Bulgarien produziert mehr Waffen für Ukraine - mit EU-Hilfe
8. September 2025Die wichtigste Sicherheitsgarantie ist die Hochrüstung des Landes: Man müsse die Ukraine in ein "stählernes Stachelschwein" verwandeln, das "unverdaulich werde für künftige Invasoren wie Russland" - davon spricht EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon seit Monaten. Auch beim Gipfel der "Koalition der Willigen" vergangene Woche in Paris, dem Kreis von rund 30 Ländern, die sich unter Führung von Frankreich und Großbritannien auf einen Plan zur Unterstützung der Ukraine bis hin zur Stationierung von westlichen Bodentruppen geeinigt haben, wenn es denn irgendwann einmal einen Waffenstillstand mit Russland geben sollte.
Doch wie könnte die Ukraine tatsächlich zu dem beschworenen "stählernen Stachelschwein" werden?
Eine zentrale Rolle für die Aufrüstung der Ukraine spielen Munitionsfabriken in Bulgarien. Die haben sich "seit der Sowjetzeit auf die Herstellung von Kleinwaffen, leichten Waffen und Munition aller Kaliber spezialisiert", sagt der bulgarische Militärexperte Todor Tagarev im DW-Interview.
Massive Investitionen in moderne Fabriken in Bulgarien
Bulgarien konnte zu Beginn von Putins Großinvasion in der Ukraine schnell Kriegsgerät aus Sowjetzeiten an das angegriffene Land liefern, mit dem die Armee der früheren Sowjet-Republik sofort umgehen konnte.
Lange hielt Sofia diese Lieferungen geheim, aus Sorge vor russischer Sabotage. Meist wurden Gerät und Munition erst nach Polen geliefert, häufig über den von NATO-Patriot-Systemen geschützten Flughafen Rzeszów im Südosten Polens nahe der Grenze zur Ukraine.
Militärexperte Tagarev schnürte selbst als Verteidigungsminister seines Landes von Juni 2023 bis April 2024 eines der umfangreichsten Hilfspakete mit alten Sowjet-Waffen für die Ukraine - unter größter Geheimhaltung.
Doch diese Zeiten seien vorbei, sagt Tagarev. Nun soll Bulgarien einen gehörigen Anteil der zwei Millionen Artillerie-Geschosse produzieren - und die Regierung redet offen darüber. Bezahlt werden die Lieferungen künftig von der EU. "Bulgarien leistet also einen bedeutenden Beitrag in dieser Hinsicht, der noch weiter ausgebaut werden kann", so Tagarev.
Eine Milliarde Euro Budget: Rheinmetall-Joint-Venture
Erst Ende August gab der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall bekannt, dass er in Bulgarien eine neue Munitionsfabrik für eine Milliarde Euro aufbauen will. Das Projekt wird teilweise aus EU-Krediten finanziert und soll gemeinsam mit dem staatlichen bulgarischen Rüstungsunternehmen VMZ-Sopot entstehen: Produziert werden sollen Schießpulver und Artilleriegranaten nach dem NATO-Standard 155 Millimeter. Rheinmetall-Vorstandschef Armin Papperger hatte bereits im Februar am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im DW-Interview weitere Investitionen in Europa angekündigt.
Nach der Produktion von Munition nach Sowjetstandard für die Ukraine sei das ein entscheidender Wechsel in der bulgarischen Rüstungsindustrie, sagt der bulgarische Sicherheitsexperte Welisar Schalamanow im DW-Gespräch.
"Damit erschließen wir einen neuen Markt. Und ich denke, die Investition von Rheinmetall ist eine Anerkennung der Möglichkeiten und der Qualität unserer Munitionsproduktionsunternehmen", so Schalamanow, der dem proeuropäischen "Atlantik-Club" Bulgariens angehört. Er erwarte, dass auch die Munitionslieferungen in die Ukraine künftig einfacher werden: "Das geht direkter", glaubt Schalamanow. "Insbesondere mit der Beteiligung von Rheinmetall-Logistik könnte es viel einfacher sein, direkt über Rumänien zu gehen. Und – warum nicht – sogar über das westliche Schwarze Meer, das zumindest in unseren Hoheitsgewässern gesichert ist", sagt Schalamanow.
Europäische Investitionen auch in die Ukraine?
Doch auf dem Weg zum "stählernen Stachelschwein" hoffen auch kleine Rüstungsbetriebe in der Ukraine auf Geld aus Brüssel. "Im Jahr 2025 wird die Leistungsfähigkeit der ukrainischen Verteidigungsindustrie auf 30 bis 35 Milliarden Dollar geschätzt, aber der Staat kann höchstens die Hälfte dieses Betrags an Aufträgen vergeben", sagt Ihor Fedirko, Chef-Lobbyist des Verbandes der ukrainischen Waffenproduzenten im DW-Interview. Der Verband repräsentiert 800 private Rüstungsunternehmen, "die alle auf der Suche nach Investoren sind", so Fedirko. Europäische Geldgeber hätten eine große Auswahl für Kooperationen.
Er wäre "sehr dankbar für eine Ausweitung der bestehenden Finanzprogramme und zusätzliche Möglichkeiten zum Kauf ukrainischer Waffen im Inland" – mit europäischem Geld, so Fedirko. "Dies würde die Logistikkosten erheblich senken", die Munition käme so noch schneller zu den ukrainischen Soldatinnen und Soldaten an die Front."
Dennoch sei ihm klar, dass mögliche westliche Investoren "zuverlässige Mechanismen zur Absicherung militärischer Risiken brauchen." Das heißt: Solange die Flugabwehr der Ukraine nicht auch die kleineren Betriebe im Land dauerhaft vor russischen Angriffen aus der Luft schützen kann, profitieren eher Rüstungsbetriebe außerhalb der Ukraine wie die in Bulgarien von europäischen Investitionen.
Ex-Verteidigungsminister Tagarev: "Krieg wird weitergehen"
Und das wohl noch für eine lange Zeit. "Ich sehe kein Ende des Krieges in naher Zukunft", sagt Bulgariens Ex-Verteidigungsminister Tagarev gegenüber der DW. "Es gibt nicht einmal die Voraussetzungen für einen Waffenstillstand, geschweige denn für eine Friedenslösung", so Tagarev. Auch nach den Treffen von Trump und Putin, dem Gipfel der Europäer in Washington, den Plänen von Paris der 30 Unterstützer-Staaten der Ukraine vergangene Woche.
"Der Krieg wird weitergehen. Putin hat seine Ambitionen nicht zurückgeschraubt, die Ukraine territorial und politisch zu kontrollieren", sagt Tagarev. Und die Angegriffenen würden nicht nachgeben: "Die Ukraine wird weiterhin Widerstand leisten", so Tagarev, "mit der Unterstützung aus Europa und – künftig zu einem geringeren Teil – aus den USA."