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Lässt Brasilien seine Klimaversprechen fallen?

Louise Osborne
31. März 2025

Früher setzte er sich für den Klimaschutz ein, jetzt will der brasilianische Präsident Lula da Silva mehr Ölbohrungen im Land. Dabei ist Brasilien Gastgeber der diesjährigen UN-Klimakonferenz. Wie passt das zusammen?

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Auf einem Luftbild des brasilianischen Amazonas-Regenwald ist eine Schleife des Guama-Flusses zwischen grünen Baumkronen zu sehen
Der Amazonas-Regenwald, der zu einem großen Teil in Brasilien liegt, wird oft als die "grüne Lunge des Planeten" bezeichnetBild: AP

Als Präsident Luiz Inacio Lula da Silva Anfang 2023 sein Amt antrat, atmeten viele auf, die sich für Klima- und Umweltschutz einsetzen. Nach vier Jahren der Umweltzerstörung unter seinem rechtsextremen Vorgänger Jair Bolsonaro trat Lula mit dem Versprechen an, das Klima zu schützen.

Zwei Jahre später hat sich diese Erwartung in Enttäuschung verwandelt. Nur wenige Monate bevor Brasilien im November die UN-Klimakonferenz (COP30) ausrichtet, drängt Lula auf die Erschließung von Ölvorkommen in der Nähe der Mündung des Amazonas.  Und seine Regierung hat den Beitritt zur Organisation erdölexportierender Länder (OPEC+) beschlossen.

"Die Welt hat Brasilien das Mandat erteilt, die Klimadebatte im Jahr 2025 anzuführen", sagt Claudio Angelo, Koordinator für Kommunikation bei der brasilianischen gemeinnützigen Organisation Observatorio do Clima. "Die Verdoppelung der Ölförderung ist ein Verrat an diesem Mandat."

Öl-Einnahmen für den Klimaschutz? 

Brasilien verfügt über riesige Ölreserven und ist weltweit der achtgrößte Exporteur - hinter Ländern wie Saudi-Arabien, Russland und den USA. Doch die Regierung will ihren Anteil an der Öl-Produktion erhöhen und auf den vierten Platz vorrücken.

"Wir sollten uns nicht schämen, Ölproduzent zu sein", erklärte der brasilianische Energieminister Alexandre Silveira, als das Land bekanntgab, der OPEC+ beizutreten. "Brasilien muss wachsen, sich entwickeln und Einkommen und Arbeitsplätze schaffen."

In der OPEC haben sich die wichtigsten Erdöl produzierenden Länder, darunter Iran, Irak, Nigeria und Saudi-Arabien, zusammengeschlossen, um die Erdölproduktion zu koordinieren und einen stabilen Markt aufrechtzuerhalten. Andere wichtige erdölproduzierende Länder, darunter Russland als größtes, sind keine Vollmitglieder, erklären sich aber bereit, im Rahmen der OPEC+ mit anderen Staaten zusammenzuarbeiten. Diesen Status wird künftig auch Brasilien haben.

Auf einer Pressekonferenz äußerte sich Andre Correa do Lago, der designierte Präsident des bevorstehenden Klimagipfels COP30, zu den Plänen. Er sagte, der Beitritt zur OPEC+ biete Brasilien die Möglichkeit, sich an den Gesprächen über die Abkehr vom Öl zu beteiligen.

Umweltorganisationen kritisieren dagegen den Schritt und fürchten, dass damit die Ölambitionen des Landes für die Zukunft zementiert würden.

Brasiliens Präsident Lula da Silva mit blauem Jeanshemd und weißer Schirmkappe
Brasiliens Präsident Lula da Silva: Ist er immer noch ein Klimaschützer?Bild: Ricardo Stuckert/Präsidentschaft der Republik

Brasiliens Präsident argumentiert dagegen, dass die Öleinnahmen zur Finanzierung einer grünen Energiewende benötigt würden. Auch der COP30-Vorsitzende Correa do Lago sagt, es sei einfacher und billiger, Geld für Ölprojekte zu leihen als für nachhaltigere Projekte. "Der Gewinn aus der Ölförderung kann dann intern für Projekte verwendet werden, die für einen Übergang zu sauberer Energie förderlich sind", so Correa.

Brasilien - tatsächlich auf dem Weg zur Energiewende?

Ilan Zugman, lateinamerikanischer Geschäftsführer der Umweltorganisation 350.org, weist das Argument der Regierung zurück. Brasilien betreibt seiner Meinung nach derzeit keine Politik, die den Umstieg auf erneuerbare Energien fördert. Und selbst wenn es eine solche Energiepolitik gäbe, so Zugman, könnte die Finanzierung für die Energiewende aus anderen Quellen statt aus dem Öl-Geschäft kommen.

"Brasilien gibt jedes Jahr Milliarden und Abermilliarden von Dollar zur Subventionierung der Fossil-Industrie aus. Wir würden lieber sehen, wenn Brasilien einen Teil dieser Subventionen weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbare Energien verlagern würde", sagte Zugman der DW.

