klinischen Setting der IVF – geben nur bedingt Aufschluss über eine systemische Wirkung und somit die 'Bedeutung im Alltag'", so Mayerhofer. Bei künftigen Studien sollten seiner Meinung nach auch "nicht berücksichtigte Einflussgrößen wie der Konsum anderer Drogen" untersucht werden.