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Faktencheck: Falschaussagen zur Bundestagswahl entlarvt

23. Februar 2025

Unterschriebene Wahlzettel, versiegelte Wahlurnen, Bleistifte fürs Wahlkreuz - zur Bundestagswahl kursieren einige Falschbehauptungen, Manipulationsvorwürfe und Fake News. Was stimmt, was nicht?

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Eine Person wählt in einem Wahllokal in einer Kneipe während der Bundestagswahl 2025 in Berlin, Deutschland
Auch während der Bundestagswahl 2025 kursieren viele Falschinformationen zum Wahlvorgang und verunsichern WählerBild: Fabrizio Bensch/REUTERS

Was ist im Wahllokal erlaubt, was macht eine Stimme ungültig? Im Netz kursierten am Wahltag der Bundestagswahl 2025 Vorwürfe der Wahlmanipulation, weil Wahlurnen nicht mit einem Schloss versehen waren, bis hin zu irreführenden Ratschlägen, dass man die Wahlzettel unterschreiben sollte. Das DW Faktencheck Team hat sich einige der viralen Behauptungen angeschaut.

Unterschrift macht Wahlzettel ungültig?

Behauptung: In einem 150.000 Mal angesehen Post auf X wurden Wähler der in Teilen rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland (AfD) aufgefordert, ihren Stimmzettel zu signieren: "Gegen Wahlbetrug Wahlzettel unterschreiben", steht in großen Buchstaben auf einer Grafik, die von einem Satire-Account verbreitet wurde. Auch weitere Nutzer haben die Grafik geteilt. Dabei ähnelt das Bild der Wahlkampfwerbung der AfD. Weitere ähnliche Bilder kursieren auch in anderen Netzwerken wie Reddit.

Ein Post auf X behauptet fälschlicherweise das man die Wahlzettel unterschreiben sollte
Jede Form von handschriftlichen Ergänzungen wie die Unterschrift oder Kommentare machen den Stimmzettel ungültigBild: x

DW Faktencheck: Falsch.

Unterschriebene Wahlzettel sind in Deutschland ungültig. Jede Form von handschriftlichen Ergänzungen wie die Unterschrift oder Kommentare machen den Stimmzettel ungültig, selbst dann, wenn sie die Wahlentscheidung eigentlich bekräftigen sollen.

Auf der Webseite der Bundeswahlleitung, die die Bundestagswahlen organisiert und überwacht, wird klargestellt: "Wird ein Hinweis auf die Wählerin oder den Wähler (zum Beispiel durch Namensangabe) auf den Stimmzettel geschrieben, so wird dieser wegen Gefährdung des Wahlgeheimnisses ungültig." Das ist im Bundeswahlgesetz unter § 39geregelt: "Ungültig sind Stimmen, wenn der Stimmzettel einen Zusatz oder Vorbehalt enthält." Jegliche Aufrufe, Stimmzettel zu unterschreiben, sind also Aufforderungen, die eigene Stimme ungütig zu machen.

Was zusätzlich bei dem Post auf X auffällig ist: Er ruft dazu auf, am 24. Februar abzustimmen - was einen Tag nach der eigentlichen Bundestagswahl am 23. Februar ist. 

Wahlzettel durch Bleistift ungültig?

Behauptung: Einige Nutzer scheinen Wahlbetrug zu wittern, weil sie in der Wahlkabine einen Bleistift vorgefunden haben. Einer schreibt auf X: "Vergiss deinen Kugelschreiber nicht. Macht kein Kreuz, wenn es in der Wahlkabine einen Bleistift gibt und besteht auf einen Kugelschreiber." Ein anderer unterstellt unlautere Absichten: "Sie denken echt an alles... In der Wahlkabine hat ein Kugelschreiber zu liegen und kein Bleistift ...". Ein TikTok-Video, in dem jemand seine Kreuze mit Buntstift macht, wird kommentiert mit: "Damit ungültig mit einem Buntstift…"

Ein Post behauptet fälschlicherweise, dass in der Wahlkabine ein Kugelschreiber liegen sollte und kein Bleistift.
Einige Nutzer scheinen Wahlbetrug zu wittern, weil sie in der Wahlkabine einen Bleistift vorgefunden haben

DW Faktencheck: Falsch.

