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Bulgarisch-rumänisches interuniversitäres Europazentrum

3. Dezember 2004

- initiiert von der deutschen Hochschulrektorenkonferenz

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Bonn, 2.12.2004, DW-RADIO, Thomas Frahm

Der grenznahe akademische Austausch zwischen bulgarischen und rumänischen Studenten besteht seit Herbst 2002 in den Städten Russe und Giurgiu. Initiiert von der deutschen Hochschulrektorenkonferenz und unter der Schirmherrschaft der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth nahm das "Bulgarisch-Rumänische Interuniversitäre Europazentrum" (BRIE) seine Tätigkeit damals mit großen Erwartungen auf. Aus Mitteln des Stabilitätspakts für Südosteuropa stellte Berlin eine halbe Million Euro für die erste grenzüberschreitende Bildungsstätte mit universitärem Charakter in diesem Teil Europas bereit. Ebenfalls beteiligt sind deutsche Stiftungen, darunter die Gemeinnützige Hertie-Stiftung, die Stipendien in Höhe von 400.000 Euro vergibt. Thomas Frahm über die Situation zwei Jahre nach dem Beginn des Projekts:

Die Szene ist Russe, Nordost-Bulgarien, am Unterlauf der Donau. In die Räume der ältesten Deutschen Schule auf der Balkanhalbinsel ist wieder Leben eingekehrt. Aber heute sind es nicht mehr Pennäler, die nach Unterrichtsschluss lärmend die hohen Korridore und weiten Treppenhäuser des Gründerzeitbaus von 1898 überfluten, sondern Studenten des Aufbaustudiengangs Europäistik (sic). Das Institut für Europäistik wurde schon vor zehn Jahren gegründet, als die ehemalige Technische Hochschule Russe zur Universität erhoben wurde. Schon vor knapp 50 Jahren hatten deren Ingenieure mit dem Bau der gewaltigen, 2,8 Kilometer langen Brücke über die Donau ein völkerverbindendes Zeichen gesetzt. Nun hat Russe erneut die Chance genutzt, seine Individualität unter den 40 bulgarischen Hochschulen zu unterstreichen.

"Die erste Europäistik in Bulgarien wurde in Russe gegründet. Ich war begeistert davon, dass hier an der Universität etwas Neues gemacht wird und die Universität nicht von diesem Multiplizitätszwang (sic) erfasst wurde, der an anderen Universitäten zu sehen war. Überall neue Germanistiken, neue Anglistiken und die alten Fächer in zigfacher Ausführung."

Dieser innovative Geist, von dem Penka Angelova, die Institutsleiterin spricht, war sicherlich eine der Voraussetzungen dafür, dass die deutsche Hochschulrektorenkonferenz hier eines der spannendsten Projekte im Rahmen des Stabilitätspaktes für Südosteuropa erfolgreich installieren konnte: das "Bulgarisch-rumänische interuniversitäre Europazentrum". Doch Dr. Gerhard Duda, der dieses ambitionierte Vorhaben für die HRK konzipiert und gemanagt hat, verweist auch auf grundlegendere Aspekte, die zum Zeitpunkt der Planung von eminenter Bedeutung waren.

"Der Standort für dieses grenzüberschreitende Projekt ist nicht zufällig an der rumänisch-bulgarischen Donaubrücke gewählt worden. Es gibt nicht viele Standorte in Südosteuropa, wo man grenzüberschreitend arbeiten kann, weil die Spannungen zwischen den Ethnien und den Staaten immer noch sehr groß sind. Die Spannungen zwischen Rumänien und Bulgarien sollte man auch nicht unterschätzen: Man kann nicht sagen, dass Rumänen und Bulgaren ein besonders großes Interesse aneinander haben. Aber in jedem Fall gibt es an dieser Grenze keine militärischen Gefährdungen. Man lebt ruhig aneinander vorbei, aber man feindet (sic) sich nicht an."

BRIE wollte nun ganz im Sinne des Stabilitätspaktes für Südosteuropa aus dieser gleichgültigen Koexistenz eine fruchtbare Kooperation machen. Ehrgeiziger Hintergedanke: Initialzündung sein für den Aufbau einer Euroregion nach dem Muster der Euroregion zwischen Frankfurt an der Oder und dem polnischen Slubice. Die wurde international bekannt durch die berühmte Viadrina-Universität. Doch an der deutsch-polnischen Grenze war, wie Penka Angelova erzählt, die Ausgangslage besser als in Russe und Giurgiu:

"Die Kollegen aus Frankfurt/Oder haben uns ja auch gesagt: Die haben zuerst die Euroregion gehabt und dann kam die Universität. Bei uns ist es umgekehrt. Das heißt, wir haben noch mehr Schwierigkeiten, denn wir haben dann auch noch Probleme zu lösen, die eigentlich von vornherein für eine solche Region gelöst werden sollten, zum Beispiel mit dem Grenzübertritt - überhaupt die Grenzprobleme, -gebühren, Studiengebühren. Also, es sind mehr als sieben Ministerien an der Lösung eines solchen Problems beteiligt. Da sind Fragen, Probleme, die bei einer Euroregion von vornherein gelöst, geklärt sind, aber in unserem Falle eigentlich erst zu überwinden sind."

Es grenzt fast an ein Wunder, dass pünktlich zum Herbst 2002 die ersten 120 Studenten ihr Studium aufnehmen konnten: Europäistik in Russe und Wirtschaftsinformatik an der Außenstelle der Bukarester Akademie für Wirtschaftswissenschaften in Giurgiu. Der Unterricht erfolgt in deutscher und englischer Sprache. Studierende und Lehrende kommen aus beiden Ländern. Täglich überqueren sie die Donau auf dem Weg zu ihrem Studienort im anderen Land. Auch Studenten aus dem Kosovo, Mazedonien und Moldawien gibt es inzwischen. Sie wurden angelockt durch die Chance, nicht nur in den beiden wichtigsten europäischen Sprachen unterrichtet zu werden, sondern auch ein Semester an einer der vier deutschen Partner-Universitäten zu verbringen. Einige von ihnen haben dort sogar bereits Stellen als Hilfswissenschaftler bekommen. Die Lehrenden wurden durch einen Forschungsauftrag der HRK gewissermaßen zur Zusammenarbeit gedrängt: Sie sind dabei, die Bedingungen der Möglichkeit einer Euroregion zu ermitteln und damit zu zeigen, dass auch auf dem Balkan die Wissenschaft den Elfenbeinturm verlassen und sozioökonomischen Entwicklungen den Weg bereiten kann. Wie sagt es Penka Angelova doch so schön im österreichischen Dialekt:

"Da sage ich normalerweise: Unser BRIE ist kein Käse."