Bundestagswahl: CDU/CSU werden die neue Regierung anführen
Veröffentlicht 23. Februar 2025Zuletzt aktualisiert 24. Februar 2025Das Wichtigste in Kürze
- Die bisherige Koalition von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat ihre Mehrheit verloren.
- Die konservative CDU/CSU mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz erhält die meisten Stimmen, benötigt aber Koalitionspartner, um regieren zu können.
- Zweitstärkste Partei ist die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD).
- Danach kommen die SPD, die Grünen und die Linke.
- Die FDP wird wohl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, die BSW muss um den Einzug ins Parlament bangen.
- Die Wahlbeteiligung war hoch, nach den vorläufigen Angaben betrug sie rund 83 Prozent.
- Die vorgezogenen Bundestagswahlen waren nötig geworden, weil im November 2024 die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP zerbrochen war. Laut Statistischem Bundesamt waren 59,2 Millionen Deutsche wahlberechtigt. 29 Parteien waren angetreten.
Damit endet die Live-Berichterstattung von der Bundestagswahl. Hier können Sie die Ereignisse des Wahltages nachlesen. Eine Analyse der Wahlergebnisse gibt es hier.
Bundestagswahl 2025 - die neueste Hochrechnung
Die neueste Hochrechnung nach Schließung der Wahllokale:
Regierungsbildung noch vor Ostern?
Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, erklärte, die Christdemokraten hätte sich "stärkere Zahlen gewünscht, um die Basis zu haben, eine starke, eine überzeugende, eine stabile Regierung für Deutschland bilden zu können." Auf der anderen Seite sei auch klar, dass CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz einen starken Regierungsauftrag bekommen habe. "Die Menschen möchten Friedrich Merz als Bundeskanzler haben. Aber für uns ist am Ende eben auch entscheidend, dass das Mandat so stark ist, dass wir damit auch tatsächlich eine Politikwende für Deutschland erreichen können."
Frei sagte, er hoffe, dass die Regierungsbildung noch vor Ostern möglich sei, denn "die außenpolitischen Verhältnisse, die warten nicht auf uns in Deutschland. Da werden wir jetzt sehr schnell handlungsfähig werden müssen". Auch die innenpolitischen Herausforderungen seien gewaltig.
FDP scheitert wohl mit Wiedereinzug in den Bundestag
Nach Auszählung vieler Stimmzettel ist nach Einschätzung von Wahlforschern ein Einzug der FDP in den nächsten Bundestag unwahrscheinlich. In Hochrechnung liegt die Partei von Christian Lindner derzeit bei 4,4 Prozent. Im Bund scheitern die Liberalen damit voraussichtlich zum zweiten Mal in ihrer Geschichte an der Sperrklausel. Sie sieht vor, dass Parteien in der Regel mindesten fünf Prozent der Stimmen bekommen muss, um in den Bundestag einzuziehen.
Hoffnung kann sich noch das Bündnis Sarah Wagenknecht machen, das in der Hochrechnung derzeit bei 4,9 Prozent liegt. Es könne an einem Wahlkreis hängen, so der Wahl-Experte des Senders ARD, Jörg Schönborn.
AfD-Fraktionsvorsitzender: "Brandmauern lohnen sich nicht"
Der Fraktionsvorsitzende der rechtspopulistischen AfD im Bundestag, Tino Chrupalla, zeigte sich im Interview mit der DW sehr zufrieden mit dem Wahlergebnis: "Wir haben uns verdoppelt. Wir haben 100 Prozent der Wähler dazugewonnen. Das ist sensationell historisch für uns. Wir sind zweitstärkste Kraft. Also ich bin rundum zufrieden."
Seine Botschaft an die anderen Parteien sei, dass sich "Brandmauern nicht lohnen". Der Wähler habe sich ganz klar sich gegen Brandmauern entschieden, so Chrupalla. Mit dem Begriff ist gemeint, dass die Parteien aus der politischen Mitte eine Zusammenarbeit mit der in Teilen als rechtsextrem eingestuften Partei ablehnen. Als zweitstärksten Kraft in Deutschland habe die AfD "auch vom Wähler den Auftrag bekommen", aktiver in Deutschland Politik zu machen.
Das gute Wahlergebnis erklärte Chrupalla mit einem guten Wahlkampf und "weil wir interessengeleitete Politik für Deutschland machen wollen. Friedenspolitik. Wir wollen den Ukraine-Krieg so schnell wie möglich diplomatisch beenden und nicht weiter mit Waffen liefern, wo der Steuerzahler weiterhin gemolken wird und wo wir fremde Kriege finanzieren."
Wer wählte wen?
