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Bulgarien und Griechenland gute Nachbarn und Partner

12. Oktober 2004

– Griechenlands Staatspräsident besucht Bulgarien - Analyse der Beziehungen zwischen beiden Ländern in den letzten drei Jahren

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Sofia, 11.10.2004, 1050 GMT, RADIO BULGARIEN IS, deutsch, Peter Kadrew

Die Visite hat auch eine symbolische Bedeutung, weil sie 40 Jahre nach der Normalisierung der bilateralen Beziehungen durch die Unterzeichnung eines Pakets von Vereinbarungen zwischen beiden Regierungen und die Erhebung der diplomatischen Vertretungen in den Rang von Botschaften im Jahr 1964 erfolgt.

Am besten sichtbar ist die Aktivierung der Beziehungen zwischen Bulgarien und Griechenland in den Besuchen von offiziellen Vertretern und Abordnungen. Griechenland wurde seit Anfang 2002 von Außenminister Solomon Passy, der Europa-Ministerin Meglena Kunewa, den Ministern für Verteidigung, innere Angelegenheiten, für Sozialpolitik und für Verkehr Nikolaj Swinarow, Georgi Petkanow, Christina Christowa und Nikolaj Wassilew besucht. Von zentraler Bedeutung war dabei der Staatsbesuch des bulgarischen Staatspräsidenten Georgi Parwanow in Athen vom 5. bis zum 7. November 2003, sowie der Arbeitsbesuch des Regierungschefs Simeon Sakskoburggotski im Jahr 2002. Von griechischer Seite erfolgten wiederum Besuche der Minister für innere Angelegenheiten, öffentliche Ordnung, Verteidigung und für Mazedonien und Thrakien. Der damalige griechische Premierminister Kostas Simitis war Anfang 2002 der erste ausländische Staatsmann, der von Staatspräsident Georgi Parwanow nach seinem Amtsantritt empfangen wurde.

Die intensiven politischen Kontakte würden keine so große Bedeutung haben, wenn sie nicht von einer entwickelten wirtschaftlichen Zusammenarbeit getragen worden. Man könnte sogar von wirtschaftlicher Integration beider Staaten sprechen. Griechenland nimmt in den letzten Jahren traditionell den vierten Platz unter den Handelspartnern Bulgariens und den zweiten Platz nach Italien unter den EU-Staaten ein. Noch bedeutsamer ist die Tatsache, dass Griechenland der größte ausländische Investor in Bulgarien ist. Laut Angaben des bulgarischen Finanzministers Milen Weltschew beträgt die Summe der griechischen Investitionen in Bulgarien gut 1 Milliarde Dollar oder knapp 15 Prozent aller ausländischen Investitionen in Bulgarien. Da wären die Investitionen der drittgrößten griechischen Bank EFG Eurobank Ergasias zu vermerken, die eine der führenden bulgarischen Banken, die Postbank, erwarb, sowie der griechischen Telekom OTE, die den zweiten Mobiltelefonanbieter in Bulgarien "Globul" mit rund einem Drittel des Marktes aufgebaut hat. Vor einigen Tagen wurde der Molkereibetrieb der griechischen Firma "Tiras" in der südostbulgarischen Stadt Sliwen im Wert von 12 Millionen Euro eröffnet. Hunderte griechische Firmen sind im Textil- und Nahrungsgütersektor in Bulgarien aktiv. Eine Zunahme verzeichnet auch der Fremdenverkehr. In den ersten acht Monaten dieses Jahres haben knapp eine halbe Million griechische Bürger Bulgarien besucht. Mehr Ausländer kamen nur aus Deutschland. Andererseits besuchten 367.000 Bulgaren Griechenland. Das stellt einen Zuwachs von 15 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres dar. In letzter Zeit ist Bewegung in Infrastrukturprojekte gekommen, deren Verwirklichung sich um Jahre verzögert hatte. Eines des Themen bei den Gesprächen von Staatespräsident Konstantinos Stephanopoulos in Sofia wird die bevorstehende Öffnung von neuen Grenzkontrollpunkten an unserer gemeinsamen Grenze sein. Die stellvertretenden Minister werden auch das Projekt einer Verbindung des bulgarischen Donauhafens Lom mit dem griechischen Seehafen Thessaloniki durch eine moderne Eisenbahnlinie besprechen. Eine gewisse Entwicklung erfuhr auch das Projekt der Erdölpipeline von dem bulgarischen Schwarzmeerhafen Burgas zum griechischen Hafen Alexandroupolis.

In den bilateralen Beziehungen gibt es auch kritische Fragen. Eine davon sind bulgarische Arbeitkräfte in Griechenland. Beim Besuch der bulgarischen Sozialministerin Christina Christowa in Athen wurde bekannt, dass 70.000 Bulgaren in unserem südlichen Nachbarland legal arbeiten, insgesamt sollen aber rund 200.000 bulgarische Bürger ihren Broterwerb in Griechenland haben. Diese Frage wird das griechische Staatsoberhaupt in Bulgarien auch anschneiden. Beide Seiten suchen nach einer Lösung durch neue Vereinbarungen für die Beschäftigung und Sozialversicherung im Geiste der europäischen Integration.

Bulgarien und Griechenland arbeiten in internationalen Organisationen aktiv zusammen. Sie sind auch Vollmitglieder der NATO. Athen unterstützt konsequent die Integration Bulgariens in die Europäische Union. In einem Interview vor seinem Bulgarien-Besuch sagte der griechische Staatspräsident Konstantinos Stephanopoulos: "Der bevorstehende Beitritt Bulgariens zur Europäischen Union wird unseren Beziehungen eine ganz neue Qualität verleihen und der weiteren Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Ländern und Völkern nützen." (fp)