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Bundestag verliert Spitzenstellung in der Welt

24. März 2025

Der neue Bundestag wird kleiner sein als der alte. Damit landet er in der Rangliste der demokratischen Parlamente nur noch auf Platz 3. Wie groß sind Parlamente woanders? Dabei zählt nicht nur die Zahl der Sitze.

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Umbau des Bundestagsplenarsaals für die neue Legislaturperiode
Umbau im Bundestag: Sitze werden im Plenarsaal entfernt, weil rund 100 Abgeordnete weniger am Dienstag Platz nehmen werdenBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Nach der Bundestagswahl im Februar trifft sich das deutsche Parlament am Dienstag zum ersten Mal - in deutlich kleinerer Größe. In der ablaufenden Wahlperiode saßen 733 Abgeordnete im Plenum. In der neuen Periode werden es nur noch 630 sein. Damit ist der Bundestag nicht mehr das größte demokratisch gewählte Parlament der Welt. Dieser Titel geht jetzt an das Europaparlament, das in allen EU-Mitgliedsstaaten gewählt wird. Es hat zurzeit 720 Abgeordnete. Vor dem neuen Bundestag liegt auf Platz zwei der Rangliste noch das britische Unterhaus mit 650 Sitzen. Das kleinste demokratische Parlament der Welt umfasst gerade einmal zehn Volksvertreter, und zwar auf den Pitcairn Inseln im Südpazifik.

Warum ist die Größe wichtig? Die Zahl der Sitze in einem Parlament gemessen an der Bevölkerung spiegelt wider, wie die Wählerinnen und Wähler vertreten werden. Das Parlament der größten Demokratie der Welt, Indien, hat nur 543 Abgeordnete, die rund 1,438 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohner vertreten. Jeder Abgeordnete vertritt also im Durchschnitt 2,6 Millionen Menschen. In Deutschland beträgt dieser Wert wegen der höheren Sitzzahl und der viel kleineren Bevölkerung nur etwa 134.000.

In den Vereinigten Staaten von Amerika, einer der ältesten Demokratien der Welt, vertritt jeder der 425 Repräsentanten im Abgeordnetenhaus rund 733.000 Menschen. Die Zahl der Abgeordneten wurde in den USA im Jahr 1911 festgelegt. Seither hat sich aber die Bevölkerung fast verdreifacht.

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In Indien ist die Zahl der Vertreterinnen und Vertreter im Parlament seit 1989 auf höchstens 550 begrenzt. Die Bevölkerung wächst jedoch stark. Damit ist das indische Parlament im Verhältnis zur Einwohnerzahl das kleinste der Welt.

Im Südpazifik auf den Pitcairn Inseln leben nur 50 Menschen. Das Parlament hat zehn Sitze: ein Abgeordneter für fünf Menschen. Luxuriöse Ausstattung aus indischer, amerikanischer oder auch deutscher Sicht. Würde man diese Ratio auf den Bundestag anwenden, hätte das deutsche Parlament fast 17 Millionen Abgeordnete. 

Die Zahl der Sitze im Bundestag hat sich seit der ersten Wahl im Jahr 1949 immer mal wieder verändert. Das lag an verschiedenen Wahlrechtsreformen und an dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1990. In der alten Bundesrepublik hatte der Bundestag 497 Sitze. Nach der ersten gesamtdeutschen Wahl im Dezember 1990 waren es 662 Volksvertreterinnen und Volksvertreter, da ja 17 Millionen Menschen in den neuen Bundesländern (der ehemaligen DDR) hinzukamen. 2002 gab es den Versuch, die Zahl der Sitze durch Reduzierung der Wahlkreise auf 602 zu begrenzen.

Seither war die Abgeordnetenzahl wegen Überhangmandaten und Ausgleichsmandaten nach weiteren Wahlrechtsreformen bis 2021 auf stolze 736 angestiegen Überhangmandate entstanden, wenn mehr Parlamentarier einer Partei direkt in ihren Wahlkreisen gewählt wurden als der Partei nach Verhältniswahlrecht an Mandaten zustand. Um den Effekt der Überhangmandate auf Mehrheiten im Bundestag wieder abzufedern, wurden Ausgleichsmandate erfunden, die die Parteien erhielten, die keine Überhangmandate errungen hatten. Klingt kompliziert? Ist es auch.

Darum setzte der jetzt scheidende Bundestag eine neuerliche Wahlrechtsreform durch. Die Zahl der Mandate ist jetzt auf 630 festgelegt. Überhangmandate und Ausgleichsmandate wurden abgeschafft.

Und jetzt ist alles gut? Nein, der vermutlich nächste Bundeskanzler und Vorsitzende der konservativen CDU, Friedrich Merz, hat bereits die nächste Wahlrechtsreform angekündigt. Das neue Wahlrecht führt dazu, dass in 23 Wahlkreisen direkt gewählte Kandidaten kein Mandat zugeteilt bekommen. Das geschieht neuerdings, wenn die Zahl der direkt gewählten Kandidaten höher ist als die Zahl, die einer Partei nach dem landesweiten Verhältniswahlrecht zusteht.

Weil von diesen "verwaisten" Wahlkreisen hauptsächlich die CDU betroffen ist, sei das Wahlrecht einseitig gegen die konservative Union gerichtet, meinte Friedrich Merz. "Das muss korrigiert werden", sagte er bereits kurz nach der Wahl. Es kann also gut sein, dass für den nächsten, den 22. Bundestag, das Recht schon wieder geändert wird. Die Zahl der Sitze  könnte wieder steigen. 

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Bernd Riegert Korrespondent im Hauptstadtstudio Berlin mit Blick auf Menschen und Politik in Deutschland