Hier schauen wir genauer auf die Wählergruppen der Bundestagswahl:
FDP-Chef Lindner gibt Rückzug aus der Politik bekannt
FDP-Chef Christian Lindner hat nach der Niederlage seiner Partei bei der Bundestagswahl seinen Rückzug angekündigt. "Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus", ließ Lindner am späten Sonntagabend im Kurzmitteilungsdienst X verlauten. Die Bundestagswahl habe eine Niederlage für die FDP gebracht, "aber hoffentlich einen Neuanfang für Deutschland". Dafür habe er gekämpft, so Lindner: "Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus. Mit nur einem Gefühl: Dankbarkeit für fast 25 intensive, herausfordernde Jahre voller Gestaltung und Debatte."
Die FDP liegt in aktuellen Hochrechnungen deutlich unter fünf Prozent. Die liberale Partei ist damit im nächsten Bundestag aller Voraussicht nach nicht mehr vertreten.
Grünen-Fraktionschefin: "Vertrauen in die Parteien gemindert"
Bei den Grünen starren fast alle im großen Saal im Berlin-Kreuzberg auf die "Elefanten-Runde". Das ist die Sendung mit allen Spitzenkandidaten der Bundestagswahl bei den Sendern ARD und ZDF, die eigentlich "Berliner Runde" heißt. Die Partygäste sehen einen gescheiterten Kanzler Olaf Scholz von der SPD und seinen wahrscheinlichen Nachfolger, CDU-Chef Friedrich Merz.
Unten läuft die jüngste Hochrechnung durchs Bild. Noch ist unklar, ob die Liberalen von der FDP und ob das BSW (Bündnis Sarah Wagenknecht) es noch in den Bundestag schaffen. Davon hängt dann auch ab, ob die Grünen als Regierungspartei vielleicht doch noch gerbraucht werden.
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, sagt im Interview mit der Deutschen Welle, die Grünen seien von ihrer Ausrichtung her längst eher eine Regierungs- als eine Oppositionspartei: “Wir müssen in der Lage sein, gesprächsbereit zu sein, bündnisfähig zu sein. Aber wir müssen jetzt erst einmal abwarten, was das bedeutet. Das unterscheidet diesen Wahlabend von vielen anderen, die wir erlebt haben.“
In der Tat: FDP und BSW liegen so knapp rund um die 5-Prozent-Hürde, dass das ein langer Abend werden kann. Wie viele hier findet auch die Grünen-Fraktionschefin, der Wahlkampf sei irgendwann nur noch vom Thema Migration bestimmt worden - und die Abstimmung der CDU mit den Stimmen der AfD im Bundestag habe alles verändert - und den Grünen nicht nur genutzt: "Das war eine klare Zäsur, ein Tabubruch. Das haben auch die vielen tausend Menschen deutlich gemacht, die dagegen auf den Straßen waren. Die Angst hatten um Freiheit und Rechtsstaatlichkeit." Und das habe insgesamt das Vertrauen in die Parteien gemindert.
Scholz will mit Merz über Politikschwerpunkte sprechen
Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will bis zur Regierungsbildung durch die Wahlsieger CDU/CSU mit deren Spitzenkandidaten Friedrich Merz sprechen. Dabei soll es über aktuelle politische Schwerpunkte der Regierungspolitik gehen.
Auf die Frage, ob er Merz die Amtsübergabe erleichtern werde, sagte Scholz in Sendung "Berliner Runde": "Wir werden sicherlich Wege finden, miteinander über die Politik, die Deutschland international vertritt, zu sprechen." Das müsse sein, "alles andere wäre eigenwillig", fügte Scholz in der Sendung mit den Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl hinzu.
Wahlsieger Merz strebt an, bis Ostern eine neue Regierung zu bilden - mit wem, ist noch offen. Dies hängt auch davon ab, ob das BSW und die FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, wie aktuell in den Hochrechnungen zu sehen ist.
Linken-Urgestein Gysi wird wohl Alterspräsident im Bundestag
Und noch ein Höhepunkt: Die graue Eminenz Gregor Gysi betrat unter ohrenbetäubendem Jubel die Bühne auf der Wahlparty der wiedererstarkten Linken. Der 77-Jährige gehört mit einer kurzen Unterbrechung seit 1990 dem Bundestag an. Nach inzwischen über 30 Jahren ist er jetzt dienstältester Abgeordneter.
Deshalb wird er als sogenannter Alterspräsident bei der konstituierenden Sitzung des jetzt gewählten Bundestags die Eröffnungsrede halten. Über den Inhalt und die Dauer entscheidet Gysi allein. Man darf schon deshalb gespannt sein, weil der gebürtige Berliner parteiübergreifend als einer der besten Parlamentsredner gilt.