Die Bundeswahlordnung sieht nach § 50 lediglich vor: "In der Wahlkabine soll ein Schreibstift bereitliegen." Welche Art von Stift es sein muss, steht dort nicht, auch nicht, dass er dokumentenecht sein muss. Die Bundeswahlleiterin schreibt dazu auf ihrer Homepage: "Eine nachträgliche Manipulation des Stimmzettels ist ausgeschlossen, weil die Stimmauszählung öffentlich ist und die Mitglieder der Wahlvorstände sich außerdem gegenseitig kontrollieren." Die Wahlvorstände, also die Personen, die den korrekten Ablauf der Wahl in einem Wahlbüro überwachen, und ihre Stellvertreter sind zudem parteiübergreifend besetzt.

Wer trotzdem lieber einen eigenen Stift mitbringt, darf das tun, sollte aber darauf achten, dass keine Tinte durch das Papier sickert. Wenn sie verschmiert könnte nicht mehr deutlich zu erkennen sein, wo das Kreuz gemacht wurde. Dann würde der Stimmzettel für ungültig erklärt. Auch darf nach außen hin nicht zu erahnen sein, wo das Kreuz gemacht wurde.

Stimmabgabe muss geheim erfolgen

Das einzige, was an diesen Posts gegen die Bundeswahlordnung verstößt, sind die Fotos und Videos selbst: "In der Wahlkabine darf nicht fotografiert oder gefilmt werden", heißt es in § 56 der Bundeswahlordnung. Ebenso wenig ist es erlaubt, anderen zu zeigen, wo man sein Kreuz auf dem Stimmzettel gemacht hat.

Armin Laschet wirft seinen Stimmzettel mit Kreuzen bei der CDU in eine Wahlurne
Bei der Bundestagswahl 2021 hatte der damalige CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet (links) seinen Wahlzettel so gefaltet, dass jeder sehen konnte: Er hatte für seine eigene Partei gestimmt. Laut § 56 hätte der Wahlvorstand verhindern müssen, dass der Politiker den Wahlschein einwirft.Bild: Thilo Schmuelgen/dpa/picture alliance

Beides stellt einen Verstoß gegen das Wahlgeheimnis dar. Zwar darf man jedem erzählen, wen man wählen wird oder gewählt hat, der Wahlvorgang selbst muss aber geheim sein. Das ist in Deutschland ist nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht.

Der Wahlvorstand ist sogar verpflichtet Wähler zurückzuweisen, die ihre Wahl während des Wahlvorgangs nicht verheimlichen. Darunter fallen - auch bei der Briefwahl - das Fotografieren oder Zeigen ausgefüllter Stimmzettel. Wird etwa ein Stimmzettel im Wahlbüro so gefaltet, dass die Kreuze sichtbar sind, darf er nicht eingeworfen werden. Die betreffende Person hat lediglich das Recht einen neuen Wahlzettel zu verlangen, um ihre Stimme erneut und geheim abzugeben. Landet ein solcher Stimmzettel dennoch in der Wahlurne, kann er jedoch nicht mehr ungültig gemacht werden.

Müssen Wahlurnen in Deutschland verschlossen werden?

Behauptung: In den sozialen Medien bemängeln User, dass einige Wahlurnen keine Schlösser haben. Dieser Nutzer auf X schrieb: "Wer wissen will warum in D immer die gleichen an der Macht sind. Urne Wahlkreis 84, Bezirk 10, Wahllokal 324. Laut Aussage Wahlvorstand hält der Bundeswahlleiter eine Versiegelung der Urnen nicht für nötig." Ähnliche Behauptungen wurden von anderen Nutzern aufgestellt, wie hier: "Damit sind sowohl die Urnen als auch der Inhalt einfach austauschbar, da nicht für den Wahlbezirk authentisch identifizierbar und durch NICHTS für den Wähler gesichert. So könnten sie geöffnet werden und alle Wahlzettel könnten durch andere ausgetauscht werden …"

Ein Post auf X behauptet fälschlicherweise, dass eine nicht mit Schloss versehene Wahlurne zu Manipulation führen könnte.
Laut Bundeswahlordnung §51 müssen Wahlurnen verschließbar sein, aber eine Sprecherin der Bundeswahlleiterin bestätigte, dass weder ein Schloss noch ein Siegel Pflicht seienBild: X

DW Faktencheck: Falsch.

In der Bundeswahlordnung § 51 heißt es: "Die Wahlurne muss mit einem Deckel versehen sein. (...) Sie muss verschließbar sein." Laut einem Faktencheck der Nachrichtenagentur AFP erklärte eine Sprecherin der Bundeswahlleiterin am Telefon: "Wie sie verschlossen wird, ist nicht festgelegt. Es muss weder ein Schloss noch ein Siegel dran sein."

