"Bulgarien ist ein wirtschaftlich stabiles und berechenbares Land"
29. Mai 2002Sofia, Mai 2002, WIRTSCHAFTSBLATT, deutsch
Die Hauptakzente der neuen Wirtschaftspolitik der bulgarischen Regierung sind eine schnelle und durchschaubare Privatisierung, eine aktive Politik zum Heranziehen ausländischer Investitionen, eine radikale Steuerreform, eine durchgreifende Stimulierung der Exporte, die Verbesserung des Geschäftklimas mit besonderer Aufmerksamkeit für die KMU (kleine und mittelständische Unternehmen - MD) und die Entwicklung der Finanzwirtschaft, so Wasilew. Akzente seien auch gesetzt auf die Entwicklung der Kapitalmärkte, die Unterstützung der Hochtechnologie-Bereiche, die Erhöhung der Produktivität und die Verbesserung der Infrastruktur. "Die Liberalisierung der Preise und des Handels werden wir fortsetzen."
Laut dem Vizepremier ist die Wirtschaftspolitik der Regierung auf der Suche nach dem besten Ausgleich zwischen den Interessen des Business, das das Wirtschaftswachstum hervor bringt, und den Interessen der bulgarischen Bevölkerung.
"Sie wissen, dass wir eine Reihe unpopulärer, aber absolut notwendiger Maßnahmen zur Begrenzung der Zahl der Staatsbediensteten in der zentralen Verwaltung getroffen haben", heißt es weiter im Interview. "Die Regierung verringert die Gelder, die die staatliche Verwaltung für eigene Zwecke ausgibt, weil das Gelder sind, die wir direkt von den Steuerzahlern erhalten. Wir wollen die Lage sowohl des Business als auch die soziale Sphäre dadurch verbessern, dass die Regierung den Gürtel enger schnallt."
Auf die Frage nach den für ausländische Investoren interessanten Prioritäten der Wirtschaftspolitik antwortete Nikolai Wasilew, dass die Regierung ihr Streben, ausländische Investitionen heranzuziehen, bereits bewiesen hat: "Der erste Schritt, den wir zum Nutzen von Investitionen und Business taten, war die Idee, die Steuern auf Kapitalgewinne auf Null zu setzen. Das wird sich zweifellos positiv auf die Entwicklung des Kapitalmarktes auswirken. (…) In der Praxis verringern wir die direkten Steuern für das Business, genauso wie wir es versprochen haben. Im ersten Jahr der Amtszeit unserer Regierung ist die gesamte Steuerlast von 34,2 Prozent für 2000 auf 31,6 Prozent für 2002 gesenkt worden."
Wasilew zufolge gibt es in Bulgarien zum ersten Mal eine Regierung, "die hartnäckig und vorbehaltlos an die 100-prozentige Notwendigkeit sowohl bulgarischer als auch ausländischer Investoren glaubt". Die Regierung könnte allen Investoren durchschaubare, klare und schnelle Prozeduren versprechen, aber auch Null-Toleranz gegenüber der Korruption. "Das Land hat makroökonomische Stabilität erreicht dank dem Währungsrat", sagte er, "es hat eine niedrige Inflation, niedrige Zinsen. Bulgarien ist vor allem ein ökonomisch stabiles, berechenbares und ruhiges Land." Die Privatisierung ist durchschaubar. Bulgarien habe Abkommen über den freien Handel mit fast allen europäischen Ländern und sei aktives Mitglied der Welthandelsorganisation und der CEFTA. Nach der Meinung Wasilews bedeutet das alles günstige Bedingungen für die künftigen ausländischen Investoren im Lande.
Die ökonomische Strategie der Regierung sieht vor, zwischen 2002 und 2005 jedes Jahr bedeutende ausländische Investitionen im Umfang von einer bis 1,2 Milliarden USD heranzuziehen. "(...) Die Vergrößerung des Exportanteils am Bruttoinlandsprodukt wird die Zahlungsbilanz verbessern und die makroökonomische Stabilität des Landes stärken. Beim Wirtschaftsministerium ist eine Agentur für Handelsförderung gebildet worden, die ständig Verbindung mit den bulgarischen Produzenten pflegt, die ihre Produkte exportieren möchten." Wasilew unterstrich, dass die makroökonomische Stabilität durch das Festhalten am fixierten Währungskurs des Lew zum Euro bis zur Aufnahme Bulgariens in die Europäische Währungsunion garantiert sei.
Zur Entwicklung der Beziehungen mit Deutschland betonte Wasilew: "Bulgarien unterhält traditionell gute Beziehungen zu Deutschland, sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene. Unser Land widmet der Entwicklung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland, das der größte Außenhandelspartner Bulgariens ist, erstrangige Bedeutung bei. Zwischen Bulgarien und Deutschland besteht eine intensive wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit. Im Jahre 2001 lag Deutschland unter den EU-Ländern im Warenaustausch auf Platz eins und an zweiter Stelle hinter Russland im gesamten Außenhandelsumsatz. Der Warenaustausch mit Deutschland macht 12,9 Prozent unseres gesamten Außenhandels aus. Deutschland ist auch Investor Nr. 1 in Bulgarien. Bis Ende voriges Jahres belief sich das Volumen der Direktinvestitionen aus Deutschland auf 563 Mio. USD. Der Beweis für die aktiven Beziehungen, die zwischen unseren beiden Ländern bestehen, ist der Bulgarisch-Deutsche Kooperationsrat, der als ständiges Organ die Initiativen auf Regierungsebene koordiniert und konkrete bilaterale Fragen der beiderseitigen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen löst. 1992 hatte er die gemischte bulgarisch-deutsche Regierungskommission abgelöst. Die Rahmenbedingungen der beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen werden auf den Jahrestagungen des Bulgarisch-Deutschen Kooperationsrates erörtert. Dieses Jahr erwarten wir einen bedeutenden Zuwachs deutscher Touristen. Deutsche Reiseveranstalter prognostizieren eine Wachstumstendenz zwischen zehn und 15 Prozent. Deutsche Firmen können auch in konkrete touristische Projekte investieren." (fp)