Lindner kündigt Rückzug bei FDP-Ausscheiden aus Bundestag an
FDP-Chef Christian Lindner hat seinen Rückzug aus der Politik angekündigt, sollte seine Partei bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Werde die FDP nicht in den Bundestag einziehen, müsse sich die Partei "vollständig politisch und personell erneuern", sagte Lindner in der "Berliner Runde" mit den Spitzenkandidaten bei den Sendern ARD und ZDF. Er selbst werde dann aus der Politik aussteigen, sein Führungsanspruch sei dann erloschen.
In den Hochrechnungen lag die FDP gegen 20 Uhr unter fünf Prozent. Damit würde sie den Einzug in den Bundestag verpassen. 2013 war die FDP schon einmal bei einer Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.
Faktencheck: Müssen Wahlurnen in Deutschland verschlossen werden?
Die Behauptung: In den sozialen Medien bemängeln User, dass einige Wahlurnen keine Schlösser haben. Dieser Nutzer auf X schrieb: "Wer wissen will warum in D immer die gleichen an der Macht sind. Urne Wahlkreis 84, Bezirk 10, Wahllokal 324. Laut Aussage Wahlvorstand hält der Bundeswahlleiter eine Versiegelung der Urnen nicht für nötig." Ähnliche Behauptungen wurden von anderen Nutzern aufgestellt, wie hier: "Keine Urne war versiegelt und die Menschen vor Ort hatten nach eigenen Angaben den Schlüssel zu den Urnen. Damit sind sowohl die Urnen als auch der Inhalt einfach austauschbar, …"
Die Fakten: In der Bundeswahlordnung § 51 heißt es: "Die Wahlurne muss mit einem Deckel versehen sein. Ihre innere Höhe soll in der Regel 90 cm, der Abstand jeder Wand von der gegenüberliegenden mindestens 35 cm betragen. Im Deckel muss die Wahlurne einen Spalt haben, der nicht weiter als 2 cm sein darf. Sie muss verschließbar sein."
Laut einem Faktencheck der Nachrichtenagentur AFP erklärte eine Sprecherin der Bundeswahlleiterin am Telefon: "Wie sie verschlossen wird, ist nicht festgelegt. Es muss weder ein Schloss noch ein Siegel dran sein".
Einfach ausgetauscht werden können die Wahlzettel dennoch nicht, da sich nach §54 der Bundeswahlordnung ab Öffnung des Wahlbüros bis zur "Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses", also bis zum Ende der Auszählung, jeder im Wahlraum aufhalten darf". Jeder Bundesbürger hat also das Recht, als Wahlbeobachter darüber zu wachen, dass es keine Manipulationen gibt.
Bundeskanzler Scholz (SPD) räumt Wahlniederlage ein
Der Bundeskanzler und Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, hat die Niederlage seiner Partei bei der Bundestagswahl eingestanden. "Das ist ein bitteres Wahlergebnis für die sozialdemokratische Partei", sagte Scholz nach den ersten Hochrechnungen am Sonntagabend im Berliner Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der SPD.
Linke auch in West-Berlin erfolgreich
Die Euphorie der Linken kennt keine Grenzen: Über acht Prozent in den Hochrechnungen und im besten Fall auch acht gewonnene Direktmandate, fünf davon in der deutschen Hauptstadt Berlin. Eine absolute Premiere wäre der Erfolg von Ferat Koçak in Neukölln, denn die Linke hat im Westen der Stadt noch nie einen Wahlkreis gewonnen.
Berlin war bis zur Wiedervereinigung 1990 wie ganz Deutschland in Ost und West geteilt. Das hat in Teilen bis heute Nachwirkungen. Neukölln gehörte damals zum freien Westteil Berlins. Der Nachbarbezirk Treptow, wo Ex-Parteichef und Linken-Promi Gregor Gysy angetreten ist, war Teil des kommunistischen Ostens. Zwischen beiden Bezirken verlief die Berliner Mauer.
Die Wählerwanderung
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Linke bejubelt Ex-Ministerpräsident Ramelow
Riesenjubel auf der Wahlparty der Linken in Berlin, als Bodo Ramelow live aus Erfurt zugeschaltet wird. Er war bis Dezember 2024 Ministerpräsident in Thüringen - der erste und einzige der Linken. Nach zehn Jahren als Regierungschef musste er wegen der Niederlage seiner Partei bei der Landtagswahl seinen Chefsessel räumen.
Für ihn und die ganze Partei damals besonders bitter: Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), eine Abspaltung der Linken, hatte mehr Stimmen bekommen. Das war im September. Jetzt, fünf Monate später triumphiert die Linke bei der Bundestagswahl und das BSW scheint laut Hochrechnungen an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Späte Genugtuung, auch wenn auf der Wahlparty der Linken niemand offen Schadenfreude zeigt.