Bereits zur Bundestagswahl 2021 kursierten dieselben Vorwürfe. Schon damals bestätigte ein Sprecher des damaligen Bundeswahlleiters der DW, dass die Urnen verschlossen sein müssen. Wie, sei rechtlich nicht festgelegt.

Einfach ausgetauscht werden können die Wahlzettel dennoch nicht, da sich nach § 54 der Bundeswahlordnung während der Öffnung des Wahlbüros bis zur "Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses", also bis zum Ende der Auszählung, jeder im Wahlraum aufhalten darf. Jeder Bundesbürger hat also das Recht, als Wahlbeobachter darüber zu wachen, dass es keine Manipulationen gibt.

Ausschluss einer Wahlbeobachterin in Bayern?

Screenshot eines Tiktok-Videos:  Eine Userin behauptete zunächst, in einem bayerischen Wahllokal sei sie von einer Wahlbeobachtung abgehalten worden. Diese Aussage hat sie später revidiert. (Screenshot: Tiktok.com)
Eine Tiktok-Nutzerin behauptet, dass es Unregelmäßigkeiten bei der Wahlbeobachtung in einem Wahllokal in Bayern gab - und revidierte diesen Vorwurf später.Bild: tiktok

Behauptung: Rund 900.000 Mal aufgerufen wurde am Sonntag ein TikTok-Video einer bayerischen Userin, die sich über die Auszählung in einem Wahllokal in der Nähe von Bamberg informiert hatte. Dort wollte sie als Wahlbeobachterin teilnehmen. "Ich glaube, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn sie meinten zu mir, dass sie um 18 Uhr das Wahllokal schließen, die Urne öffnen, alles vorbereiten, und dann die Leute erst wieder reinholen. Das ist doch nicht richtig oder?", so die Userin, die das Video auch mit den Hashtags "Betrug" und "Skandal" versah. 

DW Faktencheck: Irreführend

Unsere Faktencheck-Kollegen von BR24 #Faktenfuchs erfuhren in einem Telefonat mit der TikTok-Userin, dass es sich um ein Wahllokal in Seigendorf gehandelt habe. Sie schilderte in dem Video, dass man ihr am Nachmittag auf Nachfrage im Wahllokal gesagt habe, Wahlbeobachter müssten bei Schließung des Wahllokals um 18 Uhr den Raum verlassen. Dann würden die Urne geöffnet und alles vorbereitet und erst dann dürften die Wahlbeobachter wieder den Raum betreten. Dieser angebliche zeitweise Ausschluss von Wahlbeobachtern sorgte für zahlreiche Reaktionen im Netz, Tausende Nutzer kommentierten ihr Video.

Auf #Faktenfuchs-Anfrage schrieb der Wahlsachbearbeiter der Gemeinde Hirschaid per Mail, vom Wahllokal selbst habe er "nichts von einem derartigen Vorfall gehört". Den Wahlhelfern werde in Schulungen erläutert, dass die Wahlen und die Auszählung öffentlich seien.

Zur Auszählung ab 18 Uhr war die Frau dann nach eigenen Angaben anwesend. In einem zweiten, später am Abend veröffentlichten Videoklärt sie darüber auf, dass alles reibungslos verlaufen sei und die Wahlbeobachter die gesamte Zeit über im Wahllokal bleiben durften - auch bei der Öffnung der Urne. Doch dieses Video erzielte am Sonntagabend nur einen Bruchteil der Reichweite des ersten Videos. 

Die Bundeswahlleiterin schrieb auf #Faktenfuchs-Anfrage, nur die Stimmabgabe sei geheim. Alle übrigen wesentlichen Schritte bei der Durchführung der Wahl seien öffentlich und könnten beobachtet werden. Die Beendigung des Zeitraums für die Stimmabgabe gemäß §60 der Bundeswahlordnung habe darauf keinen Einfluss.

Mitarbeit: Anna Bakovic, Georg Braunschweig, Karla Sophie Kretz, Andreas Wißkirchen, Claudia Dehn

Redaktion: Uta Steinwehr

Hinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen der Kooperation der ARD-Faktenchecker von ARD-faktenfinder, BR24 #Faktenfuchs, und DW Fact check.

Dieser Artikel wurde um eine weitere Behauptung aktualisiert. 

Faktencheck: KI-Influencerinnen und die Bundestagswahl

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Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.