Wassermassen strömen durch ein Wehr eines Wasserkraftwerks in Brasilien
Brasilien setzt auf viel Wasserkraft zur Stromerzeugung. Doch weil Dürreperioden häufiger werden, könnte das künftig schwieriger werdenBild: Dieh Sacramento/dpa/picture alliance

Die staatlichen Subventionen für die Produktion und den Verbrauch von Öl, Gas und Kohle stiegen im Jahr 2022 auf rund 14,56 Milliarden Dollar (13,4 Milliarden Euro). Das ist fünfmal mehr, als in erneuerbare Energien investiert wird. Das zeigt ein Bericht der gemeinnützigen wissenschaftlich-technischen Einrichtung INESC P&D Brazil.

"Das Geld ist da, es wird nur nicht an den richtigen Stellen eingesetzt", so Zugman. "Und natürlich fehlt uns immer noch der politische Wille, mutige Entscheidungen zu treffen und diese Ressourcen in die Art von Energie zu verlagern, die die CO2-Emissionen in der Welt verringern kann."

Ist Präsident Lula da Silva wirklich Vorreiter in Sachen Klimaschutz?

Brasilien ist weltweit der sechstgrößte Emittent von Treibhausgasen. Die Abholzung und die veränderte Landnutzung im Amazonasgebiet sind für einen Großteil dieser Emissionen verantwortlich. Der Amazonas ist der größte tropische Regenwald der Welt. Er fungiert als eine bedeutende Kohlenstoffsenke, denn er nimmt viel CO2 aus der Atmosphäre auf. Doch in Teilen des Waldes funktioniert dieses System jetzt nicht mehr - hier gibt der Wald mehr CO2 ab als er aufnimmt.

Nach seinem Wahlsieg im Jahr 2022 versprach Lula, die illegale Abholzung, den Bergbau und die Rodung von Land für Rinderfarmen oder Sojafelder einzudämmen, die unter seinem Vorgänger gang und gäbe geworden waren.

In den ersten sechs Monaten von Lulas Amtszeit ging die Entwaldung tatsächlich um etwa ein Drittel zurück, und dieser Rückgang hält an. Der Präsident verpflichtete sich, die Abholzung im Amazonasgebiet bis zum Ende des Jahrzehnts zu beenden.

Verkohlte Baumstümpfe nach einer Brandrodung im Regenwald
Die Rodung des Amazonas-Regenwalds in Brasilien ging zwar zurück - doch die Öl-Vorhaben der Regierung könnten diesen positiven Effekt fürs Klima zunichte machenBild: picture-alliance/J. Kobel

Die Bewerbung Brasiliens um die Ausrichtung des Weltklimagipfels in der Amazonasstadt Belem wurde als weiterer Beweis für das Klima-Engagement der Regierung gewertet. Ebenso die Tatsache, das Brasilien als eines von wenigen Ländern die eigenen nationalen Klimaziele rechtzeitig eingereicht hatte, die alle Unterzeichnerstaaten des Pariser Klimaabkommens regelmäßig abgeben müssen. Ziel des Abkommens ist es, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.

Die brasilianischen nationalen Klimaziele versprechen eine Senkung der Emissionen bis 2035 um 59 bis 67 Prozent gegenüber dem Stand von 2005. "Das ist offen gesagt nicht sehr ehrgeizig", sagt Angelo von Observatorio do Clima. "Es ist nicht annähernd mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar." Die brasilianischen Ziele enthalten auch keine Vorgaben für den Export von Öl. Dessen Verbrennung wird zwar nicht auf die brasilianischen Emissionen angerechnet, wirkt sich aber weltweit aus.

Forschende der Internetplattform SEEG, die den Ausstoß von Treibhausgasen in Lateinamerika überwacht, warnen: Würde Brasilien seine prognostizierten Öl-Reserven ausbeuten, würden die Emissionen, die bei der Verbrennung dieses Öls entstehen, alle CO2-Einsparungen zunichte machen, die durch den Stopp der Abholzung des Amazonaswalds erreicht würden.

Brasilien spürt die Auswirkungen des Klimawandels

Brasilien ist bereits jetzt mit verheerenden Folgen des Klimawandels konfrontiert. Allein im vergangenen Jahr erlebte das Land die schlimmste Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen. Waldbrände verwüsteten rund 30,86 Millionen Hektar Land - eine Fläche größer als Italien.

Die World Weather Attribution, ein Zusammenschluss von Forschenden, die den Zusammenhang zwischen extremen Wetterereignissen und der Erderwärmung untersuchen, stellte fest: Waldbrände, wie die im Juni 2024, die das brasilianische Feuchtgebiet Pantanal verwüsteten, sind durch den Menschen gemachten Klimawandel mindestens viermal wahrscheinlicher sowie um 40 Prozent intensiver geworden.

In Brasilien "spüren die Menschen buchstäblich die Hitze", sagt Angelo. "Das ist der Regierung nicht entgangen. Sie wissen, was auf dem Spiel steht. Aber im Moment macht die Mischung aus innen- und geopolitischen Themen die Agenda sehr unübersichtlich."

Redaktion: Tamsin Walker / Adapation aus dem Englischen: Jeannette Cwienk